CD der Woche: Kirlian Camera - Pictures from Eternity
Verfasst: So 31. Jul 2005, 17:19
Der vollständige Titel der neuen "CD der Woche" lautet: Pictures from Eternity - Bilder aus der Ewigkeit. Der deutsche Untertitel zollt wohl der Tatsache Tribut, dass Kirlian Camera besonders im deutschsprachigen Raum, einen recht hohen Bekanntheitsgrad in der "Schwarzen Szene" innehaben. Trotzdem werden sich viele Leser nun fragen, wer zur Hölle denn nun Kirlian Camera sind. Über Gruftiekreise hinaus, ist die Band kaum bekannt, und nur in den üblichen Gruftieblättchen von den Schreiberlingen beachtet, und dort auch durchaus geachtet. Lediglich als man der Band bzw. deren Gründer rechtsradikale Umtriebe unterstellte, nahm auch eine etwas breitere Öffentlichkeit davon Notiz. Ich halte diese Anschuldigungen für absurd. Hätte ich auch nur einen leichten Verdacht in dieser Richtung, würde ich der Band um den exzentrischen Angelo Bergamini, sicherlich keine weitere Beachtung schenken.
Gegründet wurden Kirlian Camera im Jahre 1980, vom bereits genannten Angelo Bergamini. Der Song "Blue Room" war ein kleiner Hit. Das damalige Plattenlabel wollte Bergamini auf dieser recht kommerziellen Schiene festnageln, allerdings schwebte diesem völlig andere Musik vor. Logischerweise kam es daher zum Bruch mit dem Label. Mit wechselnder Mannschaft veröffentlichte Bergamini sein Material bei kleinen Plattenfirmen. Bei einigem Material setzt er gerne elektronische Effekte zur Verfremdung seiner Stimme ein, die zugänglicheren Stücke werden meist von einer angenehmen Frauenstimme vorgetragen. Während der Neunziger Jahre war dies die Stimme von Emilia Lo Jacono, die auch maßgeblichen Anteil an der Musik und teilweise Produktion hatte.
Welche Art von Musik erwartet den Hörer? Es gibt immer wieder ruhige Stücke mit wundervollen Keyboardteppichen, manchmal tanzbares Material, aber auch bizarre, experimentelle Soundcollagen. Man sollte sich nicht davon abschrecken lassen, dass man Kirlian Camera in die "Gruft-Schublade" packt. Wir haben es hier mit stilvoller, überwiegend elektronischer Musik zu tun, deren Stimmung zwischen melancholisch, depressiv und manchmal agressiv wechselt. Das hier besprochene Album bietet dem Einsteiger ein, für Kirlian Camera Verhältnisse, recht zugängliches Album. Erst im späteren Verlauf wird die Musik teils sperriger. Es herrscht oft eine betörende Melancholie, tanzbares Material findet man auf diesem Album (fast) nicht.
Wer meine Rezis verfolgt wird wissen, dass ich ein Musik-Junkie bin. Natürlich ist es auch mein Wunsch, dass auf meiner Beerdigung Musik gespielt wird. Beide Songs finden sich auf diesem Album. Das liest sich nun wirklich sehr morbide, und ich hoffe doch, noch einige Jahre auf diesem schönen Planeten zu verbringen. Da ich aber in den letzten Jahren leider an einigen Beerdigungen teilnehmen musste, kamen mir diese Gedanken in den Schädel. Ich will nicht dieses übliche "rumgeorgel". So werden wenigstens alle Gäste gezwungen, sich "meine" Musik anzuhören. Nun aber genug von diesen grotesken Ausflügen...
Los geht es. Der erste Song "Ascension" ist in seiner Schönheit kaum mit Worten zu erfassen. Dichte Keyboardteppiche, ein gemächlicher, elektronischer Rhythmus und dazu Emilias wundervoller Gesang. Von diesem Stück kann ich nie genug bekommen, aber es werden ebenbürtige Tracks folgen. "I am the Light" wird dann ein wenig schräger, Angelo Bergamini übernimmt den (Sprech)Gesang. Ein ebenfalls sehr gelungenes Stück, es braucht nur ein paar Durchläufe um zu zünden. "Nimetön Kirje" ist ein kleines Zwischenspiel, bei dem die Vocals rückwärts abgespielt werden. Dann folgt es, ein unglaublich schönes Stück, auf Augenhöhe mit dem Opener des Albums. "Your Face in the Sun" ist ähnlich wie "Ascension" aufgebaut. Emilia singt fantastisch, man möchte dazu entschweben. Nun wisst ihr auch, welche beiden Stücke es bei meiner Himmelfahrt, den Gästen in die Gehörgänge gesalbt werden. "Kaalk" ist ein schönes Instrumental, je nach Laune des Hörers, verbreitet es eine leicht mystische Stimmung. "Die Vergessenen" ist eine Art Prolog zum nachfolgenden "Wasted Bridges". Ich wiederhole mich hier ganz bewusst: Einfach nur wunderschön!!! Danach gibt es gleich nochmal Melancholie von ihrer schönsten Seite zu hören: "The End of Day".
Nun wird das Album sperriger, aber nicht minder interessant. "USSR 1972" klingt wie eine finstere, bizarre Version des Intros zu "Welcome to the Machine" von Pink Floyd. Nur viel verschrobener und bedrohlicher. "Along the Avenues of Hell" ist dann wieder etwas einfacher zugänglich, aber hier herrscht nicht diese wundervolle Melancholie der ersten Hälfte des Albums vor. Die Stimmung ist viel mehr bedrohlich, beängstigend. Ein sehr intensiver und gelungener Song. Dann tut Bergamini etwas, was ich jedem anderen als Sakrileg anlasten würde. Bei "Ascension - Kuolema" zerlegt er den wundervollen Opener des Albums in seine Bestandteile, der Song verwandelt sich in eine verstörende Klangmasse, und bleibt trotzdem erstklassig! Eine wahre Meisterleistung! "Meine Nächte sind heiser zerschrien..." ist dann doch ein wenig tanzbar, finster und kommt in deutscher Sprache daher. Bergaminis Aussprache ist nicht immer leicht zu folgen, aber gerade das macht den Song sehr interessant. "Berlin VIII" ist sehr schleppend, Bergamini trägt einen Text von Georg Heym vor. Ebenfalls sehr fasziniend, man muss sich nur darauf einlassen können. "Tauko" beginnt finster und klingt mit Chorgesang aus. Ein idealer Schlusspunkt für ein einzigartiges Werk.
Auch nach neun Jahren, packt mich diese Scheibe immer wieder mit ihrer unglaublichen Intensität.
Weitere Empfehlungen:
Eclipse Das Schwarze Denkmal (1988) - Starkes Album, der Titelsong ist ein wahrer Klassiker.
Todesengel The Fall of Life (1991) - Mit der sehr grufitigen Coverversion des Ultravox Klassikers "Vienna", und einer bizarren Coverversion von Queens "We will rock you".
Schmerz (1992) - Schmerzhaft und schön!
The Ice Curtain (1998) - Tolles Best-Of, kommt als schön ausgestattete Doppel-CD.
Still Air - Aria Immobile (2000) - Sperrig und finster. Starkes Album, aber für Einsteiger vermutlich zu extrem.
Invisible Front 2005 (2004) - Etwas leichter zugänglich, und recht abwechslungsreich.
Manchmal kann es etwas Mühe kosten, die CDs von Kirlian Camera aufzutreiben. Aber es lohnt sich!!! Es gibt auch einige interessante EPs, auf die ich hier aber nicht weiter eingehe.
Gegründet wurden Kirlian Camera im Jahre 1980, vom bereits genannten Angelo Bergamini. Der Song "Blue Room" war ein kleiner Hit. Das damalige Plattenlabel wollte Bergamini auf dieser recht kommerziellen Schiene festnageln, allerdings schwebte diesem völlig andere Musik vor. Logischerweise kam es daher zum Bruch mit dem Label. Mit wechselnder Mannschaft veröffentlichte Bergamini sein Material bei kleinen Plattenfirmen. Bei einigem Material setzt er gerne elektronische Effekte zur Verfremdung seiner Stimme ein, die zugänglicheren Stücke werden meist von einer angenehmen Frauenstimme vorgetragen. Während der Neunziger Jahre war dies die Stimme von Emilia Lo Jacono, die auch maßgeblichen Anteil an der Musik und teilweise Produktion hatte.
Welche Art von Musik erwartet den Hörer? Es gibt immer wieder ruhige Stücke mit wundervollen Keyboardteppichen, manchmal tanzbares Material, aber auch bizarre, experimentelle Soundcollagen. Man sollte sich nicht davon abschrecken lassen, dass man Kirlian Camera in die "Gruft-Schublade" packt. Wir haben es hier mit stilvoller, überwiegend elektronischer Musik zu tun, deren Stimmung zwischen melancholisch, depressiv und manchmal agressiv wechselt. Das hier besprochene Album bietet dem Einsteiger ein, für Kirlian Camera Verhältnisse, recht zugängliches Album. Erst im späteren Verlauf wird die Musik teils sperriger. Es herrscht oft eine betörende Melancholie, tanzbares Material findet man auf diesem Album (fast) nicht.
Wer meine Rezis verfolgt wird wissen, dass ich ein Musik-Junkie bin. Natürlich ist es auch mein Wunsch, dass auf meiner Beerdigung Musik gespielt wird. Beide Songs finden sich auf diesem Album. Das liest sich nun wirklich sehr morbide, und ich hoffe doch, noch einige Jahre auf diesem schönen Planeten zu verbringen. Da ich aber in den letzten Jahren leider an einigen Beerdigungen teilnehmen musste, kamen mir diese Gedanken in den Schädel. Ich will nicht dieses übliche "rumgeorgel". So werden wenigstens alle Gäste gezwungen, sich "meine" Musik anzuhören. Nun aber genug von diesen grotesken Ausflügen...
Los geht es. Der erste Song "Ascension" ist in seiner Schönheit kaum mit Worten zu erfassen. Dichte Keyboardteppiche, ein gemächlicher, elektronischer Rhythmus und dazu Emilias wundervoller Gesang. Von diesem Stück kann ich nie genug bekommen, aber es werden ebenbürtige Tracks folgen. "I am the Light" wird dann ein wenig schräger, Angelo Bergamini übernimmt den (Sprech)Gesang. Ein ebenfalls sehr gelungenes Stück, es braucht nur ein paar Durchläufe um zu zünden. "Nimetön Kirje" ist ein kleines Zwischenspiel, bei dem die Vocals rückwärts abgespielt werden. Dann folgt es, ein unglaublich schönes Stück, auf Augenhöhe mit dem Opener des Albums. "Your Face in the Sun" ist ähnlich wie "Ascension" aufgebaut. Emilia singt fantastisch, man möchte dazu entschweben. Nun wisst ihr auch, welche beiden Stücke es bei meiner Himmelfahrt, den Gästen in die Gehörgänge gesalbt werden. "Kaalk" ist ein schönes Instrumental, je nach Laune des Hörers, verbreitet es eine leicht mystische Stimmung. "Die Vergessenen" ist eine Art Prolog zum nachfolgenden "Wasted Bridges". Ich wiederhole mich hier ganz bewusst: Einfach nur wunderschön!!! Danach gibt es gleich nochmal Melancholie von ihrer schönsten Seite zu hören: "The End of Day".
Nun wird das Album sperriger, aber nicht minder interessant. "USSR 1972" klingt wie eine finstere, bizarre Version des Intros zu "Welcome to the Machine" von Pink Floyd. Nur viel verschrobener und bedrohlicher. "Along the Avenues of Hell" ist dann wieder etwas einfacher zugänglich, aber hier herrscht nicht diese wundervolle Melancholie der ersten Hälfte des Albums vor. Die Stimmung ist viel mehr bedrohlich, beängstigend. Ein sehr intensiver und gelungener Song. Dann tut Bergamini etwas, was ich jedem anderen als Sakrileg anlasten würde. Bei "Ascension - Kuolema" zerlegt er den wundervollen Opener des Albums in seine Bestandteile, der Song verwandelt sich in eine verstörende Klangmasse, und bleibt trotzdem erstklassig! Eine wahre Meisterleistung! "Meine Nächte sind heiser zerschrien..." ist dann doch ein wenig tanzbar, finster und kommt in deutscher Sprache daher. Bergaminis Aussprache ist nicht immer leicht zu folgen, aber gerade das macht den Song sehr interessant. "Berlin VIII" ist sehr schleppend, Bergamini trägt einen Text von Georg Heym vor. Ebenfalls sehr fasziniend, man muss sich nur darauf einlassen können. "Tauko" beginnt finster und klingt mit Chorgesang aus. Ein idealer Schlusspunkt für ein einzigartiges Werk.
Auch nach neun Jahren, packt mich diese Scheibe immer wieder mit ihrer unglaublichen Intensität.
Weitere Empfehlungen:
Eclipse Das Schwarze Denkmal (1988) - Starkes Album, der Titelsong ist ein wahrer Klassiker.
Todesengel The Fall of Life (1991) - Mit der sehr grufitigen Coverversion des Ultravox Klassikers "Vienna", und einer bizarren Coverversion von Queens "We will rock you".
Schmerz (1992) - Schmerzhaft und schön!
The Ice Curtain (1998) - Tolles Best-Of, kommt als schön ausgestattete Doppel-CD.
Still Air - Aria Immobile (2000) - Sperrig und finster. Starkes Album, aber für Einsteiger vermutlich zu extrem.
Invisible Front 2005 (2004) - Etwas leichter zugänglich, und recht abwechslungsreich.
Manchmal kann es etwas Mühe kosten, die CDs von Kirlian Camera aufzutreiben. Aber es lohnt sich!!! Es gibt auch einige interessante EPs, auf die ich hier aber nicht weiter eingehe.