Die Fortsetzung der
"Mega-Derrick-Sause"
Cover der Derrick Collectors Box 5, welche die Folgen 61-75 enthält
Folge 62 - Das dritte Opfer (Deutschland 1979)
Im Urlaub kommt Derrick mit dem ebenfalls in München lebenden Albert Grosser (Lambert Hamel) ins Gespräch. Der Mittvierziger wirkt glücklich, seit wenigen Wochen ist er mit der hübschen Gabriele Voss (Jutta Speidel) befreundet. Wenig später wird Grosser in seinem Hotelzimmer erschossen, Derrick bietet den zuständigen Kollegen seine Hilfe an. Beim dienstlichen Gedankenaustausch mit Harry, fallen Derrick wieder die merkwürdigen Fragen ein, die ihm das Mordopfer voller Wissbegierde stellte. Offenbar war Grosser äusserst fasziniert von der beruflichen Tätigkeit des Kriminalbeamten. Die Nachforschungen führen in das Haus der Familie Dorp. Albert Grosser lebte im Haus seines wohlhabenden Schwagers Martin Dorp (Heinz Drache), in dessen Firma er einer einfachen Tätigkeit nachging. Erstaunlicherweise treffen die Ermittler vor Martin Dorps Büro auf Gabriele Voss...
Wenn Alfred Vohrer für die Regie einer Folge verantwortlich war, gab es für den Zuschauer meist ein Wiedersehen mit Stars aus der Wallace-Ära. Kein Wunder, immerhin inszenierte Vohrer mehr Wallace-Streifen als jeder andere Regisseur. Heinz Drache (nach Joachim Fuchsberger wohl der bekannteste "Wallace-Inspektor") spielt in "Das dritte Opfer" ein vordergründig hilfbereites Familienoberhaupt, Drache wirkt deutlich gereift und legt einen überzeugenden Auftritt hin. Lambert Hamel kann zu Beginn auftrumpfen, sein Albert Grosser ist ein tragisch-sympathischer Verlierer, allerdings mit einem leichten Hang zur Nervensäge. Jutta Speidel balanciert gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen unschuldiger Naivität und dem Verlangen nach Luxus. Die weiteren Mitwirkenden fügen sich gut ins Bild ein, bleiben aber eher beliebig, da der Fokus auf Drache und Speidel liegt.
Jetzt ist mir endlich und unmißverständlich klar, warum der Oberinspektor so selten in den Urlaub fährt. Während im Dienst ein flotter BMW als Gefährt dient, reicht es für den Privatmann Derrick nur zu einem klapprigen VW. Ob Vohrer damit die Unterbezahlung unserer Staatsdiener an den Pranger stellen wollte? Doch vielleicht war das traurige Vehikel nur ein Leihwagen, wir werden es wohl nie er
fahren. Ansonsten bekommen wir es in "Das dritte Opfer" mit einem sehenswerten Familiendrama zu tun, im Haus der Dorps macht sich von Anfang an eine -gekonnt eingefangene- befremdliche Stimmung breit. Die Musik von Hans-Martin Majewski tönt angenehm, die frühe Phase der Folge sorgt für Abwechslung bezüglich der Schauplätze. Sicher keine der stärkeren Arbeiten von Alfred Vohrer, allerdings durchaus unterhaltsam, vor allem gut gespielt.
6,5/10 (oberste Mittelklasse)
Folge 63 - Die Versuchung (Deutschland 1979)
Die Firma von Walter Möbius (Klaus Wildbolz) und Rolf Sossner (Peter Fricke) steht kurz vor der Pleite, als Sossner von seinem Geschäftspartner mit einer unglaublichen Idee überrascht wird. Möbius will seine Entführung vortäuschen, sein reicher Schwiegervater Oswald Demmer (Heinz Moog) soll ein dickes Lösegeld ausklinken. Zunächst ist Sossner regelrecht entsetzt, schliesslich sträubt er sich nicht weiter gegen das gewagte Unterfangen. Demmer hält nicht viel von seinem Schwiegersohn, entschliesst sich aber doch zur Zahlung des Lösegeldes, er möchte seiner Tochter Ingrid (Dany Sigel) Leid ersparen. Der "Entführer" verlangt telefonisch, dass Rolf Sossner den Geldkoffer nach seinen Anweisungen abliefern soll. Selbstverständlich überwacht die Polizei den Vorgang, doch nach der Übergabe sind Täter und Geld verschwunden, der Entführer hatte seine Flucht augenscheinlich gut durchdacht. Derweil wachsen bei Derrick Sorgen und Skepsis, denn Möbius bleibt trotz der erfolgreichen Geldübergabe verschwunden...
"Der Kommissar" Erik Ode zeichnet für die Regie dieser Folge verantwortlich. Ode verzichtet auf Krawall und sonstige Wüstheiten, verlässt sich auf seine Schauspieler und solides Handwerk. Dem Drehbuch hätte ein wenig mehr Mut gut zu Gesicht gestanden, denn die Motive des Täters sind allzu offensichtlich, seine Überführung gelingt mit einem extrem simplen Trick. Peter Fricke gefiel bereits in "Klavierkonzert" (Folge 45), wo er einen unter Druck geratenen Musiker zum Besten gab, hier ist seine Rolle ähnlich angelegt. Das passt wunderbar, denn Fricke scheint die Hektik regelrecht aus dem Antlitz zu springen. Klaus Wildbolz und Dany Sigel bieten übliche (gute) Standardkost an, während Heinz Moog als polternder Geldspeicher ordentlich vom Leder ziehen darf. Horst Tappert kommt nach und nach auf Betriebstemperatur, zunächst wird in aller Ruhe ein Apfel verspeist, ein guter Ermittler braucht Vitamine.
"Die Versuchung" verliert durch fehlende Verdachtsmomente gegen Nebenfiguren ein wenig an Reiz, zumindest sind entsprechende Verdachtsmomente nicht überzeugend angelegt. Am guten Ensemble liegt es ganz sicher nicht, dass die Folge lediglich als "angenehmer Derrick-Standard" über die Zielgerade läuft. Zwar gibt es interessante Enthüllungen zu einem möglichen "Nebenmotiv", doch diese bringen den Zuschauer noch eindeutiger auf die Fährte des Täters, packende Wendungen glänzen leider durch Abwesenheit. Über den Abspann hat Frank Duval eine sehr schöne Komposition gelegt, die mich stark an die Musik von Tangerine Dream aus dieser Zeit erinnert (was ausdrücklich ein dickes Lob darstellt!).
6,5/10 (oberste Mittelklasse)