Hallo Mysterion,
das Thema Biamping ist ein Mysterium und du wirst dazu wohl unterschiedliche Meinungen finden. Das geht schon im Ansatz los, wenn es um die Erklärungen geht, warum Biamping denn besser klingen sollte.
Zunächst folgendes: Im typischen Musiksignal nimmt die Amplitude mit steigender Frequenz ab (siehe auch
Rosa Rauschen). Die meiste Leistung verbraten also Bass- und Grundtonbereich. Per Biamping wird nun versucht, die sensibleren Mitten und Höhen davon unbeeinträchtigt zu verstärken. So erklärt sich auch der Tipp der STEREO, einen 60-Watt-Vollverstärker mit einer 130-Watt-Endstufe zu kombinieren.
1) "Verstärkerklangtheorie"
Wenn man glaubt, Verstärker würden bereits weitab ihrer Maximalleistung das Musiksignal nennenswert - und mit nennenswert meine ich im Verhältnis zu den Verzerrungen, die Lautsprecher und Raum bewirken - beeinträchtigen, dann mag man auch glauben, ein "Aufteilen" der Arbeit auf zwei Endstufen könne da helfen.
Die schöne Theorie birgt aber selbst dann zwei Fragwürdigkeiten:
a) Die "Arbeit" wird ja nur "halb" aufgeteilt. Biamping, wie in Hifi-Kreisen betrieben, bedeutet ja nur, dass man das volle Signal auf zwei Endstufen aufteilt und am Lautsprecher die Brücken abnimmt. Die einzelne Endstufe muss nun nur noch in einem Teil des Spektrums als Leistungsverstärker herhalten, gleichwohl muss sie den Spannungshub des gesamten Spektrums verarbeiten. Damit bekommt die schöne Theorie schon einen herben Knacks, weil die zartere Endstufe für den (Mittel-/)Hochtonbereich dennoch von heftigen Bassattacken ins Klirren getrieben ober gar übersteuert werden kann.
b) Bei Nubert-Lautsprechern lässt sich durch Abnehmen der Brücken nur der HT getrennt ansteuern. Die "Entlastung" durch Biamping kommt also nur diesem kleinen Bereich zugute, die sensiblen Mitten lassen sich so nicht verbessern.
2) Erklärungsversuch ohne "Verstärkerklang"
Für eine Verbesserung durch Biamping bleibt hier nur wenig übrig, nämlich der Grenzbereich zur "verzerrungsfreien" Maximalleistung der Endstufe. Die von den stromzehrenden Bässen entlastete Endstufe kann, so sie ein "weiches Netzteil" hat, mit einer weniger einbrechenden Betriebsspannung eine etwas höhere "verzerrungsfreie" Maximalleistung erreichen. Aber auch hier profitiert bei Nubert-Lautsprechern bestenfalls der Hochtonbereich. Und umgekehrt bringt das bissel weggelassene Hochtongezirpe keine hörbare Entlastung der "Bassendstufe".
Wenn du Biamping zur Erhöhung der verzerrungsfreien Maximallautstärke anstrebst, dann liegst du IMHO erst recht falsch. Du brauchst ungefähr die doppelte Leistung, um überhaupt eine Lautstärkeveränderung zu bemerken und die zehnfache Leistung, um eine Verdoppelung wahrzunehmen. Setzt du zwei leistungsgleiche Endstufen ein, so verdoppelt sich die Gesamtleistung nicht einmal, weil die Endstufen jeweils nur einen Teil der selben Last ansteuern.
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Aber mal was ganz anderes:
Ich will dir die nuLine 102 samt ATM nicht ausreden, besitze sie ja selber.
Aber du beschreibst Hörgewohnheiten, die mit meinen nicht übereinstimmen. Ich höre meist mit Zimmerlautstärke, selten etwas lauter, und ich mag die Möglichkeit, per ATM den Bass- und Grundtonbereich fürs Leisehören anheben zu können und den Klang schlechter Aufnahmen per Klangwaage absoften zu können. Zudem finde ich die nuLine 102 für meine räumlichen Verhältnisse schon grenzwertig groß.
Du hingegen willst es krachen lassen, mit fettem, subwoofergleichen Druck. Wie laut es dann wirklich bei dir wird, weiß ich natürlich nicht und die nuLine 102 mit ATM und kräftiger Endstufe ist kein Kind von Traurigkeit. Aber du schmeißt in Gedanken mit Geld "nur so um dich" für so vergleichweise teure Experimente wie Biamping, wieso hast du dann nicht die nuLine 122 bestellt? Die Große müsste deiner Vorstellung weitaus näher kommen. Sie besitzt deutlich mehr Membranfläche und Gehäusevolumen, ist belastbarer, spielt ohne ATM deutlich tiefer. Und das ATM-122 muss auch nicht ganz so viel Zusatzpegel in den Tiefbassbereich bringen, was die Endstufe weniger belastet bzw. mit einer kleineren Endstufe eine größere "verzerrungsfreie" Maximallautstärke ermöglicht.
Zur konkreten Rotel-Biamping-Kombi zuguterletzt noch eine ganz praktische Erwägung: Zur Ausnutzung des gesamten Funktionsumfangs des ATM brauchst du einen "auftrennbaren" Verstärker. Natürlich könntest du das ATM nur zwischen die Vorstufenausgänge des Rotel-VV und der Rotel-(Bass-)Endstufe hängen. Dann bliebe aber die mitunter nette Funktion "Klangwaage" außen vor, denn die will ja auch den Hochtonbereich beeinflussen.
Mit internetten Grüßen
Gerald Vogt