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Verfasst: Di 14. Dez 2004, 18:40
von Thias
AH hat geschrieben:... Ziel sollte es sein, ab ca. 250...300Hz einen linearen Diffusfeld-Frequenzgang zu erreichen, d.h. den Schall nur noch nach vorne abzustrahlen. Dafür sind Schallwandbreiten von ca. 40...50cm erforderlich.
Hi, Andreas,
freut mich, du hast den Thread gefunden... muss nur noch Herr Nubert dazustoßen :wink:

Sind die Klangunterschiede im Freifeld und Wohnraum wirklich hauptsächlich auf den Bafflestep zurückzuführen? Sicher spielen Sprünge im Abstrahlverhalten bei 3- und Mehrwegesystemen auch eine große Rolle.

40-50 cm Schallwand sind schon ganz schön heftig und nicht so richtig WAF-fähig :wink:
Das wird ja auch nur bei den größten Monitoren von MEG und K+H realisiert. Heißt das, dass alle kleinen Monitore (Genelec, die vieldiskutierte Behringer 2031) wirklich nur für Nahfeld geeignet wären, um den Direktschall überwiegen zu lassen? Der Bafflestep dürfte dort ja auch ziemlich hoch liegen und den Diffusschall verfärben...

Gruß Thias

Verfasst: Di 14. Dez 2004, 19:01
von AH
Hallo Thias,

Sprünge im Abstrahlverhalten spielen ebenfalls eine Rolle, der Bafflestep ist aber sehr wichtig, weil es ein quantitativ bedeutender Fehler ist, der zudem oft in einem für das Hörempfinden sehr wichtigen Frequenzbereich liegt. Alle Kleinlautsprecher, egal ob für hifi- oder Studio-Applikationen sind davon betroffen. Die von Dir daraus gezogenen Schlußfolgerungen treffen zu.
Sprünge im Abstrahlverhalten sind übrigens eher das Privileg von Zweiwegeboxen, bei Drei- und Mehrwegeboxen lassen sich diese Probleme umgehen. Es ist kein Problem, eine konsequent und frequenzneutral breit strahlende Dreiwegebox zu bauen, mit einer Zweiwegebox ist dies dagegen kaum möglich.

Gruß

Andreas

Verfasst: Mi 15. Dez 2004, 14:56
von Thias
AH hat geschrieben:Sprünge im Abstrahlverhalten sind übrigens eher das Privileg von Zweiwegeboxen, bei Drei- und Mehrwegeboxen lassen sich diese Probleme umgehen. Es ist kein Problem, eine konsequent und frequenzneutral breit strahlende Dreiwegebox zu bauen, mit einer Zweiwegebox ist dies dagegen kaum möglich.
Nach meiner Meinung sind die Standboxen ab NW 10 (besonders bei NW 125) durchaus 3-Wegeboxen. Der TMT hat einen mechanischen und elektrischen HP. Unterhalb 500 Hz fällt der FG leicht, ab 150 Hz stärker und ab 60 Hz steilflankig nach unten ab. Der TT ist als Tiefpass entsprechend nach oben abfallend.
Das ist sicherlich eine seehr weiche Trennung, was dem Impulsverhalten und dem groupdelay zugute kommt. Interferenzen durch 2 paralell abstrahlende LS sind in dem Frequenzbereich auch nicht zu erwarten. Ich finde, das Ganze ist dadurch ein sehr interessantes Konzept, da gerade im Formanten und Grundtonbereich keine Schweinereien zu erwarten sind.
Wie wird es aber weiter oben aussehen? Ab wann beginnt der TMT zu bündeln? Gibt es dann bei der Übergangsfrequenz von 2 kHz zur Kalotte eine Sprungstelle?
Wenn das gut gelöst ist, sehe ich als einzigstes Manko den hohen Bafflestep an, den ich nur mit guter Raumdämpfung in Griff bekommen kann (was im Grundtonbereich aber gar nicht so einfach ist).

Gruß Thias

Verfasst: Mi 15. Dez 2004, 20:48
von AH
Hallo Thias,

ich fasse solche Systeme eher als Zweiwegesysteme mit eingebautem Subwoofer auf, wobei gegenüber "echten" Subwoofern der Vorteil besteht, daß man nicht mit hohen Filterordnungen trennen muß. Dies kommt dem Impulsverhalten im oberen Baßbereich zugute.
Allerdings könnte man ein konventionelles Dreiwegesystem mit einem Frequenzübergang um 500Hz gefahrlos mit hohen Filterordnungen trennen, für das Gehör ist nämlich die Gruppenlaufzeit relevant, das ist die Ableitung des Phasenganges nach der Zeit. Je höher der Frequenzübergang erfolgt, desto geringer werden trotz gleichbleibender Filterordnung die Gruppenlaufzeitverzerrungen. Anschaulich: Ein Filter 2. Ordnung mit einer Eckfrequenz von 100Hz verursacht Laufzeitverzerrungen in derselben Größenordnung, wie ein Filter 4. Ordnung mit einer Eckfrequenz von 200Hz usw.

Signifikante Vorteile hat die tiefe Trennung um 100Hz mit geringer Filterordnung gegenüber einer höheren Trennung mit höherer Filterordnung also nicht, außer, daß sie mit passiven Frequenzweichen besser realisierbar ist. Ein echter Mitteltöner muß ja mit einem elektrischen Hoch- und Tiefpaß zu beiden Seiten des Übertragungsbereichs begrenzt werden, die erforderlichen schmalbandigen Bandpässe mit hoher Filterordnung können ein von den Betriebsbedingungen abhänges Verhalten aufweisen, d.h. der Frequenzgang der Box könnte verstärkt vom Wiedergabepegel abhängen, z.B. weil der Widerstand der Schwingspule Bestandteil der Frequenzweichenabstimmung ist. Dieser Wert ist aber nicht konstant, mit zunehmender Belastung nimmt der Widerstand zu, weil der Widerstand von Metallen temperaturabhängig ist und die Temperatur der Schwingspule von der elektrischen Belastung abhängt. Die Zweiwege + Sub Bauweise kann nun auf einen regelrechten elektrische Hochpaß vor dem Tiefmitteltöner verzichten, weil der sich beim Einbau in ein geschlossenes Gehäus ganz von selbst akustisch mit 12dB/8ve filtert.

Bei Aktivkonstruktionen mit Kleinsignal-Frequenzweichen vor dem Leistungsverstärker entfällt die Problematik der Passivweichen natürlich.

Nachteile der Zweiwege + Sub Bauweise sind die große Bandbreite des Tiefmitteltöners (je größer die Bandbreite, desto stärker die nicht-harmonischen Verzerrungen) und die notwendige Strahlerfläche des Tiefmitteltöners, da dieser ja bis ca. 100Hz übertragen muß. Diese Größe führt dann zu Problemen am oberen Ende des Übertragungsbereichs, dazu zählen z.B. Reflexionen im Konus, Partialschwingungen, Richtwirkung etc, was sich v.a. in linearen Verzerrungen äußert. Auch die derzeit wohl besten Membranen (Peerless) zeigen oberhalb ka = 1 Unsauberkeiten, wie man hier an einem 6,5"-Modell (ka = 1 bei ca. 800Hz) sieht:

Bild

Man sieht, daß beim sinnvollen Übernahmebereich um 2kHz schon eine Richtwirkung vorhanden ist und der Ampltidenfrequenzgang unruhiger verläuft, verglichen mit dem Bereich unterhalb 800Hz.
Dazu kommt, daß ein guter Tiefmitteltöner die Randbereiche des Strahlers gut "abkoppeln" können muß, um die effektive Strahlerfläche zu hohen Frequenzen zu verkleinern. Die Folgen dieser Eigenschaft (weiche, flache Membrane) sind jedoch für tiefe Frequenzen (d.h. große Membranamplituden) bisweilen ungünstig.
Allgemein kann man sich merken, daß eine große Bandbreite immer konstruktive Kompromisse erfordert. Je begrenzter die Bandbreite ist, desto besser läßt sich ein Strahler auf seinen Arbeitsbereich optimieren. Dies gilt beispielsweise auch für den Antrieb: Um tiefe Frequenzen unverzerrt zu übertragen, ist eine hoch gewickelte Schwingspule erforderlich, damit der Lautsprecher große Amplituden zuläßt. Im Mitteltonbereich sind die erforderlichen Hübe bei gleichem Pegel sehr viel kleiner, so daß die Enden der langen Schwingspule nicht im Luftspalt sind, sich daher stark aufheizen und thermische Dynamikkompression verursachen. Alles am Lautsprecherbau ist ein Kompromiß und die Physik schenkt einem nichts. Ein guter Tieftöner ist zwangsläufig ein schlechter Mitteltöner und umgekehrt.

Gruß

Andreas