Die Fortsetzung der
"Mega-Derrick-Sause"
Cover der Derrick Collectors Box 4, welche die Folgen 46-60 enthält
Folge 58 - Tandem (Deutschland 1979)
Ewald Bienert (Stefan Behrens) spielt in seiner Stammkneipe Billard. Plötzlich bemerkt er, dass er schon längst wieder zuhause sein sollte, wie es mit seiner Ehefrau abgesprochen war. Als er seine Gattin aus der Gaststätte anruft, scheint diese am anderen Ende der Leitung bedroht zu werden. Aufgebracht will Bienert sofort nach dem Rechten sehen, der Wirt (Dirk Dautzenberg) fährt den jungen Mann zu dessen Wohnort, wo sein Gast die Leiche seiner Frau vorfindet. Derrick schöpft sofort Verdacht, er vermutet Bienert steckt hinter dem Mord. Tatsächlich bringen die Ermittlungen sehr schnell die düstere Vergangenheit des frischen Witwers an Licht, der vor seiner Heirat eine langjährige Haftstrafe verbüsste. Kaltherzig steht Bienert dazu seine Frau nur wegen deren Geld geehelicht zu haben, eine Beteilung am Mord streitet er aber mit aller Vehemenz ab. Weitere Nachforschungen bringen Derrick und Klein auf die Spur eines gewissen Rudolf Nolde (Raimund Harmstorf), der sich einst mit Bienert eine Zelle teilte. Auch Nolde hat eine wohlhabende Frau (Elisabeth Wiedemann) geheiratet, weitere Überlegungen lassen den Kriminalbeamten die Haare zu Berge stehen...
Stefan Behrens gelingt die Darstellung des kalt-berechnenden Burschen sehr überzeugend, während sich Raimund Harmstorf von einer überraschend gefühlvollen Seite zeigen darf. Besonders das Zusammenspiel von Harmstorf und Elisabeth Wiedemann beeindruckt, das ungleiche Paar spielt hervorragend auf. Wiedeman stellt souverän unter Beweis, dass sie viel mehr als "Else Tetzlaff" kann. Dirk Galuba ist als abgebrühter Versicherungsvertreter unterwegs, Dirk Dautzenberg gibt einen knarzigen Wirt zum Besten. Der bewährte Ulrich Beiger taucht in einer kleinen Rolle auf, Charakterkopf Dan van Husen spielt Billard gegen Stefan Behrens. Wie gewohnt stand ein starkes Ensemble vor der Kamera.
Zbynek Brynych verzichtet auf Krawall und Popanz, die Inszenierung bleibt stets nah an den zentralen Figuren. "Tandem" ist für "Hobbyermittler" auf den ersten Blick weniger interessant, denn die Schuldfrage scheint von Anfang klar zu sein. Doch ganz ohne eine (sehr gelungene) Wendung kommt diese Folge nicht aus, das Finale bietet dem Zuschauer einen warmherzigen, hoffnungsvollen Fingerzeig auf die Zukunft, ohne dabei in kitschige Gefilde abzudriften. Aufhorchen liess mich der Score von Frank Duval, der überraschend düster und faszinierend klingt. Für meinen Geschmack die eindeutig beste Arbeit, welche mir bisher von Duval zu Ohren kam.
7,5/10 (gut bis sehr gut)
Folge 59 - Lena (Deutschland 1979)
Wolfgang Horn (Rolf Becker) macht seiner Ex-Frau ständig Stress, verlangt mehr Zeit mit der gemeinsamen Tochter Agnes (Heike Goosmann). Eines Tages kommt es zu einer heftigen Streiterei vor der Schule des Kindes, Horn wird seiner geschiedenen Frau gegenüber handgreiflich. Für den Nachmittag wird der aufbrausende Horn von seiner Ex-Gattin in deren Haus bestellt, dort findet er diese zu seinem Schrecken tot auf. Auch Lena (Ursula Lingen) wohnt im Haus, sie ist die gehörlose Schwester des Mordopfers. Wenig später taucht der Rechtsanwalt Dr. Voss (Romuald Pekny) auf, der dem Termin der geschiedenen Eheleute beiwohnen sollte. Alles deutet auf Wolfgang Horn als Täter hin, Derrick nimmt den Verdächtigen fest. Am nächsten Tag macht Lena jedoch eine wichtige Aussage bei der Polizei, sie habe einen unbekannten Mann kurz vor dem Zeitpunkt der Tat auf dem Grundstück gesehen. Wolfgang Horn wird durch diese Aussage entlastet, aber Derrick bleibt am Ball, behält Horn und Lena im Auge...
Rolf Becker gehört heute zur Stammbesetzung der erfolgreichen Serie "In aller Freundschaft", die seit einigen Jahren als Dauerbrenner im Ersten zu sehen ist. In dieser Derrick-Folge präsentiert er sich von einer anderen Seite, darf herrlich unbeherrscht aufspielen. Noch eindrucksvoller gerät der Auftritt von Ursula Lingen, deren Darbietung als Gehörlose auf mich sehr glaubwürdig wirkt. Romuald Pekny spielt den Rechtsanwalt mit angemessener Sachlichkeit, Joachim Wichmann sehen wir als knurrigen Chef einer Autowerkstatt. Rudolf Schündler taucht als freundlicher Händler auf, Paul Muller ist als Geschäftspartner von Rolf Becker zu sehen. Über Mullers Mitwirkung habe ich mich ganz besonders gefreut, ich kenne ihn aus einigen Filmen des geschätzten Jess Franco.
Diese von Theodor Grädler inszenierte Folge haut eine Auflösung raus die extrem banal anmutet, dabei aber nicht minder tragisch und treffsicher über den Bildschirm huscht. Noch interessanter als die Aufklärung des Mordfalls, ist ohne Zweifel die nachvollziehbar und sehr hochklassig gespielte Entwicklung der Charaktere Lena und Wolfgang Horn. Wären Ursula Lingen und Rolf Becker weniger begabte Schauspieler, hätte die Folge ein gewaltiger Schlag ins Wasser werden können (Ein durchaus reizvoller Gedanke, denn auch unfreiwilliger Murks kann sehr unterhaltsam sein). Von Murks kann jedoch nicht die Rede sein, denn "Lena" ist eine sehr gut gespielte und handwerklich gekonnt ausgeführte Folge.
7,5/10 (gut bis sehr gut)