Modell T hat geschrieben: Di 13. Dez 2022, 17:50
Wenn mcBrandy versteht was in seinem Betrieb schief läuft, er aber einfach in seinem Job zu klein ist um etwas zu ändern, egal wie er seine Stimme erhebt. Dann liegt der Fehler definitiv nicht bei ihm, sondern bei der Arroganz seiner Vorgesetzten.
Ich will hier niemandem auf die Füße treten, aber vielleicht als Denkanstoß zur Frage, wie gut man Situationen einschätzen kann (denn das entscheidende Wort steht am Beginn des Zitats: "Wenn" - denn ob er das richtig einschätzt, wissen wir alle nicht.)
Ich habe mal die Einführung einer neuen Software für die Produktionsplanung und -steuerung begleitet.
Dabei war es ein riesen Thema, dass das alte System, bei dem Fertigungsaufträge quasi "freihändig" eingeplant wurden und dann auf einer großen Tafel Kärtchen gesteckt wurden, durch eine integrierte Bedarfs- und Produktionsplanung abgelöst werden sollte.
In der Fertigung war der Widerstand groß - man könne das aufgrund der jahrelangen Erfahrung viel besser als eine doofe Software. Die Diskussionen waren heftig, emotional aufgeladen, weil - so der Tenor - die Software das eben niemals so gut könne wie ein erfahrener Mitarbeiter (oder zugespitzt: da haben die Pfeifen aus dem Management mal wieder eine Entscheidung getroffen, die an der Realität der Mitarbeiter total vorbei geht ... )
Der Maschinenpark war veraltet und bei Umrüstung und Wiederanlauf entstand immer eine gewisse Menge an Ausschussware, bis die Maschinen wieder sauber eingestellt waren.
Es war also ein Auftrag eingelastet und der Meister in der Frühschicht hatte lt. Fertigungsplan nach Abarbeitung des laufenden Auftrags auf ein anderes Produkt umrüsten sollen.
Weil die Maschine aber so "gut lief" hat er eigenmächtig entschieden, weiter zu fertigen (auf Lager).
Er hat dabei leider übersehen, dass mit dieser Entscheidung die für den anderen Auftrag vorgesehene Menge Rohmaterial verbraten hat, so dass dieser dann nicht mehr gefertigt werden konnte.
Es war ein Auftrag für den größten Kunden (mit Lieferverpflichtung) und hatte eine Konventionalstrafe zur Folge.
Die "Erfahrung" kostete den Arbeitgeber dann richtig Kohle.
Und weil ich hier nicht als Anwalt des Managements auftreten will: in einem anderen Projekt wurde ich vom Leiter der Qualitätssicherung zurückgepfiffen, weil ich vorgeschlagen hatte, dass die Mitarbeiter in der Fertigung ein defektes Teil, das sie nicht verbauen konnten direkt auf Sperrbestand ausbuchen sollten - da habe ich so einen auf den Deckel bekommen, wie ich mir sowas anmaßen konnte, weil (wieder zugespitzt) die Mitarbeiter in der Fertigung natürlich zu doof seien, so eine Buchung durchzuführen. Das könnten nur die Kollegen mit den weißen Kitteln.
Letztlich führte diese Entscheidung zu enormen Schattenbeständen (weil das defekte Material ja nach wie vor als "verfügbar im System war und zu Vermeidung von Materialengpässen die Mindestbestände heraufgesetzt wurden ... ) und unnötigen Kosten.
Wie gesagt, ich kann überhaupt nicht abschätzen, wie die Situation bei mcBrandy tatsächlich ist, aber meine inzwischen über 25-jährige Berufserfahrung sagt mit, dass monokausale Erklärungsansätze so gut wie nie realistisch sind.
Insofern sollte man sich immer auch fragen, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß man selber Teil des Problems ist.