Top-Alben Oktober 2009:
1. Converge - Axe to Fall
Converge sind ein echtes Phänomen. Abgesehen von Meshuggah fällt mir keine Band ein, die es schafft höchste Komplexität und abgefahrene Instrumentalarbeit in derartig brutale und brachiale Songs zu packen, ohne sich dabei auch nur ansatzweise zu verheddern und zusammenhangloses Stückwerk zu produzieren. Schon der Opener "Dark Horse" prescht mit solcher Gewalt nach vorne los, dass der Hörer sofort mitgerissen wird und bestenfalls noch mit halbem Ohr am Rande mitbekommt, von welchen musikalischen Raffinessen er da eigentlich gerade verprügelt wird.
Der entscheidende Punkt ist, dass bei Converge Progressivität und perfekte Technik zwar seit jeher zum guten Ton gehören, aber niemals im Mittelpunkt stehen. Die Band macht keine Musik für verkopfte Analytiker, und aufgesetzte Härte um der reinen Härte willen findet sich hier nicht. Statt dessen ist "Axe to Fall" mit jedem einzelnem Stück ein brutaler Anschlag auf die Emotionen des Hörers. Egal, ob sich das musikalische Chaos im Titeltrack in ungehemmte Raserei steigert, oder ob sich die Musik in "Worms will feed / rats will feast" eher zäh und schleppend aus den Lautsprechern wälzt: Converge gehen durch Mark und Bein. Und wenn am Ende der düsteren Beinahe-Countryballade "Cruel Bloom" dann doch noch die Gitarren losdonnern und sich die aufgestaute Spannung löst, wird einem erst klar
wie mächtig diese Band eigentlich ist.
Zwar ist "Axe to Fall" nicht ganz so abgrundtief böse und psychopatisch wie der Genre-Meilenstein "Jane Doe" und wirkt stellenweise im Vergleich sogar recht eingängig, aber letztlich liegt das eher an gesteigerter songwriterischer Klasse als an Härte- und Aggressionsverlust. Auf dem Album sind die Beiträge von vielen Gastmusikern und -sängern zu finden, es klingt aber trotzdem sehr homogen und rund, die Gäste fügen sich hervorragend in die Stücke ein - allen voran Steve von Till, der in "Cruel Bloom" den kompletten Gesang übernimmt und einen interessanten Kontrast zum Gebrüll von Jacob Bannon liefert.
Unterm Strich stimmt hier einfach absolut alles: von der Qualität der einzelnen Songs über den Spannungsbogen des Albums bis hin zum perfekten Sound und dem gelungenen Artwork. Converge setzen wie schon vor zehn Jahren erneut den Standard, an dem sich sämtliche Extrem-Metaller, -coreler und Möchtegern-Brutalos in der kommenden Dekade messen lassen müssen.
10/10
2. Seamount - Light and Truth
Seamount aus Würzburg (yeah!) spielen eine herrlich altmodische Mischung aus klassischem Hard Rock, Psychedelic Rock und Doom. Mich würde es nicht wundern, wenn die Band eines Tages zugeben würde, die Musik heimlich aus den Archiven einer längst vergessenen 70er-Jahre-Band geklaut zu haben - so "echt" klingt der Sound.
Seamount pflegen eher eine gemäßigte und relaxte Variante des Doom-Sounds. Der Hörer wird nicht durch schwere Zeitlupen-Soundwände erdrückt, statt dessen bewegen sich die Stücke meist im angenehmen Midtempo-Bereich. Auch die Atmosphäre ist nicht so bedrückend wie bei den finsteren Vorbildern von Black Sabbath und Co. Selbstverständlich gibt es alles zu hören, was das Herz des Fans von klassischem Doom begehrt: einen perfekt warmen Gitarrensound, groovende Riffs, Gitarrensolos, atmosphärische Akustik-Parts und mit Phil Swanson einen Sänger mit ebenso einzigartiger wie passender Stimme.
Während auf dem Debutalbum (zumindest in der mir bekannten 9-Track-Version) noch fast ausschließlich straighter, rifforientierter Hard Rock vorherrschte, ist auf "Light and Truth" der Anteil der eher experimentellen, vielschichtigen Tracks deutlich gestiegen. Letztlich ist es genau dieser Umstand, der für mich den entscheidenden Schritt nach vorne bedeutet. War das Debut für mich
nur eine gute Genre-Platte, ist "Light and Truth" ein echtes Highlight mit enormer Langzeit-Wirkung geworden.
8/10
3. Shrinebuilder - Shrinebuilder
Alleine die Mitgliederliste von Shrinebuilder lässt Doom-und Stoner-Fans in Ehrfurcht erstarren. Scott "Wino" Weinrich (St. Vitus, Spirit Caravan, ...), Scott Kelly (Neurosis), Al Cisneros (Sleep, Om) und Dale Crover (Melvins) zusammen in einer Band - wenn es je eine Supergroup in diesem Genre gegeben hat, die den Namen auch verdiente, dann diese.
Das selbstbetitelte Debutalbum enthält 5 überlange Tracks und schafft es, in der Musik charakteristische Aspekte aus jeder der 4 Hauptbands der Musiker zu vereinen. Es fällt recht leicht, einzelne Elemente den jeweiligen Akteuren zuzuordnen: Wino steuert klassische Iommi-Riffs und Hippie-Flair bei, von Scott Kelly stammt die brutale Heaviness, Al Cisneros sorgt für dope-geschwängerte Bassteppiche und Dale Crover spielt dazu ein lässig-vertracktes Schlagzeug. Die Songs klingen nach Jamsessions, sind nicht unbedingt bis ins letzte Detail ausgearbeitet und durchkomponiert. Dafür spürt man förmlich wie die Band im Proberaum arbeitet und schwitzt; die Musik wirkt spontan, ehrlich und authentisch. Oft genug driftet die Band minutenlang vom Hauptthema ab und jammt sich ins psychedelische Delirium.
Ein tolles Debut, und hoffentlich der Auftakt zu vielen weiteren Alben von dieser Band!
8/10
4. Transatlantik - The Whirlwind
Und gleich noch eine Supergroup: Transatlantik bestehen aus Neal Morse (ex-Spock's Beard), Roine Stolt (Flower Kings), Mike Portnoy (Dream Theater) und Pete Trewavas (Marillion). Musikalisch hält Neal Morse bei Transatlantik das Heft fest in der Hand, entsprechend klingt auch die Musik vor allem nach Neal Morse, mit einem kleinen Schuß Flower Kings und ein bisschen Jamsession. Das bedeutet im Klartext: Retroprog mit hübschen Melodien, unzähligen Stil- und Rythmuswechseln, Soloeskapaden, Gefrickel und natürlich dem obligatorischen Longtrack. In diesem Falle
ist der Longtrack das Album, mit satten 78 Minuten hart an der Grenze der CD-Laufzeit, ein
fucking epic to end all fucking epics, um mal die Babyblauen Seiten zu zitieren.
Warum dann nur 7 Punkte bzw ein "gut", und nicht mehr? Das Problem von "The Whirlwind" heißt "SMPTe". Und "Bridge Across Forever". Und "The Light". Und "V". Und "Unfold the Future". Und... Die Musik ist zwar toll, inspiriert und macht Spaß, aber letztlich war eben alles schon einmal da, und zwar meistens einfach auch ein kleines Stückchen besser. Sowohl die beiden ersten Transatlantik-Alben als auch die Highlights der Spock's Beard- und FloKi-Diskografie bieten einfach noch mehr überbordende Spielfreude, mehr Details, mehr Verrücktheit, noch mehr Spaß. Dem Anfänger in Sachen Retroprog seien deshalb zunächst die genannten Alben ans Herz gelegt. Wer die schon besitzt und immer noch nicht genug hat, der muss sich aber natürlich auch "The Whirlwind" ins Regal stellen.
7/10
5. Slayer - World Painted Blood
Wo Slayer draufsteht, sind auch zuverlässig immer Slayer drin. Die Band ist seit bald 30 Jahren das Äquivalent zu AC/DC im harten Musiksektor. Nachdem in den späten 90ern und frühen 00ern zaghaft mit moderneren Sounds experimentiert wurde (und die Fans albernerweise gleich scharenweise "Ausverkauf!" riefen), spielt die vermeintlich härteste Band der Welt seit der letzten Scheibe "Christ Illusion" wieder lupenreinen 80er Thrash ohne Schnörkel und Firlefanz.
Die Gitarren kreischen und sägen wie eh und je, Tom Araya klingt nach wie vor wütender und böser als sämtliche Death Metal-Grunzer zusammen und Dave Lombardo ist selbstverständlich immer noch ein absolutes Tier hinter seinem Drumset. Im diesjährigen Showdown der 80er-Thrash-Ikonen haben bei mir Kreator (siehe Review im Januar) leicht die Nase vorn, aber wesentlich schlechter ist "World Painted Blood" auch nicht. Beide Bands haben starke Platten abgeliefert, ohne Frage!
7/10
Honorable Mentions:
Fu Manchu - Signs of Infinite Power (Stoner Rock - 7/10)