CD der Woche: Fates Warning - Disconnected
Verfasst: Mo 8. Aug 2005, 14:14
Fates Warning veröffentlichten ihr Debut "Night on Bröcken" im Jahre 1984. Albernes Cover, aber ganz nette, von Iron Maiden beinflusste Mucke, so ungefähr war damals mein Eindruck. Während andere "Amibands" wie Exodus, Slayer oder Metallica wohl unbedingt härter, böser, agressiver und schneller als ihre englischen Vorbilder der NWOBHM (Iron Maiden, Judas Priest, Saxon etc.) spielen wollten, legten Fates Warning mehr Wert auf Niveau, Komplexität und Atmosphäre. Bereits das zweite Album "The Spectre within" stellte einen grossen Schritt nach vorne dar. Mit Album Nummer Drei, dem Underground-Klassiker "Awaken the Guardian", fand die Entwicklung der frühen Fates Warning ihren Höhepunkt.
Nach diesem Album wurde der Sänger John Arch gegen Ray Alder ausgetauscht. Damals für viele Fans ein harter Schlag, aus heutiger Sicht wohl ein gute Entscheidung. (Ohne die Qualität von Arch schmälern zu wollen, muss man Ray Alder wohl eine vielschichtigere Stimme zugestehen.) Es folgten einige interessante Alben, aber erst im Jahre 1997 konnten mich Fates Warning wirklich in ihren Bann ziehen. "A pleasant Shade of Gray" erschien. Ein sehr intensives, geschlossenes Album das den Hörer mit jedem Durchlauf weiter in sich aufsaugt. Welchen Stil pflegen Fates Warning denn nun, wird sich vielleicht mancher Leser fragen, der mit der Band noch keinen Kontakt hatte. Ist das Metal? Ist das Progressive-Metal? Progressive-Metal trifft es wohl recht gut, wobei mir diese Schublade etwas zu eng für die neueren Werke erscheint. Wen beim Wort "Metal" sofort das Grausen packt, aber mit anspruchsvoller Musik und harten, aber gefühlvoll gespielten Gitarren trotzdem etwas anfangen kann, sollte auf jeden Fall mal reinhören. Hier erwarten euch keine hohlen "Sauf&Kill&Fuck Texte", kein Gekloppe, und kein Gekeife oder gar Gegrunze.
Steigen wir also ins Album ein. Zunächst fällt das ein wenig bizarr anmutende Cover auf. Ein sich umarmendes Pärchen, mit Gasmasken, auf einer Brücke stehend. Sich umarmend aber doch durch die Masken "disconnected". So wird also gleich der Bezug zum Opener des Albums hergestellt. "Disconnected Part 1" ist ein kurzes, instrumentales Intro. Jim Matheos Gitarre klagt hinaus in die kalte Ferne, Ex-Dream Theater Keyboarder Kevin Moore unterlegt das Szenario mit stimmigen Keyboardteppichen. Man fragt sich, wie die Aussicht von der auf dem Cover abgebildeten Brücke sein mag. Schauen wir auf ein Industriegebiet hinab, vielleicht mit Hafen in der Nähe? "One" reisst uns unvermittelt aus diesen Gedanken. Ein heftiges Gitarrengewitter setzt ein. Dann der Gesang von Ray Alder. Wahnsinn wie der Mann sich entwickelt hat. Ein guter Sänger war er schon immer, aber inzwischen weiss er wohl, dass er dies nicht mehr jedermann beweisen muss. Wirkt auf einem Album wie "Perfect Symmetry", sein Gesang noch kramphaft auf Power getrimmt, so kommt diese Energie nun ganz selbstverständlich und authentisch rüber. Ganz grosse Klasse! "So" beginnt mit düsteren Keyboards und nimmt die Stimmung des Intros wieder auf. Der Song ist schleppend und besitzt eine fast hypnotische Kraft. Bei aller Begeisterung für Ray Alders Gesang und Jim Matheos erstklassiges Gitarrenspiel, sollte man auch das hervorragende Drumming von Mark Zonder nicht unerwähnt lassen. "Pieces of me" geht dann wieder voll nach vorne los. Zu Beginn fühlt man sich kurz ein wenig an Rammstein(!) erinnert. Ein weiterer Beleg dafür, wie modern und doch zeitlos Fates Warning hier klingen. Spätestens wenn der Gesang einsetzt, wird man aber wieder daran erinnert, dass wir es hier mit einem ganz anderen Kaliber als den Rammsteinchen zu haben.
Nun folgen zwei längere Tracks. Dabei zieht die Band alle Register ihres Könnens. "Something for Nothing" beginnt sehr athmosphärisch, der Gesang sorgt für Gänsehaut. Eine unglaubliche Stimmung baut sich auf. Man glaubt auf der Brücke zu stehen, die auf dem Cover abgebildet ist. Die Sonne geht über einer Industrielandschaft auf. Die Kälte vereint sich mit wohligen Schauern zu einem fantastischen Hörerlebnis. Das ist ganz grosses Kino für alle Sinne, aber ganz sicher nicht für ungeduldige Hörer geeignet. Während zu Beginn die Keyboards mehr dominieren, setzt sich im weiteren Verlauf wieder die Gitarre durch. Nicht zu vergessen, ich wiederhole mich hier gern, der fantastische Gesang von Ray Alder. Wie will man einen solchen Hammer noch überbieten? Für Matheos offensichtlich kein Problem, er kredenzt uns den sechzehnminütigen O(h)rgasmus "Still Remains". Auch dieser Song beginnt ruhig, um dann Tempo aufzunehmen. Diesmal kommt das Keyboard auch in den härteren Passagen zum Zuge. Nicht zu vergessen, dass uns dieser Longtrack einen fantastischen Refrain in die Ohren einbalsamiert. Wenn Alder diesen mit den Worten "And a fading Memory..." anstimmt, könnte ich vor Begeisterung völlig ausflippen. Überhaupt bietet uns "Still Remains" alles was wir hören möchten. Breaks, tolle Soli, Atmosphäre, Ruhe, Power, göttlichen Gesang etc., die Liste lässt sich beinahe endlos fortsetzen. Ein solches Werk kann man nun wirklich nicht zweimal auf ein Album packen. Fates Warning lösen dieses "Problem" perfekt. "Disconnected Part 2" nimmt den Faden des Intros wieder auf, der Kreis schliesst sich. Für das Outro gönnen uns Fates Warning diesmal etwas über sechs Minuten Zeit, die auch definitv nötig sind, um das gerade gehörte Werk stilvoll abzuschliessen.
Vielleicht mag das Vorgängerwerk "A pleasant shade of gray" für manche noch gehaltvoller sein, mir persönlich gefällt "Disconnected" etwas besser. Aber man sollte zwei derat grossartige Alben nicht gegeneinander aufwiegen. Haben muss man sie sowieso! Ein kleiner Wermutstropfen bleibt aber doch. Wegen meiner Begeisterung für "Disconnected", habe ich mich bisher noch nicht an den Nachfolger "FWX" rangewagt. Vielleicht können die üblichen Verdächtigen wie Philipp, Nolli und Henry, in diesem Fall etwas Überzeugungsarbeit leisten.
Weitere Empfehlungen:
The Spectre Within (1985) - Im Gegensatz zum Debut schon sehr eigenständig. Ein idealer Einstieg in die Frühphase.
Awaken the Guardian (1986) - Der Höhepunkt der frühen Fates Warning. Unbestritten ein Klassiker des 80er Undergrounds.
Perfect Symmetry (1989) - Die Band entwickelt sich immer mehr in Richtung Prog-Metal. Wäre die Produktion etwas besser, und Ray Alders Gesang auf heutigem Niveau, würde ich dieses Album zutiefst verehren.
Parallels (1991) - Etwas "softer" und melodischer als die älteren Alben. Auch gut als Einstieg geeignet.
A pleasant Shade of Gray (1997) - Da gibt es nichts dran zu rütteln, es handelt sich bei diesem Album um ein Meisterwerk. Pflichtkauf für jeden Freund anspruchsvoller Musik!!!
(Edit: Tippfehler beseitigt)
Nach diesem Album wurde der Sänger John Arch gegen Ray Alder ausgetauscht. Damals für viele Fans ein harter Schlag, aus heutiger Sicht wohl ein gute Entscheidung. (Ohne die Qualität von Arch schmälern zu wollen, muss man Ray Alder wohl eine vielschichtigere Stimme zugestehen.) Es folgten einige interessante Alben, aber erst im Jahre 1997 konnten mich Fates Warning wirklich in ihren Bann ziehen. "A pleasant Shade of Gray" erschien. Ein sehr intensives, geschlossenes Album das den Hörer mit jedem Durchlauf weiter in sich aufsaugt. Welchen Stil pflegen Fates Warning denn nun, wird sich vielleicht mancher Leser fragen, der mit der Band noch keinen Kontakt hatte. Ist das Metal? Ist das Progressive-Metal? Progressive-Metal trifft es wohl recht gut, wobei mir diese Schublade etwas zu eng für die neueren Werke erscheint. Wen beim Wort "Metal" sofort das Grausen packt, aber mit anspruchsvoller Musik und harten, aber gefühlvoll gespielten Gitarren trotzdem etwas anfangen kann, sollte auf jeden Fall mal reinhören. Hier erwarten euch keine hohlen "Sauf&Kill&Fuck Texte", kein Gekloppe, und kein Gekeife oder gar Gegrunze.
Steigen wir also ins Album ein. Zunächst fällt das ein wenig bizarr anmutende Cover auf. Ein sich umarmendes Pärchen, mit Gasmasken, auf einer Brücke stehend. Sich umarmend aber doch durch die Masken "disconnected". So wird also gleich der Bezug zum Opener des Albums hergestellt. "Disconnected Part 1" ist ein kurzes, instrumentales Intro. Jim Matheos Gitarre klagt hinaus in die kalte Ferne, Ex-Dream Theater Keyboarder Kevin Moore unterlegt das Szenario mit stimmigen Keyboardteppichen. Man fragt sich, wie die Aussicht von der auf dem Cover abgebildeten Brücke sein mag. Schauen wir auf ein Industriegebiet hinab, vielleicht mit Hafen in der Nähe? "One" reisst uns unvermittelt aus diesen Gedanken. Ein heftiges Gitarrengewitter setzt ein. Dann der Gesang von Ray Alder. Wahnsinn wie der Mann sich entwickelt hat. Ein guter Sänger war er schon immer, aber inzwischen weiss er wohl, dass er dies nicht mehr jedermann beweisen muss. Wirkt auf einem Album wie "Perfect Symmetry", sein Gesang noch kramphaft auf Power getrimmt, so kommt diese Energie nun ganz selbstverständlich und authentisch rüber. Ganz grosse Klasse! "So" beginnt mit düsteren Keyboards und nimmt die Stimmung des Intros wieder auf. Der Song ist schleppend und besitzt eine fast hypnotische Kraft. Bei aller Begeisterung für Ray Alders Gesang und Jim Matheos erstklassiges Gitarrenspiel, sollte man auch das hervorragende Drumming von Mark Zonder nicht unerwähnt lassen. "Pieces of me" geht dann wieder voll nach vorne los. Zu Beginn fühlt man sich kurz ein wenig an Rammstein(!) erinnert. Ein weiterer Beleg dafür, wie modern und doch zeitlos Fates Warning hier klingen. Spätestens wenn der Gesang einsetzt, wird man aber wieder daran erinnert, dass wir es hier mit einem ganz anderen Kaliber als den Rammsteinchen zu haben.
Nun folgen zwei längere Tracks. Dabei zieht die Band alle Register ihres Könnens. "Something for Nothing" beginnt sehr athmosphärisch, der Gesang sorgt für Gänsehaut. Eine unglaubliche Stimmung baut sich auf. Man glaubt auf der Brücke zu stehen, die auf dem Cover abgebildet ist. Die Sonne geht über einer Industrielandschaft auf. Die Kälte vereint sich mit wohligen Schauern zu einem fantastischen Hörerlebnis. Das ist ganz grosses Kino für alle Sinne, aber ganz sicher nicht für ungeduldige Hörer geeignet. Während zu Beginn die Keyboards mehr dominieren, setzt sich im weiteren Verlauf wieder die Gitarre durch. Nicht zu vergessen, ich wiederhole mich hier gern, der fantastische Gesang von Ray Alder. Wie will man einen solchen Hammer noch überbieten? Für Matheos offensichtlich kein Problem, er kredenzt uns den sechzehnminütigen O(h)rgasmus "Still Remains". Auch dieser Song beginnt ruhig, um dann Tempo aufzunehmen. Diesmal kommt das Keyboard auch in den härteren Passagen zum Zuge. Nicht zu vergessen, dass uns dieser Longtrack einen fantastischen Refrain in die Ohren einbalsamiert. Wenn Alder diesen mit den Worten "And a fading Memory..." anstimmt, könnte ich vor Begeisterung völlig ausflippen. Überhaupt bietet uns "Still Remains" alles was wir hören möchten. Breaks, tolle Soli, Atmosphäre, Ruhe, Power, göttlichen Gesang etc., die Liste lässt sich beinahe endlos fortsetzen. Ein solches Werk kann man nun wirklich nicht zweimal auf ein Album packen. Fates Warning lösen dieses "Problem" perfekt. "Disconnected Part 2" nimmt den Faden des Intros wieder auf, der Kreis schliesst sich. Für das Outro gönnen uns Fates Warning diesmal etwas über sechs Minuten Zeit, die auch definitv nötig sind, um das gerade gehörte Werk stilvoll abzuschliessen.
Vielleicht mag das Vorgängerwerk "A pleasant shade of gray" für manche noch gehaltvoller sein, mir persönlich gefällt "Disconnected" etwas besser. Aber man sollte zwei derat grossartige Alben nicht gegeneinander aufwiegen. Haben muss man sie sowieso! Ein kleiner Wermutstropfen bleibt aber doch. Wegen meiner Begeisterung für "Disconnected", habe ich mich bisher noch nicht an den Nachfolger "FWX" rangewagt. Vielleicht können die üblichen Verdächtigen wie Philipp, Nolli und Henry, in diesem Fall etwas Überzeugungsarbeit leisten.
Weitere Empfehlungen:
The Spectre Within (1985) - Im Gegensatz zum Debut schon sehr eigenständig. Ein idealer Einstieg in die Frühphase.
Awaken the Guardian (1986) - Der Höhepunkt der frühen Fates Warning. Unbestritten ein Klassiker des 80er Undergrounds.
Perfect Symmetry (1989) - Die Band entwickelt sich immer mehr in Richtung Prog-Metal. Wäre die Produktion etwas besser, und Ray Alders Gesang auf heutigem Niveau, würde ich dieses Album zutiefst verehren.
Parallels (1991) - Etwas "softer" und melodischer als die älteren Alben. Auch gut als Einstieg geeignet.
A pleasant Shade of Gray (1997) - Da gibt es nichts dran zu rütteln, es handelt sich bei diesem Album um ein Meisterwerk. Pflichtkauf für jeden Freund anspruchsvoller Musik!!!
(Edit: Tippfehler beseitigt)