CarlTheodor hat geschrieben:Was das Verhalten der Anwälte angeht: Da ist nichts unsäglich - die machen einfach den Job, der in einem ausbalancierten Rechtswesen dazugehört - Verteidigen, auch unter Nutzung der Möglichkeiten der Prozessordnung. Jeder von Euch, der vor mal Gericht steht, wäre dankbar, wenn er so verteidigt würde...
Gruß CT
Nö CT,
das sehe ich wirklich anders. Du hast absolut Recht, wenn du sagst, dass wir (wahrscheinlich) das beste Rechtssystem weltweit haben. Das ist auch der Grund, warum ich "meine" Verfahren insgesamt betrachtend sportlich sehe, also auch mit einer Niederlage gut leben kann.
Womit ich aber schon seit geraumer Zeit sehr schlecht lebe, ist der mittlerweile "normale" Verlauf eines Verfahrens, bei dem es um nennenswerte Haftstrafen geht. Nach Verlesung der Anklageschrift und einer ersten Befragung des Angeklagten, geht es im Folgenden nur noch in homöopathischen Dosen um das Vergehen an sich. Was hier an Beweisanträgen u.ä. vorgelegt wird, fast durchgängig mit dem Ziel die StA und den Richter zu einem Deal zu verführen, ist für die Opferseite und auch die aussagenden Ermittler nicht nachvollziehbar. Und bitte nicht mit der BGH Entscheidung zu "Deals" argumentieren, denn diese finden hier weiterhin statt.
Du argumentierst dabei aus einer Position, die Teil einer leicht verzerrten Realität ist. Nur weil es die StPO hergibt, ist es noch lange nicht als "richtig" zu beurteilen. Vor allem dann nicht, wenn man in der Kantine des Ag an einem Nachbartisch sitzt, wo sich Pflichtverteidiger damit feiern lassen, dass es durch ihre Eingaben zu einer Unzahl neuer Termine kommt, die ein entsprechendes Grundeinkommen garantieren.
Ich komme jedenfalls zu dem Schluss, dass unsere derzeitige StPO von unseren Vätern so modifiziert wurde, um Angeklagte vor Urteilen eines Herrn Freißler zu schützen und nicht Druck auf unter Zeitnot stehende Richter auszuüben.
Da ich unser System aber ähnlich beurteile wie du, bleibt mir nur ein zähneknirschendes Betrachten, muss aber nicht damit zufrieden sein. Und ob ein jeder Verteidiger morgens in den Spiegel schauen kann, scheint ebenfalls eine höchst individuelle Betrachtung zu sein
