Links die Frontansicht der Box, rechts das Cover der Einzel-Veröffentlichung
Verblendung (Schweden, Dänemark, Deutschland, Norwegen 2009, Originaltitel: Män som hatar kvinnor)
Journalist und Hackerin auf dem Höllentrip
Für Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist) läuft es nicht gut. Der in Schweden sehr bekannte Journalist, hat in seiner Zeitschrift namens Millenium, den einflussreichen Geschäftsmann Wennerström an den Pranger gestellt, der sich vor Gericht gegen die Anschuldigungen zur Wehr setzte. Man hat Blomkvist gezielt auflaufen lassen, ihm eine geschickte Falle gestellt, doch das Gericht verurteilt ihn zu einer dreimonatigen Haftstrafe. Unerwartet nimmt der wohlhabende Unternehmer Henrik Vanger (Sven-Bertil Taube) Kontakt zu Blomkvist auf, unterbreitet ihm ein finanziell lukratives Angebot. Vor 40 Jahren verschwand Vangers Lieblingsnichte spurlos, seither wird dem trauernden Onkel jedes Jahr eine gepresste Blume zugeschickt, die er stets an seinem Geburtstag erhält. Blomkvist soll nach Spuren der Verschollenen suchen, bisher verliefen alle Nachforschungen ergebnislos im Sande. Da der Journalist noch sechs Monate Zeit hat, bevor er seine Haftstrafe antreten muss, lässt er sich schliesslich auf das Angebot ein. Die Vanger Sippe lebt auf einer Insel, die durch eine Brücke mit dem schwedischen Festland verbunden ist. Henrik Vanger hat nicht viel für seine Famlie übrig, laut seinen Angaben ist ihm jeder verdächtig. Für die Hackerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) läuft es momentan ebenfalls unrund. Die junge Frau steht wegen ihrer Vergangenheit unter Vormundschaft, obwohl sie bereits 24 Jahre alt ist. Als man ihr einen neuen Vormund zuteilt, erweist sich dieser als perverser Sadist. Doch Lisbeth ist nicht nur äusserst klug, sie versteht es auch sich zur Wehr zu setzen. Salanders Fähigkeiten wurden zuvor von Henrik Vangers Rechtsbeistand Dirch Frode (Ingvar Hirdwall) in Anspruch genommen, um die Integrität von Michael Blomkvist zu überprüfen. Zwar ist dieser Job erledigt, doch Lisbeth hackt sich erneut bei Blomkvist ein, gibt ihm per Mail einen hilfreichen Tipp. Der Journalist sucht den persönlichen Kontakt zu der jungen Frau, das ungleiche Duo nimmt den Fall gemeinsam unter die Lupe. Lisbeth und Mikael tauchen tiefer und tiefer in die Vergangenheit ein, die zu Tage geförderten Erkenntnisse sind erschreckend, bringen die Ermittler in Lebensgefahr...
Filme aus Skandinavien haben bei mir immer Kredit, die Verfilmung der Millennium-Trilogie von Stieg Larsson stand schon seit einiger Zeit auf meinem Speiseplan. "Verblendung" ist ein packender, mitreissender Film, der weitgehend ohne Krawall und platte Schauwerte auskommt. Die Geschichte wird angenehm unhektisch erzählt, leistet sich dabei aber zu keiner Sekunde Hänger oder Leerlauf. Die grössten Trümpfe der Story sind ohne Zweifel die interessanten, faszinierenden Persönlichkeiten Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander, die von Michael Nyqvist und Noomi Rapace erstklassig verkörpert werden. Das Drehbuch punktet mit einem guten Gespür für Timing und Dosierung der Spannung. Nach der finalen Konfrontation mit dem "Bösewicht" ist noch längst nicht Schluss, mit Sorgfalt erzählt man die Geschichte weiter, ohne den Zuschauer damit zu langweilen. Eine Szene ging mir dabei so zu Herzen, dass die Tränen wie Sturzbäche über meine alte Fratze liefen. Anstatt "heile Welt Kitsch" gibt es "echte" Emotionen, die zutiefst bewegend sind. Eine weitere Stärke ist das geschickte Einbeziehen der schwedischen Landschaft. Man lässt der schroffen Schönheit des Landes Raum zur Entfaltung, füllt mit den Bildern allerdings keine Handlunglücken auf, sondern unterstreicht, verstärkt die Atmosphäre des Werkes sehr stilvoll, sehr stilsicher. Was Regisseur Niels Arden Oplev und sein Team auf die Beine gestellt haben ist aller Ehren wert, ich freue mich bereits riesig auf die folgenden Filme "Verdammnis" und "Vergebung".
Werfen wir einen Blick auf die Besetzung von "Verblendung". Wie bereits oben erwähnt, spielen Michael Nyqvist und Noomi Rapace ihre Figuren erstklassig, man kann dies nicht oft genug schreiben. Mikael Blomkvist ist ein hartnäckiger Schreiberling und Ermittler, wenn er einmal Blut geleckt hat, eine Fährte aufgenommen hat, verbeisst er sich ohne Rücksicht auf das eigene Wohlergehen in seiner Arbeit. Dabei eckt er naturgemäß an, wer möchte schon die Leichen ausgegraben sehen, die im eigenen Keller versteckt lagern!? Doch auch der private Blomkvist ist ein knarziger Typ, mit seiner direkten, ehrlichen Art kann er verletzend sein, stösst manche, sich ihm annährende Menschen, barsch vor den Kopf. Noomi Rapace gibt die nicht minder kantige Lisbeth Salander ebenso überzeugend. Sie wirkt flippig und abweisend, offenbart aber eine eigene moralische Autorität, die sicher nicht immer konform mit allgemeinen Auffassung geht. Die Beziehung zwischen Blomkvist und Salander ist auf ganz besondere Art intensiv und reizvoll. Geprägt von anfänglicher Skepsis, klammern sich nach und nach zwei verletzte, beschädigte Seelen aneinander, blitzt in kurzen Momente gar Herzlichkeit auf, die weit über sexuelle Anziehung hinausgeht. Nyqvist und Rapace sind ein wundersames Gespann, immer faszinierend und bewegend. Vor den Leistungen des ungleichen (?) Duos verneige ich mich. Hier gibt es keine klischeehaften Abziehbildchen zu sehen, hier werden Charaktere greifbar, spürbar, rühren an! Bei aller Begeisterung für die beiden Hauptfiguren, soll die weitere Besetzung nicht vergessen werden, denn auch die Nebenrdarsteller agieren durchweg hochklassig. Sven-Bertil Taube spielt als Henrik Vanger einen gebrochenen Mann, Zeit und Verzweiflung haben tiefe Spuren hinterlassen. Die Trauer und Ungewissheit über das Verschwinden seiner Nichte gelingt absolut glaubwürdig. Peter Andersson sehen wir als abstossdenden Vormund von Lisbeth, er bringt diesen Part unglaublich ekelhaft und verachtungswürdig rüber. Ich möchte darauf verzichten auf die weiteren Mitwirkenden einzugehen, die Spoilergefahr ist zu gross.
Man erfährt im Laufe des Films mehr über Blomkvist und Salander, besonders Lisbeth Salanders Vergangenheit und Fähigkeiten werfen Fragen auf. Diese Fragen werden in "Verblendung" nur im Ansatz beantwortet. Ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung "Verdammnis", in der man vermutlich noch einiges mehr über die beiden zentralen Figuren offenbart. Die Story twistet sicher längst nicht so wüst umher, wie man es aus manch anderem Thriller kennt. Wirklich grosse Überraschungen sind in diesem Fall aber nicht nötig, denn der Plot entwickelt sich glaubwürdig und packend, die Erzählung berührt, verankert sich in Herz und Hirn. Die Präsenz der Hauptfiguren ist von energischer Intensität, erdrückt aber trotzdem nicht die weiteren Elemente der Geschichte. Alles fügt sich zu einem leidenschaftlichen Gesamtbild, welches mich mit seiner unbändigen Kraft an sich reisst, mich fesselt und aufsaugt.
146 Minuten Spielzeit und keine Sekunde Langeweile! Es ist gewissermaßen eine Pflichtübung, auf jeden Fall auch die längere Fassung zu beschaffen, die es auf 178 Minuten Laufzeit bringt. Ich habe mir das Blu-ray Set mit allen drei Filmen gegönnt, der Preis von rund 40€ erscheint mir sehr fair. Die drei Blu-ray Discs werden durch die eine Bonus-DVD ergänzt, die Scheiben kommen in einem schicken Digipak, welches in einem stabilen und hübschen Schuber untergebracht ist. "Verblendung" liegt zwar "nur" in 1080i vor, jedoch ist die Präsentation sehr gut gelungen. Teils zeigt sich eine leichte Körnung, die perfekt zu den Bildern passt, eine sterile "Filterwolf-Auswertung" würde den Film unnötig beschädigen.
Sehr gut bis überragend =
8,5/10 (Mehr davon!)
Lieblingszitat:
"Du meinst, er hat die Morde von der Steuer abgesetzt?"