Hallo OL-DIE,
da sind wir ja einer Meinung bezüglich heutiger High-Tech Kunststoffe.
Aber jetzt mal die Frage, warum verwenden dann viele Lautsprecherhersteller Chassiskörbe aus Metall für die Tieftöner? Die Klirrneigung hochfester Kunststoffkörbe sollte doch dort dann einem Blech- oder Aluminiumkorb ebenfalls überlegen sein. Und meines Wissens stehen heute Kunststoffe zur Verfügung, die Metallen überlegen sein können.
Hallo Vinylman,
ich bin mir nicht sicher, ob wir einer Meinung sind. Denn für die Montageplatte des Hochtöners braucht es keinen wirklichen High-Tech-Kunststoff. Unter High-Tech-Kunststoff verstehe ich einen, der beispielsweise extrem temperaturbeständig, schlagzäh oder hochfest ist. Und das sind dann meistens sogenannte Verbundwerkstoffe, also solche, bei denen in die Kunststoffmasse Glasfasern, Kohlenstofffasern oder Metallfasern eingebettet sind.
Keine der oben genannten Anforderungen ist aber für die Hochtöner-Montageplatte wirklich erforderlich!
Für den Korb des Tieftöners hingegen gelten andere Bedingungen. An den Korb des Tieftöners sind wohl vor allem folgende Anforderungen zu stellen:
- Hohe Festigkeit, insbesondere Zugfestigkeit des Werkstoffes
- Hohe Biegesteifigkeit
- Erhöhte Wärmebeständigkeit
- Höhere Dichte
Die hohe Festigkeit leite ich aus der Notwendigkeit ab, die Streben am Korb möglichst dünn auszuführen. Die Streben sollten deswegen dünn sein, weil eine Tieftönermembran große Hübe ausführen muss, viel Luft bewegt wird und diese strömungsgeräuscharm an den Streben vorbeistreichen muss. Sonst könnte das Chassis eventuell bei großen Hüben „hinter der Membran“ etwas unsauber klingen. Solche zierlichen Streben würde ich aus Kunststoff mit Sicherheit nicht machen wollen!
Weiterhin benötigen gute Tieftöner schwere Magnete wegen der relativ großen bewegten Masse der Membran. Ein Kunststoffkorb wäre mir für diesen Anwendungsfall definitiv zu „schlabberig“.
Da viele Kunststoffe außerdem zum Kriechen neigen (ähnlich wie Reinaluminium) würde das Gewicht des Magneten das Chassis irgendwann „hinten runterhängen lassen“. Dadurch verändert sich die Position der Spule im Luftspalt und im Extremfall könnte die Schwingspule streifen. Das ergäbe ein deutliches Schnarren auch bei geringen Membranhüben. Damit wäre der Tieftöner unbrauchbar.
Beschleunigt wir der Prozess des Kriechens noch durch erhöhte Temperaturen. Erhöhte Temperaturen können durch hoch belastete Schwingspulen in Tieftönern auftreten. Auch deswegen ist mir ein Metallkorb beim Tieftöner wichtig.
Metallgusskörbe haben im Vergleich zu Stahlblechkörben den Vorteil, bei der Serienfertigung auch komplizierte Strebengeometrien zu ermöglichen. Überhaupt sind dann viel aufwändigere Geometrien auch im Bereich der Membranaufhängung möglich.
Spritzgusskörbe für Tieftöner sind natürlich auch in Kunststoff möglich, aber dann besteht weiterhin das Problem des Kriechens. Das ist für mich ein Ausschlusskriterium!
Interessant fände ich einen Gusskorb für Tieftöner aus schlichtem Gusseisen. Auch in Hinblick auf eine hier eventuell geforderte Schwingungsdämpfung.
Allerdings hat auch das Gusseisen Nachteile. Der Hauptnachteil ist seine hohe Sprödigkeit. Bei schlagartiger Beanspruchung (z. B. grobmotorischer Transportmann) könnte der Gusskorb im Bereich der Streben durch das Magnetgewicht abreißen. Also müsste die Konstruktion relativ massiv ausfallen.
Also alles nicht so ganz einfach.
Gruß
OL-DIE