Genussmensch hat geschrieben:
Zunächst: Ich bin kein Katholik. Die inneren Angelegenheiten der katholischen Kirche und des katholischen Glaubens sind mir im Grunde meines Herzens gleichgültig. Und doch fühle ich mich angesichts mancher Bemerkung in diesem Thread, die sich ja mit der Meinung unserer kritisch-aufgeklärten Medien und dem Lebensgefühl der Spaßgesellschaft weitgehend deckt, zu ein paar grundsätzlichen Bemerkungen veranlasst.
Papstkritik und Kritik an der katholischen Kirche ist hierzulande ein liebgewonnener, harmloser Zeitvertreib. Liebgewonnen, weil man so herrlich im wohlig-wärmenden Mainstream mitschwimmen kann, harmlos, weil von der katholischen Kirche ja heutzutage nun wirklich nichts mehr zu befürchten ist.
Papst- und Kirchenkritik in einen Topf zu werfen mit dem Lebensgefühl der Spaßgesellschaft zeugt m.E. nicht gerade von einem vorurteilsfreiem und sachlichen Umgang mit der Thematik.
Mitschwimmen im Mainstream - es mag einen solchen Strom geben, nur was du dabei verschweigst: der Gegenstrom ist mindestens genauso stark. So wie du du den Kritikern das vorwirfst, kann man dir nun das mitschwimmen im im wohlig-wärmenden Mainstream der Kirchenkritiker-Kritiker vorwerfen - ist es nicht wunderbar, sich in der eigenen "gerechten" Empörung über soviel Kritik und Intoleranz zu sonnen?
Genussmensch hat geschrieben:
Und während man - natürlich unter dem Banner der Toleranz - beschämt und Beschwichtigungen murmelnd wegsieht, wenn fundamentalistischer Eifer anderer Couleur gegen die Grundlagen unserer westlichen, offenen Gesellschaft wütet, ist man allzeit bereit, kübelweise Hohn und Spott über das Oberhaupt der Katholiken auszugießen. Und das ganze läuft unter dem wohlfeilen Motto "Kritik".
Sorry, das ist nun ziemlich inhaltsleere Polemik. Wer ist "man"? Du wirfst alles in einen Topf: "wegsehen", Hohn und Spott speziell gegen den Papst, Kritik. Das läuft letztlich auf üble Unterstellungen hinaus! Mit einer solchen Art zu diskutieren wirst du von mir nicht ernst genommen.
Genussmensch hat geschrieben:
Vielleicht sollte man, wenn man als endaufgeklärter Gegenwartsmensch wieder einmal zu Tribunal sitzt, ein wenig Bescheidenheit üben angesichts einer Institution, die seit zwei Jahrtausenden allen Stürmen der Geschichte widerstanden hat.
"Widerstanden hat" ist gut! Sie hat sie ganz entschieden bestimmt. Nenne mir eine Institution, die in ähnlich verbrecherischer Weise die Geschichte der Menschheit maßgeblich beherrscht hat.
Genussmensch hat geschrieben:
Einer Institution übrigens, die prägend war für unsere Kultur wie keine andere. Vielleicht sollte man sich an die Worte eines ehemaligen deutschen Staatsoberhauptes erinnern: "Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: Golgatha, die Akrropolis in Athen, das Capitol in Rom. Aus allen ist das Abendland geistig gewirkt, und man darf alle drei, man muss sie als Einheit sehen."
Prägend ja. Aber was heißt das? Es ist eine Prägung, die wir schnellstmöglich überwinden sollten, bevor wir mit unserer "Krone der Schöpfung"- und "Macht euch die Erde untertan"-Kultur unsere Lebensgrundlagen endgültig zerstört haben. Und die wirklichen Errungenschaften unserer Zeit: Demokratie, Menschenrechte, Wissenschaft - haben wir die dank dieser Institution oder
trotz dieser Institution?
Genussmensch hat geschrieben:
Alle großen Gestalten der europäischen Geschichte haben sich über Jahrhunderte in der ein oder anderen Weise zu dieser Institution verhalten: sie verteidigt, sie reformiert, sich an ihr gerieben, sich mit ihr gemessen, gegen sie gekämpft - haben mit anderen Worten ihre geistige Prägung in der nie endenden Auseinandersetzung mit dieser uralten Institution und ihren Dogmen gewonnen. Und nun kommen wir müden, wohlstandsschwangeren Jetztzeitbesiedler und verkünden tapfer Wahrheiten wider den mittelalterlichen Aberglauben! Wie Karl Kraus so treffend bemerkte: Es gibt Wahrheiten, durch deren Aussprechen man beweisen kann, dass man keinen Geist hat.
Das sind rhetorische Beliebigkeiten. Den Satz könnte man variieren ohne das er mehr oder weniger Inhalt erhält. "Und nun kommen wir müden, wohlstandsschwangeren Jetztzeitbesiedler und verkünden tapfer Wahrheiten für den mittelalterlichen Aberglauben! Wie Karl Kraus so treffend bemerkte: Es gibt Wahrheiten, durch deren Aussprechen man beweisen kann, dass man keinen Geist hat."
Genussmensch hat geschrieben:
Ohne Zweifel hat die katholische Kirche in vergangenen Zeiten Unrecht auf sich geladen. Wie so viele andere menschlichen Institutionen auch. Das Christentum weiß von der sündigen Natur des Menschen, oder - säkular formuliert - von der Fehlbarkeit des Menschen. Oder wie Golo Mann schrieb: Auf den Menschen ist kein Verlass.
Wie begründest du die Einschränkung auf "vergangene Zeiten"? Eines der großen noch andauernden Verbrechen der Kirche an der Menschlichkeit ist gerade dieses Menschenbild, das sie verbreitet und das du hier so selbstverständlich übernimmst. Der Mensch ist nichts, Sünde, Dreck, er muss blind glauben, dann wird er durch Gott gerechtfertigt. Dieses Menschenbild wirkt bis heute, auch bei Nicht-Gläubigen - und es wirkt verheerend!
Genussmensch hat geschrieben:
Der katholischen Kirche wird gerne vorgeworfen, sie sei dogmatisch. Ein zweifellos origineller Vorwurf an eine Glaubensgemeinschaft. In der Tat, Dogmen tragen den Keim der Intoleranz in sich. Alle Dogmen, wie uns das 20. Jahrhundert nur allzu blutig gelehrt hat. Die schlimmsten Verbrechen, die Menschen einander angetan haben, wurden unter dem Banner säkularer, ja teils bewusst atheistischer Dogmen verübt. Ein jeder stelle sich die Frage, was denn wohl an die Stelle dessen treten könnte, was er - so en passant - verächtlich machen zu müssen meint.
Wenn ich Dogmatismus verächtlich mache - ja, was bleibt dann? Was tritt an die Stelle von Dogmatismus? Zumindest mal nicht Dogmatismus. Es ist völlig egal ob das katholischer oder atheistischer Dogmatismus ist, beides ist m.E. gleichermaßen zu verurteilen. Nur gibt es halt keinen atheistischen Papst. Und wir zahlen auch nicht automatisch Steuern an den Atheismus. Und wir müssen uns auch nicht anhören, der Atheismus sei die Grundlage unserer Kultur, wir haben keine Parteien mit dem großen A im Namen, etc. Von wegen "mitschwimmen" - klar wir könnten uns hier über den Dogmatismus irgendwelcher Ayatollas oder Muftis auslassen, da käme wenig Widerstand, da wären wir uns hier wunderbar einig. Aber wir müssen vor der eigenen Haustüre kehren! Das ist das Gegenteil von "mitschwimmen" - viele Menschen reagieren genau wie du, empört dass man es wagen kann diese "edle" Institution nicht ernstzunehmen; Gegenwind und Unverständnis sind vorprogrammiert.
Hier bei uns muss man sich mit dem Dogmatismus anlegen, auch wenn man sich damit keine Freunde macht!
Und um das nochmal klar zu stellen: Dogmatischer Atheismus, egal ob im ideologischen (Kommunismus) oder wissenschaftlichen Gewand (Dawkins) ist das gleiche in Grün. Es geht nicht um die Ablehnung von Religion! Es geht um die Ablehnung von Dogmatismus, von Alleinvertretungsansprüchen, von Diskriminierung Andersgläubiger, von Unfehlbarkeit etc.
Genussmensch hat geschrieben:
Nimmt man den Menschen einen (Aber-)Glauben, wird ein anderer an seine Stelle treten, wusste schon Friedrich II (diesmal der Preuße). Dreifach sei der Ausspruch Kants unterstrichen: "Sapere aude! Habe Mut, Dich Deines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen!" Oder, wie horch! formulierte: "Es lebe der Zweifel!"
Ziemlich widersprüchlich! Nur Zitate, aber man solle sich des Verstandes ohne Leitung eines anderen bedienen? Letztlich wird mir nicht klar, wofür mein Zitat hier vereinnahmt wurde...
Genussmensch hat geschrieben:
Und doch: Tut es unserer relativistischen, konsumorientierten, geschichtsvergessenen und bildungsfernen Gegenwart nicht manchmal gut, wenn sperrige Dogmen aus längst vergangenen Zeiten als Stachel in das Fleisch unserer Gegenwart hineinragen?
Das ist nun ein Satz, den kann ich drehen und wenden wie ich will - keine Ahnung was er mir sagen. Hat dieser Satz einen Sinn?
Genussmensch hat geschrieben:
Wenn sie uns daran erinnern, dass es noch eine tiefere Dimension, dass es letzte Fragen des Seins gibt? Ich meine ja.
Dafür brauche ich definitiv keine alten Dogmen als Stachel im Fleisch! Nein, definitiv nicht!