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Verfasst: Mi 8. Jul 2009, 11:55
von Faiko
also hat eine ohr-korrektur-op (also das anlegen der ohren bei extremen segelohren) erstmal einen einfluss auf das ortungsvermögen oder? denn das gehirn muss sich ja an die neuen laufzeitunterschiede einstellen

Verfasst: Mi 8. Jul 2009, 12:01
von Philipp
Thias hat geschrieben:
Natürlich gilt die Physik auch bezogen auf das menschliche Hören. Die Bandbreite des menschlichen
Gehörs wird anhand von Hörtests mit Sinusschwingungen auf maximal 20kHz (Erwachsener höchstens
17kHz) festgesetzt. Allerdings sollten beim menschlichen Hören nicht die Eigenschaften eines Ohres
isoliert betrachtet werden, genauso wie der „psychoakustische Filter“ Gehirn nicht vernachlässigt
werden sollte. Das Gehirn ist zusammen mit zwei Ohren Teil des menschlichen Übertragungssystems
und bestimmt die Hörwahrnehmung immer mit.
Wenn es zum Beispiel um Richtungswahrnehmung geht, sind Winkelabweichungen von nur 3-5 Grad
exakt wahrnehmbar. Das entspricht einer Laufzeitdifferenz zwischen beiden Ohren von etwa 10μs.
Hingegen kann das Ohr zwei zeitlich diskrete Signale nur mit einem zeitlichen Abstand größer 10ms
bewußt als zwei Signale voneinander trennen. Untersuchungen im Bereich Instrumentenakustik
wiederum zeigen, dass der Mensch kleinste Signalstrukturen bis hinab zu einer Größenordnung von 5μs
wahrnimmt und diese für einen natürlichen Höreindruck benötigt1.
Rechnet man die 20kHz der höchsten hörbaren Frequenz um in Zeitauflösung, ergibt das 25μs. Rechnet
man die 10ms Zeitauflösung um in eine maximal hörbare Frequenz, so dürften wir keine Frequenzen
über 50Hz (das ist die Frequenz eines Netzbrummens) hören. Gleichzeitig hören wir beim Bestimmen
von Richtungen Zeitabstände von 10μs und nehmen in Klängen Signalstrukturen bis hinab zu 5μs wahr.
Ganz nebenbei ist das das einzige mir bekannte wirklich plausible Argument, warum Samplingfrequenzen oberhalb von 44,1 kHz bei der Wiedergabe (!) Sinn machen könnten.

Verfasst: Mo 2. Nov 2009, 09:03
von Movietux
Hier sei noch angefügt das die Sounddetektion über die Ohren ihr maximales Potential nicht freiwillig erreicht. Ich sah im TV eine Grupper Erblindeter die mit der Zunge schnalzen und über die Reflexionen "sehen". Die Frequenz des Geräusch wird wie bei der Ultraschallortung der Fledermäuse gebrochen und Positionen werden "sichtbar".
Über den Effekt haben wir die Stereobühne und später das Surround Klangfeld bekommen, wohl dem der es noch wahrnehmen kann denn viele Jugendliche haben sich das Gehör bereits erfolgreich durch portable Player und dem Loudnesswar zerstört.

Movietux

Verfasst: Mo 2. Nov 2009, 15:23
von Raico
Das führt zu der Erkenntnis, dass man nicht nur "gutes Hören" lernen kann, sondern sich prinzipiell in jede Anlage lernend einhören kann.

Für mich ist das der Schlüssel zu mancher "Einspielmär".

Nicht die Geräte, sondern die Ohren und das Gehirn werden dabei "eingespielt", indem sie lernen, die akustische Darbietung einer Musikanlage zu "erhören" und genauer zu analysieren.

Verfasst: Do 5. Nov 2009, 21:34
von raw
Tag,

das von Thias gezeigte PDF-Dokument habe ich zwar nicht wirklich gelesen, es erscheint mir aber nach dem Überfliegen recht seltsam:

Es ist natürlich nicht schlecht, wenn man in der digitalen Signalverarbeitung auf hohe Wert- und Zeitauflösung setzt. Aber da wird tatsächlich die Spektrumanalysen der gleichen Aufnahme auf dem Master, auf der LP und auf der CD verglichen, während allein schon normale Mikrophone nicht weit über 20kHz hinaus kommen (sagt der Schreiberling sogar selber). Also gehören die dargestellten Frequenzen von 20kHz bis ca. 70kHz nicht zum aufgenommenen Signal, sondern kommen von sonst wo her. Der Vergleich ergibt keinen Sinn.

Was soll das mit der "Signalstruktur bis hinab zu 5µs"? Aus der zuvorigen Argumentation, dass 20kHz eine halbe Schwingungsdauer von 25µs haben, könnte man doch vermuten, dass mit den 5µs also eine "100kHz-Halbwelle" gemeint ist. Ich verstehe den Sinn dahinter nicht. Man kann einen 100kHz-Ton natürlich nicht hören, aber eine Halbwelle ist auch kein eingeschwungener Sinus, damit kein einzelner Ton, sondern sie hat ein ausgedehntes Frequenzspektrum.
Im Zuge der Argumentation mit der Richtungswahrnehmung vermischt man da monoaurale mit interaurale Effekte. Das verwirrt mehr, als es verdeutlicht.

Verfasst: Sa 7. Nov 2009, 20:10
von Thias
raw hat geschrieben:Tag,

das von Thias gezeigte PDF-Dokument habe ich zwar nicht wirklich gelesen, es erscheint mir aber nach dem Überfliegen recht seltsam:
... ja, das stimmt, da sind auch einige Eier drin, die man so nicht nachvollziehen kann.
Aber in diesem Thread ging es um Richtungswahrnehmung.
Und da ist es schon bemerkenswert, dass das Ohr max. 20 kHz wahrnehmen kann, das Gehirn aber deutlich kürzere Zeitdifferenzen zwischen den Ohren "errechnet", die zur Richtungswahrnehmung dienen (was zur virtuellen Klangbühne wichtig ist).
In dem streitbaren Arikel ging es darum, wie gut diese Richtungsinformationen der beiden Kanäle im CD-Format darstellbar sind...
Mit den 5µs sind Zeitunterschiede eines Signals aus beiden Känälen gemeint, die bewirken, dass das Signal für das Gehirn nicht mehr ganz aus der Mitte kommt.

Verfasst: So 8. Nov 2009, 20:36
von raw
Danke für die Aufklärung, Thias. Da habe ich die Essenz des Textes doch nicht mitbekommen.

Meine Meinung:
Stereophonie ist ein altbackenes und sehr beschränktes Prinzip zur Erzeugung einer Richtungswahrnehmung, sodass es sich nicht lohnt den Standard für Stereoaufnahmen zu ändern. Außerdem sind die erzeugten Fehler von Lautsprecher und v. a. Raumakustik viel größer als der einer etwas zu geringen Abtastfrequenz. Die gesamte Aufnahme-/Wiedergabetechnik sollte sich schon längst weiterentwickeln - bloß wohin genau?

Raumklang mit zwei Kanälen ist möglich

Verfasst: Mo 9. Nov 2009, 12:57
von Germerman
raw hat geschrieben:Meine Meinung:
Stereophonie ist ein altbackenes und sehr beschränktes Prinzip zur Erzeugung einer Richtungswahrnehmung, sodass es sich nicht lohnt den Standard für Stereoaufnahmen zu ändern. Außerdem sind die erzeugten Fehler von Lautsprecher und v. a. Raumakustik viel größer als der einer etwas zu geringen Abtastfrequenz. Die gesamte Aufnahme-/Wiedergabetechnik sollte sich schon längst weiterentwickeln - bloß wohin genau?
So allgemein würde ich das nicht sehen. Die Stereophonie hat manchmal Einschränkungen beim Betrieb mit Lautsprechern, da hier die Raumakustik eine entscheidende Rolle spielt. Fällt diese weg, z.B. bei Kopfhörern, braucht's bei zwei Ohren auch nur zwei Kanäle - auch und gerade bei der Raumortung.

Der Einfluss der Laufzeitunterschiede wird hierbei überschätzt. Bei Klängen von hinten gibt es sie auch gar nicht. Der entscheidende Faktor ist die Psychoakustik. Seit ich ein Demostück zur (leider nie in Serie gegangenen) "Wavedance Technologie" gehört habe, kenne ich den Einfluss der Psychoakustik. Ähnliche Verfahren werden mittlerweile von vielen Herstellern angeboten. Von den oft zweifelhaften "Virtual Surround" Versprechen von TV-Herstellern sollte man sich da nicht in die Irre leiten lassen. Raumklang über (normale) Kopfhörer ist möglich, sogar als Klang "von hinten".

Die Verfahren funktionieren trotz verschiedener persönlicher Eigenschaften mit sehr vielen verschiedenen Personen - Ausnahmen bestätigen die Regel.

viele Grüße,

Germerman

Verfasst: So 22. Nov 2009, 12:08
von Movietux
Das errechnen ist sehr weit trainierbar, im TV zeigten sie nun Blinde die mit der Schnalz Echoortung Basketball spielten und Fahrrad fuhren. Das erzeugte Geräusch wird von allem rundum mit verschiedenen Laufzeiten reflektiert. Zusammen mit Dopplereffekt von anderen Objekten die Geräusche verursachen können die Blinden so eine ziemlich erstaunliche Orientierung erlangen.
Ich nehme an das diese Fähigkeiten beim sehenen Menschen unterentwickelt sind und sich auch nicht weiter trainieren weil sie nicht so präzise gebraucht werden.
Lest mal CD Rezensionen bei Amazon, da geben junge Käufer höchste Wertungen für Musik die bei Audiophilen die Ohren bluten lässt. Unreines geknarze mit statischen Clipping in permanent höchsten Signalpegeln bringt weder einen Stereoeffekt noch eine wahrnehmbare Bühne mit guten Hifi Equipment mehr zustande. Von daher denke ich das man auch das letzte Quäntchen Hörqualität der breiten Masse aberziehen kann. Wahrscheinlich würden die schon Stereo als "kaputt" titulieren weil Töne nicht immer laut aus der Mitte kommen.

Movietux

Verfasst: So 22. Nov 2009, 12:56
von Edgar J. Goodspeed
Movietux hat geschrieben:Das errechnen ist sehr weit trainierbar, im TV zeigten sie nun Blinde die mit der Schnalz Echoortung Basketball spielten und Fahrrad fuhren. Das erzeugte Geräusch wird von allem rundum mit verschiedenen Laufzeiten reflektiert. Zusammen mit Dopplereffekt von anderen Objekten die Geräusche verursachen können die Blinden so eine ziemlich erstaunliche Orientierung erlangen.
Ich nehme an das diese Fähigkeiten beim sehenen Menschen unterentwickelt sind und sich auch nicht weiter trainieren weil sie nicht so präzise gebraucht werden.
Der Terminus dafür heißt Neuroplastizität. Einfach erklärt: Blinden fehlt visueller Input, den das Hirn an bestimmten Punkten verarbeitet [in dem Fall wirklich Plural, da die Sehfähgkeit evolutionsbiologisch alte und neue Strukturen besitzt]. Damit verkümmert dieser Bereich aber nicht, sondern wird durch andere Bereiche besetzt - so z.B. Verarbeitung von Tönen [Interpretation aller Eindrücke ist wieder ein anderes Hirnareal und ein gänzlich anderes Thema]. Nicht immer muss das Ergebnis sein, dass Personen mit Handicap nun besser Hören, Schmecken, Fühlen etc. Oft haben Blinde optische Halluzinationen, Taube akustische Wahrnehmungen und Beinamputierte z.B. Phantomschmerz. Damit wird fehlender Input durch das eigene Gehirn ausgeglichen [!] Nur wenn bestimmte Umstände es zulassen [dauert jetzt zu lang, um es weiter zu erklären] und korrekt trainiert wird, kann es zu einer für Menschen im Großen und Ganzen untypischen Fähigkeit kommen. Soll heißen: Wir, die wir wohl alle noch recht gut sehen, hören und riechen können, haben zwar die Möglichkeit zu trainieren [und damit eine höhere Verschaltungsdichte an einem bestimmten Areal der grauen Masse zu erlangen], werden aber ohne Unfall, Tumor, oder Verlust eines Sinnes, nie zu außergewöhnlichen Fähigkeiten wie oben beschrieben in der Lage sein.