Also wer da mit einer bodenständigen Einstellung und etwas Hörerfahrung hingeht, wird einen schönen Einblick bekommen, wie abgedreht und absurd die HiFi-Szene ist. Im Folgenden lest ihr ein paar meiner Gedanken und Erinnerungen.
Schaut man um sich, sieht man im Messepublikum eine breite Verteilung: Einfache Technikfreaks, ganz normale HiFi-User, oder aber auch reiche Männer, für die Extravaganz und Luxus eine große Rolle spielen. Auf dieses Publikum ist das Angebot auch ausgerichtet. Man trifft auf den Lautsprecherbastler Udo Wohlgemuth, sowie auf aalglatte Geschäftsmänner. Es gibt Offenheit und Ehrenkäsigkeit. Mit einigen Ausstellern kann man total locker a Schwätzle halde, manch anderer ist einfach nur arrogant, aber mit den meisten kann man normal reden.
Läuft man nicht schnell an den Voodoo-Messeständen vorbei, wird man schnell mit Unmengen an Belanglosigkeiten konfrontiert, für welche man auch keine Zeit hat, wenn man viel von der Messe sehen möchte.
Es wird auch extrem mit Phallussymbolen umgegangen: Lautsprecherkabel so dick und Stecker so groß wie Penisse, sogar Photos vom Kölner Dom und unzählig viele andere Schrecklichkeiten in entsprechender Darstellung. Eine teilweise sehr objektsexuelle Stimmung...
Nubert ist eine der wenigen letzten Bastionen der Bodenständigkeit auf der Messe. Aber leider kam ich vor lauter Schwätzle halde ich nicht zum Photographieren. Thomas Bien machte die Vorführung wie immer super auf seine schwäbische Art. Von wegen Nubert kommt aus dem Schwobaländle, wo man weniger redet, aber viel schafft und fleißig ist. In der Vorführung wird also nicht gelabert, sondern gleich mit tollem Klang und gut gewählten und anspruchsvollen Musikstücken überzeugt. Der Klang der nuVero, welche wohl hauptsächlich vorgestellt werden sollte, war einer der besten auf der HighEnd.
An jeder Ecke sieht man mehr oder weniger gut verarbeitete und extravagant aussehende Lautsprecherboxen mit Chassis von Seas, Thiel/Accuton und Scan Speak. Klar, deren Chassis sind gut, aber merkt man das als Besucher nicht, dass überall das gleiche Zeug steht?
Vielleicht interessant: PSB verwendet in einer Boxenreihe die gleichen Tiefmitteltöner von Peerless wie Nubert in der nuVero 4, jedoch mit Alu-Phaseplug.
Hier eine Revox mit Hochtonkalotte von Scan Speak und einer schönen Kunstlederverkleidung:
Oder toll verarbeitete Lautsprechergehäuse aus Schiefer von Fischer&Fischer mit Seas Excel Tiefmitteltöner und Kalotten von Scan Speak und Dynaudio:
Ich glaube, es gibt einen kleinen Trend, dass man sich nun vermehrt Hornlautsprechern zuwendet. Das halte ich auch für eine sehr sinnvolle Lösung, um auf normalgroßen bis größeren Hörabständen eine große Dynamik zu erreichen. Man kann von einer normalen Hochtonkalotte nicht viel mehr als 100dB verlangen und selbst bei richtig guten Kalotten ist spätestens bei 105dB mechanisch Schluss und elektrisch bei längerer Belastung erstrecht. Eigentlich kann man das Konzept Hochtonkalotte nicht weiter ausreizen. Man könnte die Polplattendicke und Wickelhöhe der Schwingspule vergrößern, also die Kalotte auf größeren Hub züchten, aber dann wird die Schwingeinheit schwerer (also leiser) und tendiert noch stärker zu Taumelbewegungen, was dann den Maximalpegel elektrisch und mechanisch verringern würde. Eine weitere Zentrierung steht außer Frage wegen größerer Masse und größerer Reibung.
Außerdem zahlt sich die hohe Schallbündelung über große Frequenzbereiche von großen Hörnern aus. So gehören die Hornlautsprecher von Avantgarde Acoustic trotz Hochton- und Bassbetonung zu den am besten klingenden Lautsprecher auf der Messe. Sie standen in einem leeren Raum und der Klang war trotzdem klar, direkt und reflexionsarm, während andere Hersteller ihre Räume kubikmeterweise mit Basotect vollstopfen mussten. 7cm Basotect an die Wand geklatscht, bringt leider nicht so viel wie eine hohe Schallbündelung im gesamten Frequenzbereich.
![Bild](http://img32.imageshack.us/img32/634/hiend03.jpg)
Hier im Raum von Audio Aéro:
Andere Hersteller setzen gewöhnliche Hochtonkalotten in kurze Hörner, sog. Waveguides. Das bringt auch meist eine sinnvolle Anpassung des Bündelungsverhalten des Hochtöners an den Tieftöner, um ein zu hohen Frequenzen hin ansteigendes Bündelungsverhalten zu erzeugen. Dieses Bündelungskonzept ist aber nicht immer sinnvoll. Hohe Frequenzen werden dann nämlich viel direkter als mittlere abgebildet, da kaum Hochtonschallenergie im Raum hörbar reflektiert wird. Eher sollte man bei jeder Frequenz eine hohe Bündelung haben, also dass jeder Frequenzbereich ganz klar und unverwaschen abgebildet wird.
Hier eine JBL-Box mit Horn (nicht gehört)...
![Bild](http://img268.imageshack.us/img268/6931/hiend05.jpg)
... und Boxen mit Waveguides von Amphion (auch nicht gehört) ...
![Bild](http://img194.imageshack.us/img194/2117/hiend06.jpg)
... und selbst verständlich gibt es noch viele weitere Horn-/Waveguide-Boxen auf der Messe.
EDIT: Auffallend war bei der Audio Aéro bzw. Avantgarde Acoustic Vorführung, dass sie nicht so "flüsterleise" war wie auf fast allen anderen Messeständen. Wahrscheinlich wollten und konnten nur wenige Hersteller bzw. Lautsprecher den Messelärm in ihrem Raum übertönen. Es herrschten wirklich widrige Bedingungen. Zudem waren die Messeräume akustisch problematisch und die Hörabstände sehr groß. Riesige Boxen mit Hörnern hatten es also selbstverständlich viel leichter, als ein kleine, schöne HiFi-Boxen. Daheim könnte aber eine HiFi-Box akustisch wie optisch die bessere Figur machen.
Daher sollte jeder, der auf der Messe Boxen gehört hat, oder nur im Internet Berichte davon liest, das Gehörte bzw. Geschriebene nicht auf die Goldwaage legen. Ich glaube auch nicht, dass ernsthafte Klangvergleiche Sinn der Messe sind.
Was allmählich auffällt, wenn man schon Einiges gesehen und gehört hat: Da wo Lautsprecher vorgeführt werden mit Musik, die hifi-technisch anspruchslos ist, also kleine Besetzung, eine stöhnende und hauchende Sängerin, ein Kontrabass, etwas Schlagwerk und ab und an eine Trompete, hat man meist eine schrecklich klingende Fehlkonstruktion vor sich. Je anspruchsloser die Vorführmusik, desto schlechter der Lautsprecher.
Schlimm ist auch das Getue von manchen Ausstellern, wenn die CD oder Schallplatte gewechselt wird. Wie ein Heiligtum und nicht wie eine kratzempfindliche Plastikplatte werden diese kratzempfindlichen Plastikplatten behandelt. Die Zeremonien der CD-Wechselerei waren beinah endlose Qualen...
Einen wunderschönen (und bodenständigen) Kontrast setzten da die drei reizenden Damen, welche umherlaufend mit ihren Blechbläsern schöne Jazz-Stücke spielten.
Emillé, eine südkoreanische Edelelektronikschmiede mit einem Lautsprecher von Rethm in der Vorführung. Der Lautsprecher besitzt einen 17cm Breitbandlautsprecher von Lowther und ein Subwooferteil.
Magnepan:
Cabasse:
Vorstellung der Canton Reference:
Backes & Müller, auch mit Hornhochtöner:
Ascendo (Coax-Chassis von Seas):
Einblicke in den Kabelbau:
Eine Box von Lansche Audio mit einem Ionenhochtöner im Horn und großer Mitteltonkalotte. Anscheinend produziert dieser Hochtöner fast kein Ozon.
Und jetzt weiß ich nicht, was ich noch schreiben soll, vielleicht poste ich hier noch irgendwann später weitere Bilder mit Kommentaren.
Der HighEnd-Besuch war jedenfalls eine sehr lohnende, schöne, aber auch erkenntnisreiche Erfahrung.
EDIT: Zu erwähnen ist noch, dass die Messe verdammt professionell organisiert war, auch seitens jedes einzelnen Herstellers. Man hat eigentlich keinen schlechten Stand gesehen und viele Hersteller kamen von weit her mit kleiner Mannschaft, welche dann auch die vier Tage auf ihrem Stand durchhalten muss und noch den Weg und Auf-/Abbau auf sich nehmen muss. Dieser riesige Aufwand verdient Respekt...