Der Mindestlohn löst mit Sicherheit nicht die Probleme - er ist reine Symtombekämpfung. Ob ein bisschen Symptombekämpfung besser als nichts ist, darüber kann man streiten - ich persönlich habe dazu keine endgültige Meinung.
Was mich aber wirklich schockiert, ist die Desinformiertheit in Kombination mit eindimensionaler Sichtweise, die hier zu Tage tritt. Jeder findet problemlos einen Job und noch dazu einen entsprechend den persönlichen Wunschverdienstvorstellungen? Ausbeutung kann es nicht geben, weil dann geht man halt wo anders hin?
Sorry, ich weiß, es ist bösartig, aber ich wünsche dem, der das wirklich glaubt, dass er mal nach 30 Bewerbungen immer noch keine Einladung zu einem Gespräch bekommen hat. (Gut ausgebildete Bekannte von mir.)
... dass er dann nach >30 Bewerbungen per Leiharbeit in einem Saftladen landet und dort in der Hackordnung der allerletzte Dreck ist. (Die selbe Bekannte.)
.. dass er als alleinerziehender Vater nach vielen Jahren Arbeitslosigkeit schließlich einen Job findet, wo er angebrüllt wird, wenn er drei Minuten zu spät kommt (kann einem mit zwei Kindern durchaus mal passieren!), wo er um jeden Tag des ihm zustehenden Urlaubes kämpfen muss und wo die deutschen Feiertage schlicht ignoriert werden, weil der Chef Franzose ist.
.. dass er die Mutter pflegt und gleichzeitig im Job gemobbt wird.
Das sind nur ein paar wenige Beispiele aus meinem direkten Bekanntenkreis. Die Lebensumstände der allermeisten Menschen ermöglichen es eben nicht, ständig und flexibel nach was anderem zu suchen. Wenn man Verantwortungsgefühl hat und Angehörige zu versorgen, dann nimmt man
jeden Job an - und behält ihn trotz Mobbing und illegalen Ausbeutungsmethoden. Wenn man ausreichend viele Absagen erhalten hat, ist irgendwann die Demütigung im Job das kleinere Übel. Aber all das macht die Menschen kaputt - es ist ein Trauerspiel, dass dies in unserem Land Gang und Gäbe ist. Es ist unerträglich! Fast bin ich geneigt, das Verschließen der Augen zu verstehen - aber das macht die Situation nicht besser!
Und nein, weder der Markt noch der "klassische Liberalismus" noch der "reine Kapitalismus" sind ein Patentrezept gegen diese Zustände, im Gegenteil...
Klar, viele sagen jetzt, ist halt so, das sind die Gesetze des Marktes. Das stimmt. Absolut richtig! Aber der Mensch unterscheidet sich vom Tier dadurch, dass er seine Umgebung verändern kann. Das Räuber-Beute-Schema hat man vor langer Zeit nach eigenen Vorstellungen umgestaltet. Momentan entspricht es dem Zeitgeist, sich einem vergleichbaren "Naturgesetz" zu unterwerfen. Nunja, ich kann's nicht ändern - es wird sich von selber geben, sobald eine kritische Masse sich auf der Beute-Seite wiederfindet.