Paffi hat geschrieben: Mi 9. Feb 2022, 13:37
Wenn mir Rückfragen erlaubt sind
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:
Aber sicher doch! Das ist ja der Sinn det Janzen
Paffi hat geschrieben: Mi 9. Feb 2022, 13:37
Frage 1:
In der Grafik (ab etwa Minute 6:40) wird gezeigt, dass das Impulsverhalten bei geschlossenem Port besser ist, begründet durch den schnelleren Abfall im unteren Frequenzbereich. In Laienworten: kommt weniger tief, schwing daher auch schneller zurück, gleich gutes oder schlechtes Verhalten, wenn die geschlossene Box tiefer entzerrt wird (das ist ein wirklich toller Versuch gewesen!). Verstanden, ist mir neu und bringt mir wirklich etwas in meinem Verständnis! Meine Frage an dieser Stelle: In der rechten Grafik, nachdem der rote Graph den grünen Graph von unten geschnitten hat, verdreht sich das Verhältnis - ist das dann ein "Oberschwinger" (analog "Unterschwinger")?. Gehe ich recht in der Annahme, dass das ebenso (theoretisch) zu "Unsauberkeiten" im Klang führt (Ich nenne es mal platt "nachwabbeln" der Membran)?
Gut, das Sie diese Frage gestellt haben, denn sie ist extrem wichtig für das Gesamtverständnis dieses speziellen Themas. Einfach zu beantworten ist sie dennoch nicht. Ich versuche trotzdem, mich kurz zu fassen:
Grundsätzlich gilt:
1) Ein beliebig schwingendes nachrichtentechnisches System ist durch sein zeitliches Verhalten (etwa Impulsantwort oder Sprungantwort) bereits vollständig beschrieben.
2) Das Zeitverhalten und das Verhalten im Frequenzspektrum sind lediglich zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen des Verhaltens eines beliebigen nachrichtentechnischen Systems. Sie sind direkt miteinander verknüpft über einen rechnerischen Vorgang (Hilbert-Transformation). Dies bedeutet mit anderen Worten:
Der Unterschied der beiden gezeigten Sprungantworten (Geschlossen - Bassreflex) hat rein gar nichts
direkt mit dem Thema Bassreflex zu tun! Er zeigt lediglich, wie sich
generell zwei unterschiedlich steil abfallende Frequenzgang-Kurven im Vergleich verhalten, wenn man zeitliche Vorgänge betrachtet -
völlig unabhängig davon, ob es sich um einen Lautsprecher (Bassreflex, Horn, Transmissionline, geschlossen oder sonstwie), oder ein rein elektronisches Filter handelt. Es ist also
völlig uninteressant, um welches Übertragungsmedium es sich handelt:
Man könnte hier also genauso gut die Sprungantwort zweier rein elektronischer Hochpassfilter (also ganz ohne Lautsprecher) im Vergleich darstellen. Ein Hochpassfilter zweiter Ordnung (was dem Verhalten eines geschlossenen Tieftongehäuses in etwa entspricht) zeigt grundsätzlich weniger unterschwingendes Verhalten als ein Hochpass vierter Ordnung (etwa Bassreflex). Auch ein Hochpass zweiter Ordnung mit einer Gesamtgüte (Qts) von größer 0,5 zeigt immer ein unterschwingendes Verhalten (in der Nachrichtentechnik nennt man das "Schwingfall").
Fazit: Mit meinem Beitrag und den darin gezeigten Messungen sollte lediglich gezeigt werden, dass man mit einem bassreflex-unterstützten System einen ebenso den Gesetzen der Nachrichtentechnik entsprechenden Abklingvorgang erhält wie mit einem geschlossenen System, wenn man die Größe "Amplitudenfrequenzgang" außer Acht lässt. Andererseits kann man sie aber eigentlich nicht außer Acht lassen, da sich der zeitliche Abklingvorgang ja aus dem Amplitudengang
direkt umrechnen lässt (wie bereits erwähnt über die sogenannte Hilbert-Transformation, siehe. z. B Vorlesungsskript "Theoretische Nachrichtentechik" Prof. Dr. Bachmann, Institut f. Schwingungstechnik der FH Düsseldorf).
Paffi hat geschrieben: Mi 9. Feb 2022, 13:37
Frage 2:
Ich verstehe noch nicht ganz, inwieweit die Graphen mit der Impulsantwort auf der rechten Seite mit dem Frequenzgang auf der linken Seite korrelieren. Bzw. anders gefragt: Betrifft das "nachwabbeln" (Frage 1, nach dem Schnittpunkt Rot mit Grün) dann den Oberbassbereich? Lässt sich daraus dann das Fazit ziehen: Wenn Subwoofer zum Einsatz kommen, die z.B. bei 80 Hz angebunden (bzw. die Frontlautsprecher getrennt) sind, ist ein Verschluss der Bassreflexports der Frontlautsprecher sinnvoll, um das Impulsverhalten im Oberbass (z.B. 80-120 HZ) zu verbessern ("schnellerer" Kickbass)?
Nein! Mit meinem (eigentlich für dieses komplexe Thema viel zu kurzen) Videobeitrag wollte ich ja gerade nachweisen, dass der Unterschwinger eben gerade
nicht mit einem "Nachwabbeln" der Membrane korreliert, sondern ganz einfach nur den strengen Gesetzen folgt, welchen einem nachrichtentechnisches System unweigerlich folgen
muss. Er hat auch
nichts mit dem Verhalten im Oberbass zu tun. Das lässt sich auch erkennen, wenn man die Zeitkonstante des Unterschwingers betrachtet. Sie ist viel zu lang für Frequenzen im Oberbass.
Dann zum Thema "schnellerer Kickbass":
Den "schnellen Bass" gibt es nicht! Bässe sind immer zeitlich
langsame Vorgänge, und hohe Frequenzen sind immer zeitlich
schnelle(re) Vorgänge. Wenn man den Eindruck hat, dass etwas "nachwabbelt", dann ist ganz einfach der Oberbass bei irgend einer bestimmten Frequenz zu laut. Mit Bassreflex hat das aber ebenso wenig zu tun wie Ecken mit einem Kreis.
Paffi hat geschrieben: Mi 9. Feb 2022, 13:37
Frage 3:
Besteht der Nachteil des höheren Klirrfaktors nur bei Bassreflexbauweisen, die geschlossen werden oder auch bei vornherein geschlossen konzipierten Lautsprechern? Bzw. ist das ein grundsätzlicher Nachteil geschlossener Bauweise oder lediglich ein Nachteil bei nachträglichem Verschließen von Bassreflexports?
Der Nachteil des höheren Klirrfaktors besteht ebenso bei einem Tieftöner, welcher von seinen TSP (Thiele-Small-Parametern) her für geschlossene Gehäuse konzipiert wurde. Denn eine Optimierung der Parameter eines Tieftöners beeinflusst ja lediglich das Frequenzverhalten, welches man ja auch genauso gut elektronisch verändern kann (wie ich ja mit dem letzten Experiment im Videobeitrag gezeigt habe). Der Klirrfaktor im unteren Übertragungsbereich hängt rein von der Konstruktionsweise des Antriebes (Schwingsystem + Magnet) und vom mechanischen Hub ab. Ein ventiliertes System (Bassreflex, Transmissionline, Horn) hat bezüglich Klirrfaktor immer und unweigerlich Vorteile, weil
beide Membranseiten des Tieftöners für die Schallabstrahlung genutzt werden. Der gesamte elektroakustische Wirkungsgrad damit ist schlicht größer. Es wird mehr elektrische Energie in akustische Energie umgesetzt. Der Tieftöner muss bei gleichem abgegebenen Schalldruck weniger mechanisch auslenken. Daher der geringere Klirrfaktor.