CD der Woche: Neal Morse - It's not too late
Verfasst: Sa 18. Feb 2006, 13:01
Neal Morse. Ohne Zweifel eine der wichtigsten Persönlichkeiten, im aktuellen Progressive Rock Zirkus. Ein umtriebiger Multiinstrumentalist, Songschreiber, Texter, Sänger. Zum Star der heutigen Progressive Rock Szene, wurde er mit seiner Band Spock's Beard. Als deren Debut 1995 veröffentlicht wurde, überschlugen sich die Kritiker. Die Band konnte das Niveau des Debuts locker halten, und veröffentlichte im Jahr 2000, ihr fünftes und bis dahin stärkstes Album "V". Zu dieser Zeit, erschien auch das Debut des Allstar Projektes Transatlantic. Morse kooperierte dort mit Mike Portnoy (Dream Theater), Roine Stolt (The Flower Kings) und Pete Trewavas (Marillion). Die beiden Alben "SMPTe" (2000), und "Bridge across forever" (2001), sorgten ebenfalls für Begeisterung in Progkreisen. Morse schien dieses Arbeitspensum nicht zu überfordern, denn bereits 2002, stellten Spock's Beard mit "Snow," eines neues Werk, diesmal sogar ein Doppel-Album, in die Läden.
Doch dann der Schock. Kurz nach der Veröffentlichung von "Snow", erklärte Morse seinen Ausstieg, sowohl bei Spock's Beard als auch bei Transatlantic. Sollte die Musikwelt eine ihrer talentiertesten Persönlichkeiten verlieren? So schlimm kam es dann doch nicht, denn der gute Neal wartete bereits 2003, mit einem Doppel-Album namens "Testimony" auf. Er hatte als Rückzugsgrund, aus seinen bisherigen Bands/Projekten, religiöse Gründe angeben. So ist "Testimony" folglich ein Album mit christlichen Texten, genau wie die beiden danach veröffentlichten Werke, "One" und "?". Wie man zu dieser stark religiösen Ausrichtung auch stehen mag, ich akzeptiere sie, Neal Morse bietet dem Hörer, noch immer erstklassige Musik.
Weniger bekannt sind die beiden Solowerke, die Morse bereits während seiner Zeit bei Spock's Beard veröffentlichte. Das Debut, schlicht "Neal Morse" betitelt, stammt aus dem Jahre 1999, und bietet eine Mischung aus Rock- und Popsongs. Als Krone setzt Neal dem Album einen starken Longtrack auf. Das Debut geht als eine Art "Spock's Beard light" durch, ohne das ich dieses "light" abwertend meine. Auf dem zweiten Album, dem Thema dieser Vorstellung, geht Morse einen Schritt weiter. "It's not too late", bietet einen bunten Reigen aus Songs, die in den Jahren 1982 bis 2000 geschrieben worden sind. Morse spielte diese Songs nun ein, und man hört dem Album gut an, welchen Spass der Meister dabei hatte. Er bedient fast alle Instrumente selbst, lediglich Nick D'Virgilio, seines Zeichens Drummer bei Spock's Beard, übernimmt bei vielen Songs das Schlagzeug. Des weiteren tauchen noch ein paar Gastmusiker auf, aber Morse steht für den Löwenanteil der Instrumentierung, und hat natürlich sämtliche Kompositionen und Texte verfasst. Aber kommen wir auf die Aussage: "...geht Morse einen Schritt weiter" zurück. Worauf will der Verfasser dieser Zeilen hinaus? Ganz einfach: Mit Progressive Rock hat dieses Album nichts zu tun! Hier gibt Pop, Rock und ein wenig Blues. Kompakte Songs, keine ausladenden, epischen Longtracks.
Los geht es mit dem Titelsong. "It's not too late" ist mit seinen knapp sechseinhalb Minuten, doch tatsächlich der längste Song des gesamten Albums. Überwiegend gestaltet Morse die Songs dieses Albums, etwas oberhalb der "Vier Minuten Grenze". Damit wird nochmal unterstrichen, dass wir es hier mit einer anderen Seite, von Morse zu tun bekommen. Der Titelsong verbreitet gute Laune, obwohl er musikalisch leichte Blueseinflüsse bietet. "All the young Girls cry" besticht mit eine sehr schönen Melodie, ein Stück das sofort ins Ohr geht. Als "bittersüss" würde ich die Stimmung bezeichnen. Dann bekommen wir ein sehr sentimentales Werk geboten. "Leah" erzählt von einem verlassenen Vater, der mit seiner kleinen Tochter zurückbleibt. Morse trägt diesen Song mit sehr einfühlsamer Stimme vor, und spätestens beim Refrain, wird der Song zum Tränenzieher. Sehr schön! "The Angels will remember" ist ebenfalls ein wundervolles, balladeskes Stück, mit betörender Melodie und fantastischem Refrain. Die warme Stimme Neals, treibt mir bei Zeilen wie: "Take a picture of this with your heart, and keep it safe forever", eine wohlige Gänsehaut über den Rücken. Der "So long goodbye Blues" wird wiederum von den Tasteninstumenten, Neals Stimme und dem gefühlvollen Schlagzeugspiel Nicks getragen. Später gesellen sich noch Blasinstrumente hinzu, und verstärken den warmen Anstrich des Liedes. Dann ist es soweit! Wie ich schon häufiger bei anderen Rezensionen anmerkte, findet man auf vielen Alben Songs, die "eigentlich" ein sicherer Hit wären. Bei "The Change" trifft diese Aussage mehr denn je zu! Und wieder stelle ich die Frage: Warum wird sowas nicht im Radio gespielt? Hört Euch diesen Song an! Der Refrain geht sofort ins Ohr, und auch nach etlichen Durchläufen, und mehreren Jahren nervt er nicht! Hört man sich diese Musik an, fragt man sich, warum man im Radio und Fernsehen mit Müll tyrannisiert wird, wo es doch hochwertige Popmusik wie diese gibt! Dieser Neal Morse hat das Zeug zum Millionenseller mit Klasse!
"Broken Homes" zeigt uns wieder den sentimentalen Neal. Eine kleine Geschichte über einen Jungen, der von seinem Vater im Stich gelassen wird. Er will es später besser machen, scheitert aber genau wie sein eigener Vater. Nur Neal Morse und seine Gitarre. Grosse Klasse! Danach gibt es einen frischen, lockeren, soften Rocksong. "Oh Angie" lässt den Fuss wippen, gute Laune pur, ein Kontrast zum eher weniger fröhlichen Text. Anschliesseng gibt es wieder einen Tränenzieher allererster Güteklasse. "The Eyes of the World" hat Neal einem verstorbenen Freund gewidmet. Hier übernimmt er sogar die Drums selbst. Der Refrain ist von überirdischer Schönheit. Zutiefst emotional vorgetragen, eine wundervolle Abschiednahme. "Ain't see nothin' like me" kommt sehr bluesig daher, der einzige Song des Albums, der mich nicht so ganz begeistern kann. Schlecht ist er sicher nicht, aber ich könnte gut ohne ihn auskommen. Nach diesem kleinen Hänger, kommt dann wieder ein ganz grosser Wurf. "I am your Father" erzählt vom zornigen, jungen Mann, der seinem verhassten Vater gegenüber steht. Der Vater ist reifer geworden, will sich aussöhnen, annähren. Ebenfalls ein sehr ergreifendes Werk. Morse wird hier von alten Mitstreitern, aus den Achtzigern Jahren begleitet. "Something Blue" ist ein flotter und packender Popsong. Auch hier wieder ein Refrain mit Hitpotenzial. "The Wind and the Rain" schliesst ein abwechslungsreiches Album würdig ab. Eine schöne Ballade, ich werde nicht müde, auch an dieser Stelle, auf den tollen Songaufbau, und erstklassigen Refrain hinzuweisen.
"It's not too late" bietet uns 13 Songs, jede Menge Abwechslung und eine angenehme, warme Produktion. 12 der 13 Songs zünden ohne Probleme. Ein volles Dutzend guter Laue, Gänsehaut und feuchter Augen. Ein Album welches Neal Morse auch Hörern näherbringen kann, die mit Progressive Rock sonst nichts am Hut haben. Aber auch ein Album für Progheads, die bereit sind über den Tellerrand zu schauen. Es lohnt sich!
Den Schock über die neue Ausrichtung des Herrn Morse, habe ich längst überwunden. Neal veröffentlicht weiterhin tolle Alben. Spock's Beard haben inzwischen ebenfalls ihren Weg gefunden. Das letztjährige Album "Octane" ist ein echtes Highlight. Sie können es auch ohne "Übervater" Neal Morse.
Weitere Empfehlungen:
Neal Morse (1999) - Das erste Solowerk des Herrn Morse. Pop, Rock und Prog.
Testimony (2003) - Das erste Album nach dem Ausstieg bei Spock's Beard. Wem "Snow" gefällt, der sollte zugreifen.
One (2004) - Neal setzt hier wieder auf epische Tracks, dazu wird teils recht heftig gerockt. Wer Transatlantic mag, wird viel Freude mit diesem Werk haben.
Doch dann der Schock. Kurz nach der Veröffentlichung von "Snow", erklärte Morse seinen Ausstieg, sowohl bei Spock's Beard als auch bei Transatlantic. Sollte die Musikwelt eine ihrer talentiertesten Persönlichkeiten verlieren? So schlimm kam es dann doch nicht, denn der gute Neal wartete bereits 2003, mit einem Doppel-Album namens "Testimony" auf. Er hatte als Rückzugsgrund, aus seinen bisherigen Bands/Projekten, religiöse Gründe angeben. So ist "Testimony" folglich ein Album mit christlichen Texten, genau wie die beiden danach veröffentlichten Werke, "One" und "?". Wie man zu dieser stark religiösen Ausrichtung auch stehen mag, ich akzeptiere sie, Neal Morse bietet dem Hörer, noch immer erstklassige Musik.
Weniger bekannt sind die beiden Solowerke, die Morse bereits während seiner Zeit bei Spock's Beard veröffentlichte. Das Debut, schlicht "Neal Morse" betitelt, stammt aus dem Jahre 1999, und bietet eine Mischung aus Rock- und Popsongs. Als Krone setzt Neal dem Album einen starken Longtrack auf. Das Debut geht als eine Art "Spock's Beard light" durch, ohne das ich dieses "light" abwertend meine. Auf dem zweiten Album, dem Thema dieser Vorstellung, geht Morse einen Schritt weiter. "It's not too late", bietet einen bunten Reigen aus Songs, die in den Jahren 1982 bis 2000 geschrieben worden sind. Morse spielte diese Songs nun ein, und man hört dem Album gut an, welchen Spass der Meister dabei hatte. Er bedient fast alle Instrumente selbst, lediglich Nick D'Virgilio, seines Zeichens Drummer bei Spock's Beard, übernimmt bei vielen Songs das Schlagzeug. Des weiteren tauchen noch ein paar Gastmusiker auf, aber Morse steht für den Löwenanteil der Instrumentierung, und hat natürlich sämtliche Kompositionen und Texte verfasst. Aber kommen wir auf die Aussage: "...geht Morse einen Schritt weiter" zurück. Worauf will der Verfasser dieser Zeilen hinaus? Ganz einfach: Mit Progressive Rock hat dieses Album nichts zu tun! Hier gibt Pop, Rock und ein wenig Blues. Kompakte Songs, keine ausladenden, epischen Longtracks.
Los geht es mit dem Titelsong. "It's not too late" ist mit seinen knapp sechseinhalb Minuten, doch tatsächlich der längste Song des gesamten Albums. Überwiegend gestaltet Morse die Songs dieses Albums, etwas oberhalb der "Vier Minuten Grenze". Damit wird nochmal unterstrichen, dass wir es hier mit einer anderen Seite, von Morse zu tun bekommen. Der Titelsong verbreitet gute Laune, obwohl er musikalisch leichte Blueseinflüsse bietet. "All the young Girls cry" besticht mit eine sehr schönen Melodie, ein Stück das sofort ins Ohr geht. Als "bittersüss" würde ich die Stimmung bezeichnen. Dann bekommen wir ein sehr sentimentales Werk geboten. "Leah" erzählt von einem verlassenen Vater, der mit seiner kleinen Tochter zurückbleibt. Morse trägt diesen Song mit sehr einfühlsamer Stimme vor, und spätestens beim Refrain, wird der Song zum Tränenzieher. Sehr schön! "The Angels will remember" ist ebenfalls ein wundervolles, balladeskes Stück, mit betörender Melodie und fantastischem Refrain. Die warme Stimme Neals, treibt mir bei Zeilen wie: "Take a picture of this with your heart, and keep it safe forever", eine wohlige Gänsehaut über den Rücken. Der "So long goodbye Blues" wird wiederum von den Tasteninstumenten, Neals Stimme und dem gefühlvollen Schlagzeugspiel Nicks getragen. Später gesellen sich noch Blasinstrumente hinzu, und verstärken den warmen Anstrich des Liedes. Dann ist es soweit! Wie ich schon häufiger bei anderen Rezensionen anmerkte, findet man auf vielen Alben Songs, die "eigentlich" ein sicherer Hit wären. Bei "The Change" trifft diese Aussage mehr denn je zu! Und wieder stelle ich die Frage: Warum wird sowas nicht im Radio gespielt? Hört Euch diesen Song an! Der Refrain geht sofort ins Ohr, und auch nach etlichen Durchläufen, und mehreren Jahren nervt er nicht! Hört man sich diese Musik an, fragt man sich, warum man im Radio und Fernsehen mit Müll tyrannisiert wird, wo es doch hochwertige Popmusik wie diese gibt! Dieser Neal Morse hat das Zeug zum Millionenseller mit Klasse!
"Broken Homes" zeigt uns wieder den sentimentalen Neal. Eine kleine Geschichte über einen Jungen, der von seinem Vater im Stich gelassen wird. Er will es später besser machen, scheitert aber genau wie sein eigener Vater. Nur Neal Morse und seine Gitarre. Grosse Klasse! Danach gibt es einen frischen, lockeren, soften Rocksong. "Oh Angie" lässt den Fuss wippen, gute Laune pur, ein Kontrast zum eher weniger fröhlichen Text. Anschliesseng gibt es wieder einen Tränenzieher allererster Güteklasse. "The Eyes of the World" hat Neal einem verstorbenen Freund gewidmet. Hier übernimmt er sogar die Drums selbst. Der Refrain ist von überirdischer Schönheit. Zutiefst emotional vorgetragen, eine wundervolle Abschiednahme. "Ain't see nothin' like me" kommt sehr bluesig daher, der einzige Song des Albums, der mich nicht so ganz begeistern kann. Schlecht ist er sicher nicht, aber ich könnte gut ohne ihn auskommen. Nach diesem kleinen Hänger, kommt dann wieder ein ganz grosser Wurf. "I am your Father" erzählt vom zornigen, jungen Mann, der seinem verhassten Vater gegenüber steht. Der Vater ist reifer geworden, will sich aussöhnen, annähren. Ebenfalls ein sehr ergreifendes Werk. Morse wird hier von alten Mitstreitern, aus den Achtzigern Jahren begleitet. "Something Blue" ist ein flotter und packender Popsong. Auch hier wieder ein Refrain mit Hitpotenzial. "The Wind and the Rain" schliesst ein abwechslungsreiches Album würdig ab. Eine schöne Ballade, ich werde nicht müde, auch an dieser Stelle, auf den tollen Songaufbau, und erstklassigen Refrain hinzuweisen.
"It's not too late" bietet uns 13 Songs, jede Menge Abwechslung und eine angenehme, warme Produktion. 12 der 13 Songs zünden ohne Probleme. Ein volles Dutzend guter Laue, Gänsehaut und feuchter Augen. Ein Album welches Neal Morse auch Hörern näherbringen kann, die mit Progressive Rock sonst nichts am Hut haben. Aber auch ein Album für Progheads, die bereit sind über den Tellerrand zu schauen. Es lohnt sich!
Den Schock über die neue Ausrichtung des Herrn Morse, habe ich längst überwunden. Neal veröffentlicht weiterhin tolle Alben. Spock's Beard haben inzwischen ebenfalls ihren Weg gefunden. Das letztjährige Album "Octane" ist ein echtes Highlight. Sie können es auch ohne "Übervater" Neal Morse.
Weitere Empfehlungen:
Neal Morse (1999) - Das erste Solowerk des Herrn Morse. Pop, Rock und Prog.
Testimony (2003) - Das erste Album nach dem Ausstieg bei Spock's Beard. Wem "Snow" gefällt, der sollte zugreifen.
One (2004) - Neal setzt hier wieder auf epische Tracks, dazu wird teils recht heftig gerockt. Wer Transatlantic mag, wird viel Freude mit diesem Werk haben.