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Verfasst: Mo 5. Nov 2007, 18:39
von chipmunk
Graumantel hat geschrieben:PS: Noch ein Hörfunk-Tipp für Freitag- und Samstagabend: hr2 überträgt ab 19 Uhr live die Konzerte des 38. Deutschen Jazzfestivals in Frankfurt am Main. Für heute Abend haben ich und mein Bruder noch Karten bekommen. Bisher kenne ich nur das Duo Heinz Sauer/Michael Wollny. Mal gucken, was uns sonst noch so im Sendesaal des Hessischen Rundfunks erwartet. :P
Und ? Wie war es ? An dem Abend spielte doch auch Jon Hassell ? Den hatte ich letztes Jahr auf den Leipziger Jazztagen gehört, kann mich aber leider nicht mehr erinnern :? Hm. Habe das Programmheft gerade nochmal hervorgeholt: Nach Hassell spielte Harald Haerter (zusammen u.a. mit Nils Petter Molvaer und Joe Lovano) - ich war begeistert. Eines der besten Jazzkonzerte die ich je gehört hatte, ich fand das Zusammenspiel einfach unglaublich. Da wird mich Hassell vielleicht nicht so angesprochen haben.

Grüße
chipmunk

Verfasst: Mi 7. Nov 2007, 20:22
von Graumantel
Hi chipmunk,

ich dachte, ich komme um eine Berichterstattung herum. :wink:
Habe gerade nicht soviel Zeit und werde Morgen einen Bericht einstellen. Bis dahin muss folgende Kurzfassung meines Gemütszustands während des Abends genügen:
Zunächst war ich interessiert, dann schockiert und zum Abschluss sediert... :wink:

Viele Grüße,
Markus

Verfasst: Do 8. Nov 2007, 00:20
von chipmunk
Graumantel hat geschrieben:Zunächst war ich interessiert, dann schockiert und zum Abschluss sediert... :wink:
Na da bin ich ja mal auf deinen Bericht gespannt...

Grüße
chipmunk

Verfasst: Fr 9. Nov 2007, 00:41
von Graumantel
Hallo chipmunk,

so, nun folgt der Bericht in Langform. :)

Der Abend begann mit einer Verspätung, da mein Bruder – und damit auch die Karten – erst zwanzig Minuten nach Beginn des Konzertabends am hr-Sendesaal eintrudelte. Da wir den Konzertsaal nur während des Pausengeklatsches betreten durften, genehmigten wir uns erst noch ein schnelles Pils und schlichen uns dann mit einigen anderen zu spät gekommenen auf unsere Plätze und lauschten der letzten halben Stunde von Heinz Sauer und Michael Wollny (Saxophon und Klavier), an diesem Abend ergänzt durch das Radio String Quartet Vienna. Und damit wären wir auch schon beim ersten Begriff, der meine Gemütszustände während des Abends treffend beschreibt: interessiert.
Ich kannte Wollny und Sauer vor diesem Abend nur dem Namen nach. Was die beiden auf der Bühne zusammen improvisierten, war wirklich super. Eine zwar ungewohnte Instrumenten-Kombination, aber echt gut. Wollny ist teilweise wortwörtlich ins Klavier gekrochen um dort die Saiten mit der Hand zu bearbeiten. Und Sauer hat sehr vital gespielt für seine 75 Jahre.
Bei einigen Stücken wurden die beiden von den vier Streichern begleitet. Diese Stücke fand ich eher uninteressant, wahrscheinlich, weil ich Streicher mit Klassik assoziiere und nicht mit Jazz. Ein-, zweimal haben die Streicher solo rumgefrickelt: Nennt mich Kretin, aber so sollten höchstens gequälte Katzen klingen, keine Streichinstrumente...
Nach dem insgesamt einstündigen Auftritt kam der 75-jährige Sauer noch einmal kurz auf die Bühne, bedankte sich beim Publikum, machte ein wenig Werbung für die Solo-CD seines Kompagnons Wollny und erläuterte dem Publikum, dass man sich überhaupt nicht auf diesen Abend vorbereitet habe. Man habe tatsächlich lediglich auf die gezeigten Bilder - die während des Festivals auf insgesamt drei Leinwänden gezeigt wurden und das Motte des Festivals "What you see is what you hear" verkörperten - und das Spiel der anderen Musiker reagiert. Dafür gab es einen Extra-Applaus.

Nach einer 30-minütigen Pause ging es weiter mit den drei Herren von Tyft. Die Isländer traten in der Besetzung Saxophon, Schlagzeug, Gitarre und 'nem Apple auf. Bereits nach wenigen Sekunden war ich: schockiert. Die Musik war laut, schrill, laut, punkig, laut und übrigens laut. Eine Mischung aus heftigem Punk, wie er nicht im Radio gespielt wird, kombiniert mit elektronischen Spielereien und einem Saxophonisten, der während des 70-minütigen Konzerts durchschnittlich geschätzte 200 Töne pro Minute ins Publikum geblasen hat. Ich fand's seltsam und war überrascht, dass während dieser Terrorattacke fast niemand der zumeist graumelierten Besucher den Saal verließ.

Das änderte sich allerdings während des Auftritts des US-amerikanischen Saxophonisten Jon Hassell, der seinen eigenen Video-Künstler mitbrachte. Dieser warf sehr interessante Installationen auf die Leinwände, die (nicht nur) aus meiner Sicht eines von insgesamt zwei Highlights des Auftritts waren. Das andere Highlight war der Bassist der Gruppe, der als einziger etwas Bewegung auf die Bühne brachte. Die anderen beiden saßen auf Stühlen und Hassell kehrte dem Publikum über weite Strecken sogar den Rücken zu und lauschte, den Kopf gebeugt, offenbar konzentriert der eigenen Musik...:roll:
Jedenfalls: Hassell und seine Mitspieler sedierten das Publikum mit einer einstündigen Suite, gegen deren Spannungsverlauf ein mit dem Lineal gezogener Strich die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle darstellt. Unablässig untermalt von eintönigem Synthiegewaber tupfte Hassel alle paar Minuten ein paar gehauchte Töne in sein Instrument, die er per Apple auch noch bearbeitete.
Nach rund vierzig Minuten verließen die ersten Zuhörer den Saal. Am Ende der Show (zwanzig Minuten später) war noch etwa die Hälfte der zuvor vollbesetzten schätzungsweise 1000 Plätze belegt...
Das es nicht nur in Internetforen Trolle gibt, zeigte sich an einem Herren, der es sich nicht verkneifen konnte, nach rund 50 Minuten ein lautes "Go go go" in Richtung Bühne zu brüllen. :roll:.

So viel zu einem, mmh, insgesamt interessanten Abend. :)

Viele Grüße und eine gute Nacht,
Markus

Verfasst: Fr 9. Nov 2007, 09:36
von eyeball
Hallo Graumantel,

danke für den ausführlichen Bericht. Tja, so ist das mit dem Jazz :o .
Entweder ist die Musik zu gefällig und einfallslos oder die Musiker drehen völlig ab und quälen die Zuhörer mit endlosen Improvisationen und Geräuschorgien. :wink:
Bei Michael Wollny habe ich die Befürchtung, dass er einfach zu früh zu hoch gelobt wurde. Nach der ersten CD (call it [em]), die wirklich gut ist, haben sich die Kritiker vor Begeisterung ja überschlagen und ihn als neuen Stern am Jazz-Himmel gefeiert. Er ist wirklich ein begnadeter Pianist aber mit seinen Experimenten kann ich auch nicht mehr viel anfangen. Da höre ich lieber Lyle Mays' "Solo - Improvisations for expanded Piano" :D

Verfasst: Sa 10. Nov 2007, 00:28
von chipmunk
Danke für deinen Bericht !

Tyft - nie gehört, die werde ich mir aber mal anhören; da bin ich neugierig geworden.

Eine Videoinstallation gabe es bei Hassell letztes Jahr in Leipzig nicht, daran würde ich mich sicher erinnern. Das wurde wahrscheinlich extra wegen dem Motto "What you see is what you hear" geboten :?:

Ich habe es schon 2-3 Mal erlebt, daß die Reihenfolge bei einem Jazz-Festival unglücklich gewählt war. Das ganze ist natürlich immer Geschmackssache, aber etwas ruhiges/schwer zugängliches zum Schluß (nach 23 Uhr auch in Frankfurt, oder ?) darzubieten....ich weiß nicht. Nach zwei Konzerten sollte der Schlußpunkt die Zuhörer noch einmal richtig mitreißen.

Zum Beispiel die Leipziger Jazztage dieses Jahr. Paul van Kemenade spielte an einem Abend mit einer kleinen Big Band-Besetzung zuletzt. Gute Musiker, aber leider ständig das Schema "Thema-Solo-Solo-Solo-Thema". Vorhersehbar....eine Big Band ist ja was schönes, aber ich habe (gegen 23:30 Uhr immer müder werdend) die ganze Zeit gedacht "Hey Leute, auch der Jazz hat sich weiterentwickelt". Wobei ich die Musik um 20 Uhr wahrscheinlich wohlwollender aufgenommen hätte...

Grüße
chipmunk

Verfasst: Mo 12. Nov 2007, 20:49
von Graumantel
'n abend!

@eyeball
Entweder ist die Musik zu gefällig und einfallslos oder die Musiker drehen völlig ab und quälen die Zuhörer mit endlosen Improvisationen und Geräuschorgien. :wink:
Witzig finde ich, dass meine Toleranzschwelle (in Richtung Krach :wink:) bei Konzertbesuchen deutlich höher ist, als bei Musik aus der Konserve. Ich habe voriges Jahr das Wayne Shorter Quartet in Mannheim gesehen: Was sehr geil das Ganze livehaftig anzuschauen und anzuhören, aber eine CD mit (für meine Ohren) derart abgefahrener Musik, wäre mir für zu Hause zu hibbelig, quitschig und freaky.

@chipmunk
Tyft - nie gehört, die werde ich mir aber mal anhören; da bin ich neugierig geworden.
Offenbar hast Du eine leicht masochistische Ader in dir... :wink:
Eine Videoinstallation gabe es bei Hassell letztes Jahr in Leipzig nicht, daran würde ich mich sicher erinnern. Das wurde wahrscheinlich extra wegen dem Motto "What you see is what you hear" geboten :?:
Ja, im Rahmen des Festival-Mottos wurden sämtliche Konzerte an den drei Abenden mit jeweils unterschiedlichen Installationen bebildert. Und Hassel hat die Gelegenheit wahrgenommen, seinen "eigenen" - imho richtig guten - Video-Künstler mitzubringen.

Viele Grüße,
Markus

Verfasst: Di 13. Nov 2007, 09:09
von chipmunk
Graumantel hat geschrieben:@chipmunk
Tyft - nie gehört, die werde ich mir aber mal anhören; da bin ich neugierig geworden.
Offenbar hast Du eine leicht masochistische Ader in dir... :wink:
So, hier konnte ich meine Neugier etwas befriedigen:

http://www.myspace.com/hilmarjensson

Damit könnte ich je nach Stimmung auch überhaupt nichts anfangen. Die zweite Hälfte von "Led Tyftelin" (nettes Wortspiel) ist ziemlich stressig. Aber "Meg Nem Sa" gefällt mir ganz gut.

Grüße
chipmunk

Verfasst: Fr 23. Nov 2007, 09:32
von Graumantel
Moin,

Nach längerer Abstinenz habe ich voriges Wochenende mal wieder eine Jazz-CD gekauft, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Dabei handelt es sich um das neue Album der Pianistin Makiko Hirabayashi mit Namen "Makiko".
Das überwiegend weibliche Trio (:wink:) der japanischen Dänin (!) wird ergänzt durch Klavs Hovman (Bass) und Marilyn Mazur (Schlagzeug und Percussion). Die Musik ist über weite Strecken ruhig, bietet aber einige nett vertrackte Sequenzen (Anspieltipp: "Waves" und "City Murmus"). Hirabayashis Spiel ist schön anzuhören, wird aber erst im Zusammenspiel mit Mazur zum Highlight, die (wie immer) ihre Percussions klöppelt, streicht, schlägt, tupft, etc., dass es eine Freude ist (keine Angst, es gibt auch Titel mit Schlagzeug :wink:). Der Bassist spielt solide, bleibt insgesamt im Verlauf der CD aber etwas blass.
Kurze Rezensionen zur CD liefert das Online Musik Magazin sowie die Seite nordische-musik.de.

Viele Grüße,
Markus

Verfasst: So 25. Nov 2007, 18:40
von y-richy
Moin zusammen,

e.s.t "live in hamburg" (Doppel-CD), gerade erschienen.

Diese zwei Scheiben laufen z.Zt. in meinem Player heiß.
Neben bekanntem e.s.t Stil wird's hier auch richtig rockig.
ALTER SCHWEDE :!:. da geht so richtig die Post ab. :lol:

Hinzu kommt noch, dass das Konzert in Hamburg, meiner Geburtsstadt, stattfand.
Das verbindet. Aus meiner Sicht ist dieses Album eine Kaufempfehlung der Klasse 1A :!: :!:

Gruß,
Wolfgang