Meine Güte, du schimpfst mittlerweile auch schon wie ein Ü30-jähriger, der langsam merkt dass er die nachfolgende Generation nicht mehr versteht. Dabei sollte doch eher ICH solche Reden schwingen und nicht du, denn ich kann mich mittlerweile zumindst mit Fug und Recht "Ende Zwanzig" nennen...
raw hat geschrieben:Als die CD rauskam, hat man gejammert, dass die Romantik vom Plattenauflegen verloren geht. Aber mit den neuen Medien und Möglichkeiten geht nicht nur die Romantik vom CD-Einlegen, sondern auch die vom Sitzen vor der Stereoanlage und allgemein die Romantik von der Stereoanlage verloren.
Das ist zwar richtig, aber ist das so schlimm? Stereoanlagen an sich halte ich nicht für ein Kulturgut, sondern für technische Apparate, deren einziger Zweck in der Wiedergabe des
eigentlichen Kulturguts besteht. Das gleiche gilt auch für das Medium, egal ob Schallplatte, CD oder Datei.
Ich kanns echt nicht oft genug sagen: Ich kann KEINEN Rückgang der Begeisterung für Musik feststellen. Die Lust auf Beschäftigung mit der Musik, Konzerte, etc ist ungebrochen, wenn überhaupt dann hat all das in den letzten 10 Jahren dank der massiven Vereinfachungen durch das Internet sogar eher
zu- als abgenommen.
Was jetzt langsam aber sicher wegbricht, ist nicht die Begeisterung für Musik (das wäre tragisch), sondern nur eine kuriose Glorifizierung der technischen Begleitumstände, die wohl vor allem daher kommt, dass für ein paar Generationen von Teenagern die eigene Stereoanlage eine wichtige Station auf dem Weg zum Erwachsenwerden darstellte, für die man monate- oder sogar jahrelang sparen musste. Eine Riesenhürde, und als Belohnung durfte man sich im eigenen Zimmer seine eigene Musik anhören und musste nicht mehr im Wohnzimmer der Eltern das Musikantenstadl ertragen. Erst dann war man ein richtiger Mensch. Heute, wo man halbwegs brauchbare Musikreproduktion für ein paar Euro beim Aldi kaufen kann und die Musik kostenlos im Netz zieht, hat die Stereoanlage samt Plattensammlung als Statussymbol bei der breiten Masse ausgedient, und wird zunehmend zum "Werkzeug" für Spezialisten und Qualitätsliebhaber.
Aber mal ehrlich: die Leute, die jetzt der Stereoanlage den Rücken kehren, waren sowieso nie an gutem Klang und Qualität interessiert, sondern nur an Status und Coolness. Und der Anteil der Qualitätsverrückten unter den Musikverrückten ist heute bestimmt genauso groß wie vor 30 Jahren. Nur dass
damals die Zahl gar nicht messbar war, weil eben noch die ganzen Mitläufer dabei waren.
Außerdem ist "Sitzen vor der Stereoanlage" für mich keine Romantik.
[Polemik]
Als ich noch ein unbedarfter Teenager ohne Ahnung von gutem Klang war, durfte derjenige mit den lautesten Boxen die Partys ausrichten. Party bedeutete die Anwesenheit von Mädchen, und Mädchen bedeuteten Romantik. So einfach war das damals.
Heutzutage sitze ich
alleine im Sweet Spot und lausche dem Wohlklang, den mir meine Stereoanlage beschert, die ungefähr das Dreifache gekostet hat wie die damalige. Vorzugsweise dann, wenn die Freundin außer Haus ist, weil ich dann weiter aufdrehen kann. Trotz massiv gestiegener Kosten und besserem Klang ist der Rückgang an Romantik im Vergleich zu früher ziemlich eklatant.
[/Polemik]
Stattdessen hämmert man sich per Ohrhörer und MP3-Player bei jeder Gelegenheit belanglose Musik in die Ohren und hört nichtmal richtig zu. Diese Isolierung von der Umwelt ist nicht nur gefährlich fürs Gehör, sondern auch gefährlich im Verkehr und für die Gesellschaftsentwicklung, wenn lauter Zombies durch die Stadt wandern.
Da muss ich allerdings zustimmen. Gerade im Winter bin ich öfters in Bussen und Straßenbahnen unterwegs (bin halt doch ein Schönwetterradler), und dort haben geschätze 50 Prozent der Fahrgäste einen Knopf im Ohr. Wers mag - von mir aus. Aber ich selbst finde das total unangenehm, ich habe das Gefühl von meiner Umgebung abgeschnitten zu sein und nicht mitzukriegen, was um mich herum passiert. Als vor einigen Jahren die ersten Flash-Player herauskamen, bin ich ein paar Mal mit so einem Ding Joggen gegangen - habe aus den genannten Gründen schnell wieder damit aufgehört.