Hallo Thias,
ich fasse solche Systeme eher als Zweiwegesysteme mit eingebautem Subwoofer auf, wobei gegenüber "echten" Subwoofern der Vorteil besteht, daß man nicht mit hohen Filterordnungen trennen muß. Dies kommt dem Impulsverhalten im oberen Baßbereich zugute.
Allerdings könnte man ein konventionelles Dreiwegesystem mit einem Frequenzübergang um 500Hz gefahrlos mit hohen Filterordnungen trennen, für das Gehör ist nämlich die Gruppenlaufzeit relevant, das ist die Ableitung des Phasenganges nach der Zeit. Je höher der Frequenzübergang erfolgt, desto geringer werden trotz gleichbleibender Filterordnung die Gruppenlaufzeitverzerrungen. Anschaulich: Ein Filter 2. Ordnung mit einer Eckfrequenz von 100Hz verursacht Laufzeitverzerrungen in derselben Größenordnung, wie ein Filter 4. Ordnung mit einer Eckfrequenz von 200Hz usw.
Signifikante Vorteile hat die tiefe Trennung um 100Hz mit geringer Filterordnung gegenüber einer höheren Trennung mit höherer Filterordnung also nicht, außer, daß sie mit passiven Frequenzweichen besser realisierbar ist. Ein echter Mitteltöner muß ja mit einem elektrischen Hoch- und Tiefpaß zu beiden Seiten des Übertragungsbereichs begrenzt werden, die erforderlichen schmalbandigen Bandpässe mit hoher Filterordnung können ein von den Betriebsbedingungen abhänges Verhalten aufweisen, d.h. der Frequenzgang der Box könnte verstärkt vom Wiedergabepegel abhängen, z.B. weil der Widerstand der Schwingspule Bestandteil der Frequenzweichenabstimmung ist. Dieser Wert ist aber nicht konstant, mit zunehmender Belastung nimmt der Widerstand zu, weil der Widerstand von Metallen temperaturabhängig ist und die Temperatur der Schwingspule von der elektrischen Belastung abhängt. Die Zweiwege + Sub Bauweise kann nun auf einen regelrechten elektrische Hochpaß vor dem Tiefmitteltöner verzichten, weil der sich beim Einbau in ein geschlossenes Gehäus ganz von selbst akustisch mit 12dB/8ve filtert.
Bei Aktivkonstruktionen mit Kleinsignal-Frequenzweichen vor dem Leistungsverstärker entfällt die Problematik der Passivweichen natürlich.
Nachteile der Zweiwege + Sub Bauweise sind die große Bandbreite des Tiefmitteltöners (je größer die Bandbreite, desto stärker die nicht-harmonischen Verzerrungen) und die notwendige Strahlerfläche des Tiefmitteltöners, da dieser ja bis ca. 100Hz übertragen muß. Diese Größe führt dann zu Problemen am oberen Ende des Übertragungsbereichs, dazu zählen z.B. Reflexionen im Konus, Partialschwingungen, Richtwirkung etc, was sich v.a. in linearen Verzerrungen äußert. Auch die derzeit wohl besten Membranen (Peerless) zeigen oberhalb ka = 1 Unsauberkeiten, wie man hier an einem 6,5"-Modell (ka = 1 bei ca. 800Hz) sieht:
Man sieht, daß beim sinnvollen Übernahmebereich um 2kHz schon eine Richtwirkung vorhanden ist und der Ampltidenfrequenzgang unruhiger verläuft, verglichen mit dem Bereich unterhalb 800Hz.
Dazu kommt, daß ein guter Tiefmitteltöner die Randbereiche des Strahlers gut "abkoppeln" können muß, um die effektive Strahlerfläche zu hohen Frequenzen zu verkleinern. Die Folgen dieser Eigenschaft (weiche, flache Membrane) sind jedoch für tiefe Frequenzen (d.h. große Membranamplituden) bisweilen ungünstig.
Allgemein kann man sich merken, daß eine große Bandbreite immer konstruktive Kompromisse erfordert. Je begrenzter die Bandbreite ist, desto besser läßt sich ein Strahler auf seinen Arbeitsbereich optimieren. Dies gilt beispielsweise auch für den Antrieb: Um tiefe Frequenzen unverzerrt zu übertragen, ist eine hoch gewickelte Schwingspule erforderlich, damit der Lautsprecher große Amplituden zuläßt. Im Mitteltonbereich sind die erforderlichen Hübe bei gleichem Pegel sehr viel kleiner, so daß die Enden der langen Schwingspule nicht im Luftspalt sind, sich daher stark aufheizen und thermische Dynamikkompression verursachen. Alles am Lautsprecherbau ist ein Kompromiß und die Physik schenkt einem nichts. Ein guter Tieftöner ist zwangsläufig ein schlechter Mitteltöner und umgekehrt.
Gruß
Andreas