Das Phantom von Soho (Deutschland 1964, Originaltitel: Das Phantom von Soho)
Eine erschreckende Auflösung vertreibt die Nebelschwaden
Wieder treibt ein Serienkiller sein blutiges Unwesen. Die Opfer werden mit einem stattlichen Messer erstochen, bei den Toten platziert der Täter einen kleinen Umschlag. Inspektor Hugh Patton (Dieter Borsche) ermittelt am Ort des Geschehens, dem berüchtigten Stadtteil Soho. Dreh- und Angelpunkt scheint ein verruchter Schuppen namens Sansibar zu sein, der von der grantigen Joanna Filiati (Elisabeth Flickenschildt) geführt wird. Die Dame erweist sich als wenig kooperativ, auch der häufig bei anzutreffende Dr. Dalmar (Werner Peters), pflegt nur äusserst ungern Kontakt mit der Polizei. Patton und sein Gehilfe Sergeant Hallam (Peter Vogel) haben eine harte Nuss zu knacken, zu allem Überfluss scheint auch ihr Vorgesetzter Sir Phillip (Hans Söhnker), irgendwie in die grausigen Vorfälle verstrickt zu sein. Damit nicht genug, denn Sir Phillips Freundin -und spätere Verlobte- Clarinda Smith (Barbara Rütting), möchte gern an den Ermittlungen teilhaben. Sie verdient ihren Lebensunterhalt als Autorin von Kriminalromanen, und ist sehr der Arbeit der Polizei interessiert, was bei Inspektor Patton auf wenig Gegenliebe stösst. Nach und nach fördern die Forschungen befremdliche Erkenntnisse zu Tage, ist der angesehene Sir Phillip eventuell ein irrer Killer...???
Der vierte Film aus der Bryan Edgar Wallace Reihe von CCC-Film, wurde von Franz Josef Gottlieb inszeniert. Zu Begeisterungsstürmen reisst mich diese Tatsache nicht unbedingt hin, denn teilweise lieferte der Regisseur eher durchwachsene Beiträge zum "Wallace-Universum" ab. Für Rialto drehte Gottlieb den soilden "Der schwarze Abt", der im unteren Mittelfeld meiner "Rangliste" seinen Platz inne hat. Aber auch "Die Gruft mit dem Rätselschloß" geht auf Gottliebs Konto, leider der IMHO schwächste aller Rialto Filme zum Thema Wallace. Für CCC-Film steuerte der Österreicher den unterhaltsamen "Der Fluch der gelben Schlange" bei, den man unter dem Banner Edgar Wallace vermarktete. Der Streifen wurde zusätzlich durch den interessanten Soundtrack von Oskar Sala aufgewertet. Licht und Schatten in der Krimikarriere des Franz Josef Gottlieb. Gleiches gilt für den vorliegenden Flick "Das Phantom von Soho", dessen positive Eigenschaften letztlich das Ruder an sich reissen können.
Das Phantom kommt mit gewohnten und liebgewonnenen Standards daher. Ein Nachtclub mit frivol-kriminellem Ambiente, geleitet von einer undurchsichtigen Knitterguste. Der "Erotikfaktor" ist für die Entstehungszeit (1963/64) erstaunlich. Herrliche Anblicke schenkt uns Helga Sommerfeld, die als Fotografin durch den Club stöckelt, meist in heissen Strapsen und Nylons zu sehen ist. Freilich fehlt es nicht an Nebel und finsteren Strassen, Gassen und Ecken, kauzigen Figuren, kantigen Burschen und schwitzenden Schleimbeuteln. Martin Böttcher sorgt für einen stimmigen Soundtrack, der Titelsong ist ein kleiner Ohrwurm, der prima zum Film passt. Der Schweizer Richard Angst arbeitete mehrfach mit Regisseur Franz Josef Gottlieb zusammen, in "Das Phantom..." gefällt mir seine Kameraarbeit besonders gut, nur an einer Stelle wird die Experimentierfreudigkeit zu weit getrieben.
Dieter Borsche spielt den leitenden Ermittler recht nüchtern. Glücklicherweise ist seine Darbietung nicht völlig glattgebügelt, doch ein wenig mehr Ecken und Kanten wären sicher reizvoll. Vermutlich wollte man dem Publikum keinen zu ungewöhnlichen Inspektor zumuten, denn Borsche stellt sowieso einen deutlichen Kontrast zu den üblichen Helden wie Fuchsberger, Drache und Co. dar. Eine erfrischende Abwechslung, der noch mehr Konsequenz gut getan hätte. Peter Vogel übernimmt als Assistent gewissermaßen den "Eddi Arent Part", was ihm ansprechend gelingt, seine Albernheit driftet nicht in allzu nervige Tiefen ab. Hans Söhnker darf einen hohen Würdenträger von Scotland Yard mit ungewohnten Facetten ausstatten, mit dem liebenswert-debilen Charme eines Sir John hat sein Sir Phillip nichts gemein. Werner Peters sehen wir in einer für ihn typischen Rolle. Verschwitzt, verschlagen und umsympathisch, einmal mehr spielt er hochklassig auf. Bei den Damen sorgt Helga Sommerfeld in einer Nebenrolle für die Schönheit. Als Corinne weckt sie den Beschützerinstinkt, gleichzeitig verhilft sie dem geifernden Lüstling zu unzüchtigen Gedanken. Barbara Rütting stellt den Gegenentwurf zu den typischen Erotik-Königinnen der sechziger Jahre dar, sie versprüht den Sex-Appeal einer Tiefkühlpizza mit Gefrierbrand. An ihren schauspielerischen Fähigkeiten gibt es hingegen nichts zu meckern. Bei Elisabeth Flickenschildt kommen erotische Gedanken erst gar nicht auf, die Dame steht über solchen B
analitäten, ihre Präsenz ist eine Bereicherung für jeden Film.
Franz Josef Gottlieb kann sich auf seine Schauspieler verlassen, seine Schauspieler können dementgegen nicht immer auf ihren Regisseur bauen. Ab und an wirkt die Inszenierung ein wenig fahrig, mangelt es an Gespür für Spannung und Timing. Ein paar kleine Ausrufezeichen hätten nicht geschadet. Dafür donnert die Auflösung wie ein kräftiger Hieb mit dem Vorschlaghammer auf uns nieder. Eine solche Tragik überrascht positiv, daran ändert auch die letzte Szene nichts mehr, bei der man leider erwartungsgemäß in die Schmalzfalle tappt. "Das Pantom von Soho" hätte ein grosser Wurf werden können, die eher durchschnittliche Ausführung beraubt den Film dieser Chance. Für Fans ohne Zweifel sehenswert, für Einsteiger gibt es zahlreiche (bessere) Alternativen.
"Das Phantom von Soho" teilt sich mit zwei weiteren Filmen die "Bryan Edgar Wallace Collection 2". In der Box sind ferner folgende Titel enthalten:
• Der Henker von London
• Das Ungeheuer von London City
Box Nr. 2 startete mit "Der Henker von London" auf gutem Niveau. "Das Phantom von Soho" fällt spürbar ab, kann sich aber vom Bodensatz des Umfeldes abheben. 6/10 (mit Tendenz zu 6,5/10) sind locker drin, vielleicht offenbart der Streifen bei zukünftigen Sichtungen weiteres Potential.
Lieblingszitat:
"Das Personal in diesem Laden ist aber sehr nervös."