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Verfasst: Do 2. Mär 2006, 15:01
von ta
Die Lesen-durch-Schreiben-Methode ist (AFAIK!) tatsächlich State-of-the-Art und wurde durch zahlreiche Untersuchungen bestätigt.

Das Problem ist doch, daß es tatsächlich einige Eltern gibt, die ihren Kindern schon im Kindergartenalter die Grundzüge des Schreibens nahebringen und sich dann über die orthographisch fragwürdigen Machwerke des 4jährigen Knirpses freuen. Das sind dann die Kinder, die dann in der Grundschule früher einen Vorteil hatten, weil sie schon einiges richtig schreiben konnten.

Mit der Lesen durch Schreiben-Methode wird dieses spielerische Erlernen der Schriftsprache allen ABC-Schützen ermöglicht. Und nicht nur denen, deren "sozial starke" Eltern genau diese Methode vorher schon mit ihnen (unbewußt) angewandt haben.

Ich habe auch den dumpfen Verdacht, daß es genau diese "sozial starken" Eltern sind, die sich jetzt über das Anwenden dieser Methode in der Grundschule beschweren, weil ihre Kinder jetzt --mit dem mühevoll in elterlicher Frühförderung erarbeiteten Wissensvorsprung-- gegenüber den "schwächeren" Schülern nicht mehr in dem Maße auftrumpfen können, wie das früher der Fall war, sondern den Schwächeren auch noch die Chance gegeben wird, aufzuholen... :roll:

Ich hoffe, daß die Methode erhalten bleibt. Wichtig ist doch IMHO eigentlich nur, daß die Kids so mit 9-10 Jahren dann auch orthographisch korrekt schreiben können.

Ich habe nur die Befürchtung, daß diese Methode genau durch dieses Buch jetzt unter politischen Beschuß geraten könnte. Und ihr das gleiche Schicksal wie der Gesamtschule bevorsteht. Dabei findet es inzwischen alle übrige Welt (inklusive der Forschung) fragwürdig, daß wir die Schüler schon nach der 4. Klasse in die unterschiedlichen Schulzweige aufteilen. Finnland hat z.B. ein Gesamtschulsystem - welches auch nicht durch parallele Elitegymnasien in Bedrängnis gerät wie hierzulande.

Verfasst: Do 2. Mär 2006, 15:09
von Ramius
24hours hat geschrieben:...
Ich finde es einfach schade, dass immer sofort auf die faulen Lehrer gezeigt wird, die den Kindern nicht genug vermitteln, ohne daran zu denken, dass, wie du so richtig sagst, alle Beteiligten etwas damit zu tun haben, dass die Kinder sich gut entwickeln.
Just my 2 cents,
Michael
Ich habe jetzt die langen Beiträge der Lehrer nur überflogen, möchte aber dennoch was dazu sagen:
Lehrer sind für mich auch ein, sagen wir rosa, Tuch. Warum?
Wenn ich sehe, was ein Lehrer verdient (bzw. bekommt) und dann sehe, wieviele Grundschullehrer ich kenne, die das nur wegen des Geldes und des angenehmen Jobs geworden sind und sich auch so verhalten in ihrem Job, dann kann das nicht angehen.
IMHO sollten Lehrer auch in der Praxis gekündigt werden, wenn sie keine Leistung im Beruf bringen. dann würde es auch kein Bashing geben. In der Industrie hat ein Angestellter mit gleichem Gehalt weit mehr Verantwortung als ein Lehrer heutzutage. Dann noch der praktisch immernoch vorhandene Kündigungsschutz der Lehrer ist IMHO Unsinn.

Wie gesagt, es geht mir nicht allgemein um alle Lehrer. Aber eine unabhängige effektive Überprüfung der Arbeit eines Lehrers würde die Spreu vom Weizen trennen, so daß die angagierten Lehrer auch in der Öffentlichkeit angesehener wären.
Schon in meiner Schulzeit gab es sehr engagierte Lehrer, die auch Ärger mit Eltern in Kauf nahmen, wenns den Kindern half. Aber leider gabs auch viele Lehrer, die es sich bequem machten und alle wurden gleich befördert und bezahlt. Das kanns nicht sein....

P.S.: So meine Tochter nörgelt schon, ich soll mit ihr spielen...vielleicht lernt sie ja dabei noch was :wink:

Verfasst: Do 2. Mär 2006, 15:53
von Homernoid
@24hrs
Doch.
Denn VOR der Wende war das Allgemeinwissen höher als im Westen. Fakt. NACH der Wende ist es abgesackt. Fakt. Warum? Muss doch ne Erklärung dafür geben, oder? :wink:
Das hat nix mit Ost- Westbashing zu tun. Ist nun mal so und findet man sicher auch in der Form der Lehrpläne wieder. Geschichte, Geographie etc. war in Ost sicher anders aufgebaut als in West. Deutsch ebenso. Natürlich muss es da Unterschiede geben... logischerweise auch im Wissen.
Ich bin z.B. immer wieder erstaunt wie wenig die Kids heute über den 2. Weltkrieg wissen. Bei uns war es damals "Pflicht" KZs wie Buchenwald zu besuchen. Gibt sicher viele Beispiele....

Verfasst: Do 2. Mär 2006, 16:00
von 24hours
Ramius hat geschrieben:...wegen des Geldes und des angenehmen Jobs...
Sollen wir ein Date ausmachen, an dem wir mal eine Woche die Arbeitsplätze tauschen? Du kriegst mein Wahnsinnsgeld und den angenehmen Job und ich kriege dein Mickergehalt und den unangenehmen Job. Mach ich gerne! :D

Sorry, aber genau das meine ich mit Lehrer-bashing: Was ist an unserem Job so angenehm? Unerzogene Kinder, die vor dir auf den Boden rotzen? Eltern, die fordern, aber nicht selber mithelfen? Einer Schulverwaltungsbürokratie ausgeliefert zu sein, die mit völlig irrsinnigen Vorgaben guten Unterricht geradezu verhindert? :twisted:

Bevor das jetzt in Lehrerjammerei ausartet, sage ich gleich die Dinge, die ich an meinem Beruf schweinegeil finde (und weswegen ich auch nichts anderes machen würde): Das Gefühl, wenn ich einem geistig behinderten Mädchen nach 4 Jahren endlich, endlich das Lesen beigebracht habe (und sie auf einmal liest wie ein Wasserfall). Die zu Tränen rührende Abschiedsrede eines 18-jährigen massiv verhaltensauffälligen Schülers, der darin zeigt, dass er endlich begriffen hat, was die doofen Lehrer in all den Jahren immer zu vermitteln versucht haben. Die Begeisterung, mit der Kinder sich an eine neue Aufgabe machen. Der Spaß, den man mit den Stilblüten der Schüler hat. Gute Zusammenarbeit mit engagierten Eltern. Ferien. 8)

Das Problem mit der Unkündbarkeit ist leider nicht zu Ende gedacht. Klar finde ich es genau so doof wie du, wenn meine Kinder Pfeifen als Lehrer haben (und glaub mir, dass mich das vor allem bei der Großen manchmal sehr ärgert). Aber was ist die Konsequenz aus der Kündigungsmöglichkeit für Lehrer (mit der ich überhaupt kein Problem habe): Bekommen dann endlich all die guten Lehrer eine Stelle, die zu Tausenden überall arbeitslos rumlaufen...?

Cheers,
Michael

PS: Bei unserem Tausch übernehme ich deine nörgelnde Tochter aber nur, wenn sie bis dahin gelernt hat, lieb zu sein...! :wink:

Verfasst: Do 2. Mär 2006, 16:05
von boddeker
Ramius hat geschrieben:IMHO sollten Lehrer auch in der Praxis gekündigt werden, wenn sie keine Leistung im Beruf bringen... In der Industrie hat ein Angestellter mit gleichem Gehalt weit mehr Verantwortung als ein Lehrer heutzutage...
Dem kann ich nur zustimmen. Abweichend aber meine ich, dass gerade ein Lehrer eine grosse Verantwortung gegenüber seinen Schülern hat. Er muss mit Herz bei der Sache sein. Denn nur wenn jemand mit Leidenschaft dabei ist kann er andere überzeugen und mitreissen. Schon aus diesem Grund sollte jemand sich berufen fühlen diesen Job zu machen.
Persönlich habe ich das in meinem ŽLieblingsfachŽMathe zu spüren bekommen. Mathe habe ich gehasst und hatte entsprechend ŽguteŽ Leistungen. In der Weiterbildung zum Techniker hatten wir dann einen Mathelehrer, der mit Begeisterung bei der Arbeit war. In der Folge habe ich nicht nur alte Defizite aufgearbeitet, sondern mich auf einen guten 2Žer Schnitt heraufgelernt. Natürlich sind Schüler und Eltern auch gefragt. Aber ein Top-Lehrer kann ( aus meiner zugegeben subjektiven Erfahrung ) mitunter mehr rausreissen.

Verfasst: Do 2. Mär 2006, 17:32
von bony
Homernoid hat geschrieben:Denn VOR der Wende war das Allgemeinwissen höher als im Westen. Fakt.
Wenn das "Fakt" ist, kannst du sicherlich eine Quelle angeben.
KZs haben wir übrigens auch besucht und das "3. Reich" ist mir nach der Schule fast aus den Ohren gequollen (war aber schon o.k. so). Das Beispiel wundert mich ein wenig, weil genau auf diesem Gebiet viel über Defizite im Osten diskutiert wurde (fremdenfeindliche Gewaltausbrüche Anfang der 90er etc.).
Ramius hat geschrieben:Wenn ich sehe, was ein Lehrer verdient (bzw. bekommt) und dann sehe, wieviele Grundschullehrer ich kenne, die das nur wegen des Geldes und des angenehmen Jobs geworden sind und sich auch so verhalten in ihrem Job, dann kann das nicht angehen.
Das scheint mir das typische Vorurteil über Lehrer zu sein. :wink: Oder sind die genannten genau die der vielen Lehrer, die später Vorzeitig wegen "Burn Out" aus dem Dienst ausscheiden, weil sie mit der tatsächlichen Belastung nicht gerechnet haben und nun damit nicht zurecht kommen?

Das mit den Leistungs-Nachweisen/Test scheint mir eine sehr theoretische Sache zu sein. Natürlich erinnere ich mich auch an Lehrer, die es sich recht einfach gemacht haben. Aber ich erinnere mich auch an Lehrer, die ihren Unterricht aufwändig vorbereitet haben, die aber trotzdem schlecht waren. Und ich erinnere mich an Lehrer, die ihren Unterricht eher unvorbereitet aus dem Ärmel geschüttelt haben, das aber ziemlich gut! Ich erinnere mich an einen Refrendar, der sicherlich ein höllen guter Lehrer geworden wäre, bei dem eine wichtige Lehrprobe aber etwas daneben lief und der es mit dieser Note gleich mit dem Schuldienst vergessen konnte (er ging dann glaub in den EDV-Bereich). Es gab Lehrer, deren Unterricht so "lala" lief, die sich darüber hinaus aber trotzdem überdurchschnittlich für Schule und Schüler engagierten. Wie will man das alles unter einen Hut bringen?

Verfasst: Do 2. Mär 2006, 17:40
von Amperlite
Danke für die Einblicke der "anderen Seite".
Auch ich (noch relaitv jung) habe nach dem alten System Schreiben und Lesen gelernt, bin neuen Methoden natürlich aufgeschlossen, ABER kann kann es mir (wohl weil ich es nie anders gesehen habe) trotzdem nicht recht vorstellen.
Subjektiv würde ich sagen, dass es heute mehr "Halb-Legastheniker" (auffallend schlechte Schriftsprache) gibt als noch zu meiner Grundschulzeit. Verzerrtes Bild durch fortschreitendes Alter?


Ein Wort zur Bezahlung von Lehrern nach Leistung:
Wie bitteschön soll diese "Leistung" in Zahlen ausgedrückt werden? Wird unter Grundschulkindern eine Evaluation durchgeführt?
Wie wird verhindert, dass die Lehrkraft jene Erfassung (welcher Gestalt auch immer) zu seinen Gunsten manipuliert?

Verfasst: Do 2. Mär 2006, 18:11
von 24hours
Amperlite hat geschrieben: Subjektiv würde ich sagen, dass es heute mehr "Halb-Legastheniker" (auffallend schlechte Schriftsprache) gibt als noch zu meiner Grundschulzeit. Verzerrtes Bild durch fortschreitendes Alter?
Sicher nicht. Mir kräuseln sich immer die Zehennägel, wenn ich eine SMS meiner Tochter (13) kriege. Punkte und Kommas sind schon mal total uncool und auch sonst wird alles in HDGDL und sonstwie abgekürzt. Sie zeigte mir neulich eine Email einer Klassenkameradin, die ich wirklich nur noch mit Mühe entziffern konnte. :?
Wenn ich dann noch die an der Grenze der Unlesbarkeit stehenden Beiträge mancher Kiddies in diversen Foren (vom Chat schweigen wir jetzt mal lieber...) lese, kann ich deine Beobachtung nur bestätigen. Hat für mich allerdings mehr mit "veränderter Lebenswelt der Kinder " zu tun, als mit guten/schlechten Lehrern. Vor einigen Jahren hatte ich einen Schüler, der konnte alle 200 (?) Pokemons auswenig. Das kleine Einmaleins beherrschte er aber nur rudimentär.

Auch hierzu ein Beispiel aus der Praxis: Wir besprechen auf dem Elternsprechtag die auffallend lautierende Schreibweise der Tochter auch bei geübten Lernwörtern mit dem Vater: "Hm, ja. (lange Pause) Dann hat sie wohl noch nicht die Motivation dazu." 8O

Auch das gehört zu der veränderten Lebenswelt...

Cheers,
Michael

Verfasst: Do 2. Mär 2006, 18:14
von Ramius
edit....bringt nichts...nur bitte beim nächsten Mal meine Beiträge ganz lesen. Danke!.

Verfasst: Do 2. Mär 2006, 18:24
von Homernoid
@bony

Die Fakten siehst Du heutzutage an PISA. ;)
Und nein, ich werde nix "belegen". :roll:

"Anfang der 90er" war schon der Westen. Du erinnerst? :wink:

Über den Rest muss ich mich sicher nicht auslassen, oder?