Hier der Test in der FAZ:
Tiefbaß ohne Nebenwirkung
Ein Gespann aus Regalbox und Filter zaubert eine fundamentale Oktave ins Wohnzimmer / Satte und luftige Bässe wie aus der Standbox
Wunder gibt es immer wieder, jedenfalls in den Prospekten der Lautsprecherhersteller: Winzige Schallwandler-Schachteln, so heißt es da, tönten mit machtvollen Bässen, saftiger noch als so mancher vierschrötige Kasten, der mit seiner aufdringlichen Präsenz den freien Blick durch das Wohnzimmer verstellt. Natürlich weiß der Kenner, daß all dies so viel Wahrheitsgehalt hat wie Grimms Märchen. Deshalb reagiert er mit angemessener Skepsis auf alles, was auf solche Art der Physik-Überlistung hinausläuft. Zum Beispiel auch auf eine Offerte des schwäbischen Lautsprecher-Tüftlers Nubert (Direktvertrieb:
www.nubert.de), der ein elektronisches Baß-Linearisierungsmodul anbietet, mit dem er aus einer kompakten Zweiwege-Regalbox satte Tiefschwinger so um die 40 Hertz herauszulocken behauptet. Das wollten wir erstmal hören.
Die Box, um die es sich da handelt, heißt Nuline 30. Sie arbeitet mit einer 2,5 Zentimeter großen Hochtonkalotte aus feinem Textil und einer 14 Zentimeter großen Kunststoffmembran für den Tief-Mittelton-Bereich. Beide Aggregate stecken in einem sauber verarbeiteten, in Buchenholz furnierten Baßreflexgehäuse. Der wahre Schatz dieser Boxen liegt im Inneren verborgen: eine ungewöhnlich komplexe und mit erstklassigen Bauteilen ausgerüstete Frequenzweiche, der Nubert sogar noch einen von außen zugänglichen Umschalter spendiert hat. Damit läßt sich der Präsenzbereich von 2,5 bis 5 Kilohertz um subtile zwei Dezibel absenken - ganz nach Raumakustik und Hörgeschmack.
Das Baß-Linearisierungsmodul heißt ABL-3/30, sitzt in einem silbernen Aluminium-Gehäuse und funktioniert aktiv, wird also in den Verstärker-Signalweg, zum Beispiel zwischen Vor- und Endstufe, eingeschleift. Die Philosophie ist simpel: Unterhalb von 100 Hertz fällt der Übertragungsbereich von Boxen des beschriebenen Kalibers sanft und allmählich ab. Das Filter im Linearisierungsmodul spiegelt diesen Frequenzverlauf einfach, was natürlich nur bis zu einer bestimmten unteren Grenze, also so um die 40 Hertz, sinnvoll ist. Das theoretische Resultat sieht so aus: Der Übertragungsbereich des Tieftöners bleibt bis etwa 45 Hertz linear und fällt erst unterhalb dieser Marke ab - dann allerdings so steil wie eine Felswand am Matterhorn. Mit einem kleinen Regler auf der Vorderseite kann man festlegen, ob zum Linearisierungseffekt noch eine weitere Baßportion hinzukommen soll. Darüber hinaus hat das Kästchen noch einen Treble-Regler. Der nimmt auf Wunsch allzu aggressive Höhen weg - und zwar auf ungewöhnliche Weise: Statt nur den Obertonbereich zu kappen, wie es die Klangregler in Verstärkern tun und damit oft unschön in die Balance der Klangfarben eingreifen, kippt das Filter den gesamten Frequenzgang von den Bässen an in einer leichten Schräge nach unten - bis hin zu einer maximalen Höhendämpfung von etwa sechs Dezibel bei 20 Kilohertz. Nach der gleichen, an sich sehr naheliegenden Methode arbeitete übrigens die berühmte "Tilt"-Klangwaage in den legendären Quad-Vorverstärkern der siebziger Jahre.
Im Hör-Check spielten die Boxen zunächst ohne Einwirkung des Filters - und machten schon mal einen ausgezeichneten Eindruck: Die handlichen Nuberts spielen außergewöhnlich neutral, temperamentvoll und präzise - sie sind ein heißer Tip für wirklich anspruchsvolle Genießer aller denkbaren Musikgattungen, zumal die kompakten Lautsprecher selbst angesichts hoher Pegel stets die Akkuratesse und die Fähigkeit zu Feinzeichnung und Transparenz wahren. Mit eingeschaltetem Baßfilter gewinnt das Klangbild dann noch einmal fast eine ganze Oktave hinzu. Es ist verrückt: Wer die Wiedergabe von Boxen überschaubarer Größe gewohnt ist, vermißt diesen so wichtigen fundamentalen Anteil der Musik gar nicht sonderlich. Erst wenn diese akustische Information auf einmal da ist und dem musikalischen Gesamtgeschehen Kraft, Volumen und ganz einfach körperlich spürbare Echtheit verleiht, möchte man sie nie mehr missen. Die Nubert-Lösung funktioniert bemerkenswert: Der elektronisch erzwungene Baß wirkt so luftig und selbstverständlich, als käme er aus einer großen Standbox. Der Eindruck ist überhaupt nicht zu vergleichen mit den zumeist dröhnenden und durchaus nicht zu echtem Tiefbaß führenden Resultaten, die man erzielt, wenn man den Baßregler am Verstärker aufdreht. Das ganze schwäbische Gespann ist also wirklich eine tolle Sache - nicht unbedingt für Leute, die auf Kleinkaliber spekulieren, um Geld zu sparen: Das Boxenpaar kostet immerhin angemessene 552 Euro, und das Filter schlägt zusätzlich mit 230 Euro zu Buche. Aber wer Hemmungen hat, im Wohnzimmer Lautsprecherschränke zu installieren, kann deren Klangmeriten tatsächlich mit einem kleinen silbernen Kästchen auf veritables Kleinholz übertragen.
WOLFGANG TUNZE
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.02.2002, Nr. 42 / Seite T6