Verfasst: Sa 11. Jan 2003, 19:47
Hallo Thilo,
dein Vorschlag zur objektiven Beurteilung von Lautsprecherboxen sieht auf den ersten Blick ganz logisch aus, und z.B. zur Beurteilung von Bildkompressionsverfahren macht man das so ähnlich. Aber diese Aufgabe ist vergleichsweise einfach: das TV-Bild ist schon ein vereinfachtes Abbild des Originals, zweidimensional mit einer festen Anzahl von Bildpunkten und Farb- /Helligkeitswerten.
Bei Musik sieht das etwas anders aus. Wie soll man die Schallquelle Lautsprecher - mal 20, mal 200cm hoch - immer gleich messen? Und mit was für einem Empfänger? Mit einem Mikrophon? Ist das nicht auch unzulänglich, nur ein schwaches Abbild des Ohres?
Und was nutzen einem Messungen im schalltoten Raum, sind doch die Wohnräume, in denen die Boxen nachher spielen sollen, (zum Glück) nicht schalltot.
Ich bin der Überzeugung, dass die Idealvorstellung "Live-Eindruck" weder mit Stereo- noch mit 5/6/7-Kanal-Anlagen zu realisieren ist. In einem Konzert, sagen wir mal Klassik mit großem Orchester und Chor, wirken hunderte einzelne Schallquellen gleichzeitig, aus unterschiedlichen Richtungen und Abständen. Diese Schallquellen mischen sich im Raum zu einem Gesamteindruck, werden reflektiert aus allen Richtungen des Raumes und an allen Gegenständen und Personen im Raum. Und dann kann man als Zuhörer auch noch den Kopf drehen, sich zurücklehnen oder nach vorne beugen, sich einem Solisten zu- oder von ihm abwenden, den Blick auf einen bestimmten Mitwirkenden richten und sich mit seinem Gehörsinn auf dessen Tun konzentrieren usw.
Dieses Live-Erlebnis lässt sich weder 1:1 konservieren geschweige denn in einem Wohnraum 1:1 wieder herstellen - die virtuelle Realität ist bei Musik ein frommer Wunsch.
Andererseits klopft das Herz eines verliebten Menschen schneller, auch wenn er sein Gegenüber nur durchs Telefon hört.
Mit einer Wohnzimmeranlage zum Musikhören kann man also nur ein schwaches Abbild des Originals erzeugen. Ein simpler Vergleich des Originals mit dem Abbild ist deshalb nicht möglich. Es geht vielmehr darum, zu beurteilen, ob das unzureichende Abbild des Originals gut oder weniger gut gefällt - und eben diese Beurteilung ist ausschließlich auf subjektivem Wege möglich. Man kann nur versuchen, diese subjektiven Beurteilungen durch statistische und organisatorische Tricks in einen Bezug zueinander zu setzen, also vergleichbar zu machen, denn man kann seinen Höreindruck nicht in absolute Zahlen gießen. Man kann sich zwei Boxen hinstellen und kann z.B. sagen, dass Box1 genauso gut/besser/erheblich besser ist als Box2 oder umgekehrt (mehr als drei Stufen halte ich bei subjektiven Beurteilungen für unsinnig). Diese Vergleiche müssen mit vielen Testpersonen durchgeführt werden, um einzelne Vorlieben zu relativieren.
Um nun eine immerwährende Ratingliste führen zu können, müsste man eigentlich immer wieder jede Box gegen jede andere Box gegenhören, um eine relative Einordnung aller Boxen der Liste zu gewährleisten. Das geht natürlich nicht. Also muss man die Vergleiche auf eine tatsächlich realisierbare Anzahl einschränken, und da fangen die Ungenauigkeiten an. Ein probates Mittel wäre, eine größere Anzahl von Boxen aus unterschiedlichen Einstufungen vorzuhalten und die Neuankömmlinge wieder relativ zu diesen zu beurteilen - und so ähnlich machen das einige Zeitschriften wohl auch. Aber dann geht Zeit ins Land, die Referenzen werden älter, die Entwicklung schreitet voran, die älteren Juroren, die am liebsten Bach und Keith Jarrett gehört haben, gehen in Rente, deren junge Kollegen gehen jedes Wochenende in die Diskothek und hören ganz andere Musik, die Zeitschrift expandiert und zieht in ein anderes Gebäude um...
Und dann ist es auch gar nicht so einfach, den Gesamteindruck einer Box relativ zu einer anderen zu beurteilen. So kommt man schnell auf die Idee, bestimmte Merkmale zu definieren und diese zu beurteilen. Aber wie gewichtet man die einzelnen Merkmale, um eine Gesamtnote zu erhalten? Jede Menge Faktoren, die aus der Ratingliste Makulatur machen könnten.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgen Foren wie z.B. http://www.audioreview.com. Sabotage mal außen vor ist die Bepunktung, genügend Beiträge vorausgesetzt, gar keine schlechte Sache. Wenn man sich dann in einem gewissen Preisrahmen umsieht und feststellt, dass Box1 4,5 von 5 Punkten bekommt und Box2 nur 2 Punkte, dann kann man Box2 schon mal beiseite schieben, denn dann ist die Chance ziemlich groß, dass man (für diesen Preis) auch enttäuscht sein würde.
Das Fazit für mich: Ich kann die Tests nur als Orientierung ansehen. Das ist aber schon eine ganze Menge, weil ich mich sonst im unüberschaubaren Angebot gar nicht zurecht fände. Trotzdem laufe ich Gefahr, dass ich nun gerade die Box übersehe, die mir am besten gefallen hätte, aber so ist es eben. Schlimmstenfalls stelle ich eines Tages fest, dass ich was besseres für den Preis bekommen hätte. Dann muss ich entweder umsteigen oder entscheiden, dass ich mit der etwas weniger guten Box weiter leben kann.
Mit internetten Grüßen
Gerald Vogt
dein Vorschlag zur objektiven Beurteilung von Lautsprecherboxen sieht auf den ersten Blick ganz logisch aus, und z.B. zur Beurteilung von Bildkompressionsverfahren macht man das so ähnlich. Aber diese Aufgabe ist vergleichsweise einfach: das TV-Bild ist schon ein vereinfachtes Abbild des Originals, zweidimensional mit einer festen Anzahl von Bildpunkten und Farb- /Helligkeitswerten.
Bei Musik sieht das etwas anders aus. Wie soll man die Schallquelle Lautsprecher - mal 20, mal 200cm hoch - immer gleich messen? Und mit was für einem Empfänger? Mit einem Mikrophon? Ist das nicht auch unzulänglich, nur ein schwaches Abbild des Ohres?
Und was nutzen einem Messungen im schalltoten Raum, sind doch die Wohnräume, in denen die Boxen nachher spielen sollen, (zum Glück) nicht schalltot.
Ich bin der Überzeugung, dass die Idealvorstellung "Live-Eindruck" weder mit Stereo- noch mit 5/6/7-Kanal-Anlagen zu realisieren ist. In einem Konzert, sagen wir mal Klassik mit großem Orchester und Chor, wirken hunderte einzelne Schallquellen gleichzeitig, aus unterschiedlichen Richtungen und Abständen. Diese Schallquellen mischen sich im Raum zu einem Gesamteindruck, werden reflektiert aus allen Richtungen des Raumes und an allen Gegenständen und Personen im Raum. Und dann kann man als Zuhörer auch noch den Kopf drehen, sich zurücklehnen oder nach vorne beugen, sich einem Solisten zu- oder von ihm abwenden, den Blick auf einen bestimmten Mitwirkenden richten und sich mit seinem Gehörsinn auf dessen Tun konzentrieren usw.
Dieses Live-Erlebnis lässt sich weder 1:1 konservieren geschweige denn in einem Wohnraum 1:1 wieder herstellen - die virtuelle Realität ist bei Musik ein frommer Wunsch.
Andererseits klopft das Herz eines verliebten Menschen schneller, auch wenn er sein Gegenüber nur durchs Telefon hört.
Mit einer Wohnzimmeranlage zum Musikhören kann man also nur ein schwaches Abbild des Originals erzeugen. Ein simpler Vergleich des Originals mit dem Abbild ist deshalb nicht möglich. Es geht vielmehr darum, zu beurteilen, ob das unzureichende Abbild des Originals gut oder weniger gut gefällt - und eben diese Beurteilung ist ausschließlich auf subjektivem Wege möglich. Man kann nur versuchen, diese subjektiven Beurteilungen durch statistische und organisatorische Tricks in einen Bezug zueinander zu setzen, also vergleichbar zu machen, denn man kann seinen Höreindruck nicht in absolute Zahlen gießen. Man kann sich zwei Boxen hinstellen und kann z.B. sagen, dass Box1 genauso gut/besser/erheblich besser ist als Box2 oder umgekehrt (mehr als drei Stufen halte ich bei subjektiven Beurteilungen für unsinnig). Diese Vergleiche müssen mit vielen Testpersonen durchgeführt werden, um einzelne Vorlieben zu relativieren.
Um nun eine immerwährende Ratingliste führen zu können, müsste man eigentlich immer wieder jede Box gegen jede andere Box gegenhören, um eine relative Einordnung aller Boxen der Liste zu gewährleisten. Das geht natürlich nicht. Also muss man die Vergleiche auf eine tatsächlich realisierbare Anzahl einschränken, und da fangen die Ungenauigkeiten an. Ein probates Mittel wäre, eine größere Anzahl von Boxen aus unterschiedlichen Einstufungen vorzuhalten und die Neuankömmlinge wieder relativ zu diesen zu beurteilen - und so ähnlich machen das einige Zeitschriften wohl auch. Aber dann geht Zeit ins Land, die Referenzen werden älter, die Entwicklung schreitet voran, die älteren Juroren, die am liebsten Bach und Keith Jarrett gehört haben, gehen in Rente, deren junge Kollegen gehen jedes Wochenende in die Diskothek und hören ganz andere Musik, die Zeitschrift expandiert und zieht in ein anderes Gebäude um...
Und dann ist es auch gar nicht so einfach, den Gesamteindruck einer Box relativ zu einer anderen zu beurteilen. So kommt man schnell auf die Idee, bestimmte Merkmale zu definieren und diese zu beurteilen. Aber wie gewichtet man die einzelnen Merkmale, um eine Gesamtnote zu erhalten? Jede Menge Faktoren, die aus der Ratingliste Makulatur machen könnten.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgen Foren wie z.B. http://www.audioreview.com. Sabotage mal außen vor ist die Bepunktung, genügend Beiträge vorausgesetzt, gar keine schlechte Sache. Wenn man sich dann in einem gewissen Preisrahmen umsieht und feststellt, dass Box1 4,5 von 5 Punkten bekommt und Box2 nur 2 Punkte, dann kann man Box2 schon mal beiseite schieben, denn dann ist die Chance ziemlich groß, dass man (für diesen Preis) auch enttäuscht sein würde.
Das Fazit für mich: Ich kann die Tests nur als Orientierung ansehen. Das ist aber schon eine ganze Menge, weil ich mich sonst im unüberschaubaren Angebot gar nicht zurecht fände. Trotzdem laufe ich Gefahr, dass ich nun gerade die Box übersehe, die mir am besten gefallen hätte, aber so ist es eben. Schlimmstenfalls stelle ich eines Tages fest, dass ich was besseres für den Preis bekommen hätte. Dann muss ich entweder umsteigen oder entscheiden, dass ich mit der etwas weniger guten Box weiter leben kann.
Mit internetten Grüßen
Gerald Vogt