Re: Das Jahrzehnt geht zu Ende, was bleibt musikalisch?
Verfasst: Do 19. Nov 2009, 14:42
Dann will ich auch mal...
Abseits vom Mainstream-Pop ist die Musikwelt in immer kleinere Genres und Sub-Genres zersplittert, so dass man kaum noch von einem prägenden Stil für das ganze Jahrzehnt sprechen kann. Wirklich weltbewegende Innovationen hab ich nicht gehört, nur Abwandlungen und Weiterentwicklungen bereits vorhandener Stile. Aber war das nicht schon immer so? Mal abgesehen von den ganz ganz großen Einschnitten, beispielsweise den ersten elektronischen Gehversuchen von Kraftwerk oder den Soundexperimenten von Hendrix?
Es gab ein paar größere musikalische Bewegungen wie die Retrorockbands Anfang der 00er, den deutschen Gansta-Rap (zum Glück wieder am Abklingen), Emo (wobei das eigentlich nur eine abwertende Bezeichnung für Posthardcore ist und obendrein aus musikalischer Sicht eine eher kleine und unbedeutende Szene ist), Popmusik mit deutschen Texten (wahlweise in der Ausführung "R'n'B" oder "Rock"), außerdem hatte ich den Eindruck dass sich generell Rockmusik wieder mehr im Mainstream etabliert. Merkt man ja schon alleine am irrsinnigen Erfolg von Bands wie Tokyo Hotel - das wäre in den 90ern vermutlich nicht drin gewesen. Im gleichen Zusammenhang blüht auch der Hard Rock und Metal wieder auf.
Was mir gerade in den letzten Jahren ganz massiv auffällt, ist die ständige Rückbesinnung auf ältere Moden und Stile. Gabs das früher auch schon? Anfang des Jahrzehnts haben sich Bands wie die Strokes, Mando Diao und Co ganz massiv beim 60er/70er Rock bedient, zur Zeit grassiert eine ziemliche 80er-Jahre-Retrowelle, zwischendurch sind auch noch Bands wie Wolfmother oder The Darkness mit 70s-Rock erfolgreich. Speziell im Metal-Bereich fällt auf, dass unglaublich viele Bands entstehen, die erzkonservative 70er- oder 80er-Musik spielen, und frenetisch dafür abgefeiert werden.
Früher musste man, um Gehör zu finden, einen Vertrag mit einer Plattenfirma abschließen. Dann wurde eine Platte produziert, dann gabs Airplay im Radio, dann (und nur dann) konnte man Platten verkaufen. Heute hat jeder die Möglichkeit, privat für relativ wenig Geld Songs in guter Qualität aufzunehmen und sie einem breiten Publikum vorzustellen. Dadurch gibt es eine unglaubliche Fülle an Künstlern und Bands verschiedenster Stilrichtungen, viel mehr als noch vor 10 Jahren. Das Problem ist nur, dass es schwieriger wird als früher, gute Musik zu finden - weil mit der tollen Musik natürlich auch der verzichtbare Ausschuss zunimmt. Außerdem findet das musikalische Geschehen zunehmend unter Ausschluß der Musikindustrie und der etablierten Medien statt, sondern fast ausschließlich im Internet (abgesehen natürlich von regionalen Szenen). Wer also gute Musik sucht, kann nicht mehr wie früher einfach das Radio anschalten, denn dort kommt wirklich fast nur noch der Nummer-sicher-Output der klassischen Musikindustrie, die in ihrer Megakonzern-Struktur längst viel zu unflexibel für die heutige Musikwelt geworden ist. Deswegen klammert sich die Industrie auch so krampfhaft an die Stars vergangener Jahrzehnte - das sind wenigstens sichere und etablierte Einnahmequellen, die man nach gewohntem Muster vermarkten kann.
Interpreten wie Madonna, AC/DC oder U2 können heute so gigantische Konzerte spielen, WEIL sie über Jahrzehnte so erfolgreich waren. Nicht OBWOHL sie so "alt" sind. Wenn sich die Zielgruppe aus sämtlichen Altersschichten von 10-60 Jahren rekrutiert, kommen natürlich mehr Leute zum Konzert als bei jungen Bands, die nur Leute unter 35 kennen. Obendrein haben die auch noch weniger Geld und können sich so perverse Preise evtl. sowieso nicht leisten. Wenn die 90er-Jahre-Teenager aber erstmal 50 sind, werden sie vielleicht auch zusammen mit ihren Kindern zum Radiohead-Konzert pilgern. DANN sind deren Konzerte auch so groß wie heute die von U2, und kosten vermutlich 120 Euro pro Karte. Nur so ein kleiner Gedankengang von mir...
Mal davon abgesehen: Wer will denn bitte solche Riesen-Events? Sollte ich meine besten Konzerte aufzählen, wären unter den ersten 5 Plätzen sicher keine Konzerte mit mehr als vierstelliger Besucherzahl.
(Übrigens haben jetzt auch die Massenmedien erkannt, was ich schon vor Jahren gepredigt habe und dabei immer auf völlig entgeisterte Gesichter gestoßen bin: Tokyo Hotel sind doch gar nicht sooo schlimm: *klick*)
Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute mal die einflussreichsten und prägendsten Künstler der letzten 10 Jahre waren vermutlich Leute wie The Neptunes, Kanye West, Timbaland, oder Dr. Dre. Die haben nicht nur unzählige Hits hervorgebracht, sondern obendrein auch noch die komplette Klangästhetik der gesamten Popmusik neu definiert. Deswegen klingen heute selbst Superstars wie Madonna nicht mehr nach Madonna, sondern nach Timbaland.Riddick hat geschrieben:Was aber wird von den Jahren 2000 - 2009 hängenbleiben? Welche neuen Bands oder Künstler prägten das Jahrzehnt? Welche Musikstile schafften den Durchbruch oder waren gar völlig neu?
Abseits vom Mainstream-Pop ist die Musikwelt in immer kleinere Genres und Sub-Genres zersplittert, so dass man kaum noch von einem prägenden Stil für das ganze Jahrzehnt sprechen kann. Wirklich weltbewegende Innovationen hab ich nicht gehört, nur Abwandlungen und Weiterentwicklungen bereits vorhandener Stile. Aber war das nicht schon immer so? Mal abgesehen von den ganz ganz großen Einschnitten, beispielsweise den ersten elektronischen Gehversuchen von Kraftwerk oder den Soundexperimenten von Hendrix?
Es gab ein paar größere musikalische Bewegungen wie die Retrorockbands Anfang der 00er, den deutschen Gansta-Rap (zum Glück wieder am Abklingen), Emo (wobei das eigentlich nur eine abwertende Bezeichnung für Posthardcore ist und obendrein aus musikalischer Sicht eine eher kleine und unbedeutende Szene ist), Popmusik mit deutschen Texten (wahlweise in der Ausführung "R'n'B" oder "Rock"), außerdem hatte ich den Eindruck dass sich generell Rockmusik wieder mehr im Mainstream etabliert. Merkt man ja schon alleine am irrsinnigen Erfolg von Bands wie Tokyo Hotel - das wäre in den 90ern vermutlich nicht drin gewesen. Im gleichen Zusammenhang blüht auch der Hard Rock und Metal wieder auf.
Was mir gerade in den letzten Jahren ganz massiv auffällt, ist die ständige Rückbesinnung auf ältere Moden und Stile. Gabs das früher auch schon? Anfang des Jahrzehnts haben sich Bands wie die Strokes, Mando Diao und Co ganz massiv beim 60er/70er Rock bedient, zur Zeit grassiert eine ziemliche 80er-Jahre-Retrowelle, zwischendurch sind auch noch Bands wie Wolfmother oder The Darkness mit 70s-Rock erfolgreich. Speziell im Metal-Bereich fällt auf, dass unglaublich viele Bands entstehen, die erzkonservative 70er- oder 80er-Musik spielen, und frenetisch dafür abgefeiert werden.
Ich glaube, da täuscht du dich (trotz allem, was ich oben geschrieben habe) ganz gewaltig. Die Charts waren doch schon immer Mist, oder? Ich glaube, die Musiklandschaft hat noch nie so geblüht wie zur Zeit!Täusche ich mich oder waren die letzten Jahre wirklich so wenig innovativ in der Musik?
- Die Charts wurden von teilweise Retortenkünstlern beherrscht, die von der Musikindustrie und den Medien in den Castingsshows selbst produziert werden. Eine Nr. 1 Single, ein Nr. 1 Album, dann ist die Haltbarkeit abgelaufen und der nächste "Superstar" wird produziert.
Früher musste man, um Gehör zu finden, einen Vertrag mit einer Plattenfirma abschließen. Dann wurde eine Platte produziert, dann gabs Airplay im Radio, dann (und nur dann) konnte man Platten verkaufen. Heute hat jeder die Möglichkeit, privat für relativ wenig Geld Songs in guter Qualität aufzunehmen und sie einem breiten Publikum vorzustellen. Dadurch gibt es eine unglaubliche Fülle an Künstlern und Bands verschiedenster Stilrichtungen, viel mehr als noch vor 10 Jahren. Das Problem ist nur, dass es schwieriger wird als früher, gute Musik zu finden - weil mit der tollen Musik natürlich auch der verzichtbare Ausschuss zunimmt. Außerdem findet das musikalische Geschehen zunehmend unter Ausschluß der Musikindustrie und der etablierten Medien statt, sondern fast ausschließlich im Internet (abgesehen natürlich von regionalen Szenen). Wer also gute Musik sucht, kann nicht mehr wie früher einfach das Radio anschalten, denn dort kommt wirklich fast nur noch der Nummer-sicher-Output der klassischen Musikindustrie, die in ihrer Megakonzern-Struktur längst viel zu unflexibel für die heutige Musikwelt geworden ist. Deswegen klammert sich die Industrie auch so krampfhaft an die Stars vergangener Jahrzehnte - das sind wenigstens sichere und etablierte Einnahmequellen, die man nach gewohntem Muster vermarkten kann.
Gute Frage. Ich fürchte, so richtig wird man das erst in einigen Jahren im Rückblick sagen können. Wer hätte in den 80ern gedacht, dass Metallica oder Bon Jovi eines Tages unter den größten Rockbands der Welt sein würden? Vielleicht spielen in 20 Jahren Coldplay vor 50000 Menschen, vielleicht Radiohead (OK, 90er-Band), vielleicht sogar Muse? Vielleicht auch Künstler aus ganz anderen Stilrichtungen, beispielsweise Eminem oder Beyonce. Wer weiß?- Die großen Hallen und Stadien werden immer noch von den großen Namen aus den 80ern gefüllt. Metallica, Madonna, U2, Bruce Springsteen, Bon Jovi oder AC/DC sind immer noch DIE Live Erlebnisse. Ich frage mich welcher neue Künstler der letzten Jahre noch in 20 Jahren die großen Stadien füllen könnte.
Interpreten wie Madonna, AC/DC oder U2 können heute so gigantische Konzerte spielen, WEIL sie über Jahrzehnte so erfolgreich waren. Nicht OBWOHL sie so "alt" sind. Wenn sich die Zielgruppe aus sämtlichen Altersschichten von 10-60 Jahren rekrutiert, kommen natürlich mehr Leute zum Konzert als bei jungen Bands, die nur Leute unter 35 kennen. Obendrein haben die auch noch weniger Geld und können sich so perverse Preise evtl. sowieso nicht leisten. Wenn die 90er-Jahre-Teenager aber erstmal 50 sind, werden sie vielleicht auch zusammen mit ihren Kindern zum Radiohead-Konzert pilgern. DANN sind deren Konzerte auch so groß wie heute die von U2, und kosten vermutlich 120 Euro pro Karte. Nur so ein kleiner Gedankengang von mir...
Mal davon abgesehen: Wer will denn bitte solche Riesen-Events? Sollte ich meine besten Konzerte aufzählen, wären unter den ersten 5 Plätzen sicher keine Konzerte mit mehr als vierstelliger Besucherzahl.
Finde ich nicht. Klar, die waren/sind wahnsinnig erfolgreich. Aber einen Stempel haben sie (bisher) nicht irgendwo drauf gedrückt. Weder haben sie die Musiklandschaft in irgendeiner Weise geprägt, so dass es jetzt viele Nachahmerbands gäbe oder andere Bands musikalisch beeinflusst würden, noch haben sie sonst große Spuren hinterlassen. Ich sehe es eher so, dass Tokyo Hotel ein Produkt unserer Zeit sind, also nur durch den passenden Zeitgeist so extrem erfolgreich geworden sind. Eine 90er-Schnulzen-Boygroup hätte in den 00ern einfach niemals so großen Erfolg haben können, weil der Zeitgeist einfach wieder "rockiger" war. Wenn man mal übern Teich schaut, haben auch dort die meisten Teenie-Stars wieder ein paar Alibi-E-Gitarren in ihren Sound integriert. Wobei ich echt nicht Tokyo Hotel auf eine Stufe mit Miley Cyrus oder den Jonas Brothers stellen will, das hätten sie nämlich nicht verdient. Ehrlich gesagt wäre ich froh gewesen, wenns zu "meiner" Zeit so eine Band wie Tokyo Hotel gegeben hätte, dann hätte ich nicht mit 12 Jahren diesen üblen 90er-Dancepop hören müssen.Faiko hat geschrieben:ich wollte auch nicht sagen, dass ich tokio hotel mag. aber die haben den "zweitausender" jahren definitiv ihren stempel drauf gedrückt. sowohl in europa, als auch in den usa.
(Übrigens haben jetzt auch die Massenmedien erkannt, was ich schon vor Jahren gepredigt habe und dabei immer auf völlig entgeisterte Gesichter gestoßen bin: Tokyo Hotel sind doch gar nicht sooo schlimm: *klick*)