Hallo,
ich will Euch vorwarnen, das wird jetzt etwas ausführlicher. Zu den einzelnen Themen des Threads will ich aber meine Meinung nicht schuldig bleiben:
1. Rundfunkbeitrag
Ich schätze den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (das schließt jetzt Fernsehen mit ein) sehr, nutze ihn intensiv und zahle den Beitrag gern. Das schließt nicht aus, dass ich mit einzelnen Entwicklungen der Programme hadere - z.B. die inflationäre Häufung von Krimis, als ob es keine andere Form von Spielfilm mehr gäbe. In meinen Augen hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk drei Aufgaben: Unterhaltung, politisch neutrale Information, Kultur.
Was die Unterhaltung angeht, unter die für mich FIlme, Soaps, Volksmusik etc. fallen, denke ich, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer noch (trotz aller Unzulänglichkeiten) positiv von den Privaten abhebt. Für mich sind Sendungen wie "Frauentausch" oder die nachmittäglichen Talk- und Gerichtsshows der Privaten unterste Schublade. Und wenn auch Volksmusiksendungen bei mir einen sofortigen Abschaltreflex auslösen, sehe ich doch, dass es dafür eine Zielgruppe gibt, die nirgendwo anders als in den öffentlich-rechtlichen Anstalten bedient wird.
Was die Information angeht, halte ich es für eine Verschwörungstheorie, dass es sich bei unseren öffentlich-rechtlichen Sendern um manipuliertes Staatsfernsehen handelt. Es mag sein, dass der eine oder andere Sender aufgrund seiner geographischen Zuordnung zu einem bestimmten, lange Zeit von einer Partei regierten Bundesland gewisse Tendenzen hat. Es ist auch richtig, wenn mehr Unabhängigkeit gefordert wird - wie zuletzt gerichtlich im Hinblick auf die Besetzung des ZDF-Beirats entschieden. Von wirklichem Staatsfernsehen ist das aber noch weit entfernt. Ihr kennt alle wirkliches Staatsfernsehen nicht. Ich bin in der DDR aufgewachsen und - im Gegensatz zu Caine - alt genug, um die "Aktuelle Kamera" und den "Schwarzen Kanal" noch bewusst erlebt zu haben.
Das war Staatsfernsehen!!! Wenn Ihr mal ein aktuelles Beispiel von staatlich gelenkter Information haben wollt, dann schau hier:
http://de.ria.ru/. Vergleicht bitte ganz genau, welcher Teil der uns zugänglichen Informationen dort weggelassen wird. Zur Information gehören für mich auch die unzähligen Reportage- und Dokumentarsendungen der öffentlich-rechtlichen Sender. Mal ehrlich an die Verächter der Öffentlich-Rechtlichen: Schaut Euch mal eine beliebige Folge 37Grad an und direkt danach eine Folge von "RTL2:Exklusiv". Merkt Ihr da wirklich keinen Unterschied?
Gerade im Hinblick auf die neutrale Information ist es wichtig, dass der Rundfunkbeitrag ein Beitrag ist, der nicht unmittelbar dem Zugriff der Politik unterliegt. Man stelle sich vor, Rundfunk würde aus Steuermitteln finanziert und die Mittel für das ZDF wären im Zugriff des Bundeshaushalts. Dann käme Sigmar Gabriel nach seinem Streit mit Marietta Slomka womöglich auf die Idee, dem ZDF die Mittel zu kürzen. Deshalb ist in meinen Augen das Beitrags- oder Gebührenmodell das einzig Richtige, um wenigstens ansatzweise eine Unabhängigkeit zu gewährleisten. Ach so: Ich würde den Beitrag noch lieber zahlen, wenn es echte und totale Freiheit von Werbung gäbe.
EDIT: Bei rein privater Finanzierung von Medien wären amerikanische Zustände die Alternative: Fox hetzt auf allen Kanälen gegen den Präsidenten. Andere Kanäle hetzen gegen die Republikaner. Erstrebenswert ?
Kultur: Wieviele Festivals gibt es nur, weil öffentlich-rechtliche Sender Sie veranstalten ? Ich habe hier vor der Haustür die Schwetzinger Festspiele. Wen das Programm interessiert:
http://www.swr.de/swr2/festivals/schwet ... estspiele/. Sehr hochwertig. Glaubt allen Ernstes einer von Euch, dass sich irgendein privater Veranstalter finden würde, der das aus eigenen Mitteln aufzieht ?
Nein, meines Erachtens ist der Rundfunkbeitrag notwendig und richtig und diejenigen, die das ablehnen, denken im Sinne des Gemeinwohls zu kurz.
Im übrigen, @Caine: Jura ist eine Meinungswissenschaft. Das ist nicht wie bei Euch Naturwissenschaftlern, wo es nur richtig oder falsch gibt. Gib drei Juristen eine These und Du wirst vier gut begründbare Meinungen bekommen. Insofern ist durch eine Dissertation nur eine Meinung geäußert, aber nichts bewiesen. Eine Entscheidung gibt es entweder durch das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesverfassungsgericht. Die ist dann bindend, was nichts über richtig oder falsch aussagt.
2. Homophopie
Ich hatte den zum Anstoß für diesen Diskussionsstrang führenden Beitrag nicht als homophob empfunden. Wenn dann aber Sätze kommen wie "Die sollen ihre sexuelle Orientierung nicht ständig zur Schau stellen!", gehen bei mir die Alarmglocken an. Da sollte man sich doch vielleicht mal ein bisschen mit der Geschichte der Schwulenbewegung befassen, bevor man Veranstaltungen wie den CSD diffamiert. Zudem: Wir Heteros stellen doch unsere sexuelle Orientierung ständig zur Schau. Wenn ich meine Freundin an einer roten Fußgängerampel küsse, um die Zeit sinnvoll zu nutzen, mache ich meine Orientierung sichtbar. Alle finden es normal. Tun zwei Schwule dasselbe, ist es igitt.
3. Tugendterror
Ich glaube, dass unsere Gesellschaft hier auf einem schmalen Grat wandelt. Einerseits ist es richtig, wenn Medien z.B. Verfehlungen von Politikern etc. aufdecken. Andererseits kommt durch so etwas heute immer eine Empörungsmaschinerie in Gang, die eigentlich nur sich selbst dient. Typen wie Brandt oder Strauß hätten heute keinerlei Chance mehr auf eine politische Karriere. Das ist gefährlich.
So, das wars von mir.
Gruß CT