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Unterschied Analog-Filter, IIR-DSP und FIR-DSP

Verfasst: Do 18. Mai 2006, 14:02
von Inder-Nett
Die Frage wurde an anderer Stelle (Thema DBA-Controller) aufgeworfen und von Herrn Nubert in Grundzügen beantwortet.
Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen, nochmal meinen Senf dazu zu geben. :wink:

Ich will das Thema dort nicht noch weiter abschweifen lassen und weil's 'ne grundsätzliche Frage ist, die eigentlich nicht nur für die Bass-Abtrennung, sondern auch für den Mittel- und Hochtonbereich relevant ist, stelle ich's mal hier rein...

Analoge Filter:
Mit analogen, frequenzabhängigen Bauteilen (Spulen und Kondensatoren) werden Filter gebaut.
Diese Filter können nur unterschiedlich schnell auf schnelle oder langsame Änderungen des Eingangssignals reagieren.
Dies hat zur Folge, dass Tiefpass-Filter (also Filter, die nur tiefe Töne = langsame Änderungen durchlassen sollen) grundsätzlich deutlich langsamer (= verzögert) reagieren, als Hochpass-Filter. Viele Filter benötigen zusätzlich noch eine gewisse Einschwingzeit, bis sich das gewünschte Filterverhalten überhaupt erst einmal einstellt (Group Delay).

Wenn man das Ergebnis später wieder zusammenmischen muss (im breitbandigen Mehrwege-Lautsprecher mischt sich das dann in der Luft), dann hat man ein Problem... es passt nicht mehr 100%ig.
Um das zu kompensieren verwendet man Tricks, die aber alle mit "Nebenwirkungen" (z.B. Phasendrehungen) verbunden sind.
Über die Hörbarkeit dieser Nebenwirkungen kann man unterschiedlicher Meinung sein, Studien dazu sind z.T. recht unterschiedlich ausgefallen bzw. interpretiert worden.
Im Sinne von "HiFi" (also so originalgetreu wie technisch möglich) sind die Verzögerungen und Phasendrehungen aber trotzdem nicht gutzuheissen...

DSP-Filter:

DSP steht für Digital Signal Processor.

Grundsätzlich muss man sagen, dass der Unterschied zwischen IIR- & FIR-DSP vordergründig durch die jeweilige Filter-Software ausgemacht wird.
Z.B. die SHARC-DSPs, wie sie in den Denon-Receivern drin sind und dort nur IIR-Filter realisieren, lassen sich mit anderer Software genausogut als FIR-Filter verwenden.

FIR-DSPs sind nur deshalb "teurer", weil die FIR-Software für die gleichen Filterkennlinien mehr Speicherplatz und höhere Rechenleistung benötigt und weil den Software-Entwicklern die notwendigen Schritte zur Vorbereitung der richtigen Filterkennlinien nicht so geläufig sind.

IIR-DSP:
G. Nubert hat geschrieben:Ein IIR-Controller (infinite impulse response controller) bildet "die Welt" der analogen Filtertechnik nach.
Praktisch technisch gleichwertig, aber...
Das ist soweit nicht falsch, aber mit IIR-DSPs lassen sich auch Filter-Kennlinien realisieren, die mit analoger Filtertechnik nicht realisierbar sind.

Im Gegensatz zu analoger Filtertechnik kann der IIR-DSP nämlich auch breitbandige, phasenneutrale Verzögerungen realisieren. Damit lassen sich (entsprechende Kenntnisse des Programmierers vorausgesetzt) Kammfilter oder phasenkorrigierte Filter realisieren, wie sie mit Analog-Technik nicht realisierbar wären.

Diese Filter können besser als analoge Filter sein, auch wenn damit die Flexiblität von FIR-Filtern nicht erreicht werden kann.
Vermute mal, dass im DXD-Modul genau davon Gebrauch gemacht wird.

FIR-DSP:
G. Nubert hat geschrieben:Ein FIR-Controller (Finite impulse response controller) stellt (meines Wissens) die einzige Möglichkeit dar, den Frequenzgang und die Gruppenlaufzeit (group delay) unabhängig voneinander einzustellen.
Auch das ist zwar korrekt, aber aus meiner Sicht etwas zu einseitg dargestellt.

Das FIR-Filter simuliert numerisch die eigentlich exakte und völlig flexible mathematische Beschreibung beliebiger linearer Netzwerke (also auch Filter, Kabel, was auch immer)...

In der Netzwerk-Theorie geht man davon aus, dass das Verhalten eines linearen Netzwerkes korrekt und vollständig durch die Sprungantwort beschrieben wird. Das Signal am Ausgang des Netzwerkes enspricht mathematisch der "Faltung" (dafür gibt es das Faltungsintegral) der Sprungantwort über die Änderung des Eingangs-Signals. Im Gegensatz zur Stoß- (oder Impuls-)antwort gilt dies auch uneingeschränkt für verteilte Netzwerke.

Der FIR-DSP simuliert exakt dieses Verhalten, d.h. er bekommt statt einer Filterkennlinie eine vorgegebene Sprungantwort und "faltet" diese über das Eingangs-Signal.
Damit lässt sich grundsätzlich *jedes* Verhalten produzieren und (was noch viel besser ist):
Damit lassen sich auch Übertragungs-Fehler anderer Glieder in der Kette kompensieren :idea:

Für die Ansteuerung von Lautsprechern bedeutet dies, dass man damit die Trennung der Frequenzbereiche auf die verschiedenen Chassis völlig sauber, phasenneutral und verzögerungsfrei (bis auf die von Herrn Nubert bereits erwähnte Grundverzögerung) realisieren kann und dass man dabei auch Verfälschungen durch das Verhalten der Lautsprecher-Chassis weitestgehend kompensieren kann.
Setzt natürlich voraus, dass man für jedes Chassis einen separaten DSP-Filter-Zweig (und dann eine separate Endstufe) hat und die entsprechenden Sprungantworten der einzelnen Chassis kennt und bei der Berechnung der Sprungantwort des Filters mit berücksichtigt...
Wenn ich sowas für meine 7.1-Anlage (mit den verschiedenen Bestückungen) haben wöllte ... 8O

Das Ganze hat allerdings den Preis der höheren Grundverzögerung.
Beim Einsatz in breitbandigen Mehrwege-Lautsprecher kommt ein weiteres Problem hinzu: Die 100%-ig saubere Abstrahlung stellt sich nur in einer "Ebene" ein, also nur wenn alle Lautsprecher den gleichen, vorgegebenen Abstand zum Hörer haben. Ausserhalb dieser Ebene kann es zu Vor- und Nach-Kling-Effekten kommen. Diese sind allerdings (zumindest aus Sicht der messtechnisch/mathematischen Bewertung) geringer, als die Fehler, wie sie z.B. ein "phasenkorrigierter IIR-DSP" oder eine klassiche analoge oder gar passive Weiche produzieren würde.

Zum Thema Grundverzögerung:
G. Nubert hat geschrieben:Beim Audio-Einsatz in Video-Systemen muss man aber auch bedenken, dass dabei die "Lippen-Synchronität" verloren gehen kann.
Dieses Problem wird meines Erachtens etwas überbewertet.
Das Problem "Lippen-Synchronität" ist kritisch bei Bildschirmen, die zum De-Interlacen oder Skalieren eine Bild-Verzögerung verursachen, sodass dadurch der Ton vor dem Bild kommen kann. Eine solche Situation ist unnatürlich, paradox und deshalb schwer zu verarbeiten.

Der umgekehrte Fall (Ton zu spät) ist eine völlig natürliche Situation, wie sie im täglichen Leben vorkommt.
Wenn ich mich mit jemandem auf 7 Meter Entfernung unterhalte, dann trifft bei mir der Schall bereits mit 20ms Verspätung ein, ohne dass ich damit ein "Lips-Sync-Problem" habe...
Warum soll's im Fernsehen anders sein?

Verfasst: Sa 24. Jun 2006, 11:21
von Klapskalli
Ha, danke für die Erklärung. Nun hab ich wenigstens etwas verstanden.

:wink:

Verfasst: Sa 24. Jun 2006, 18:48
von Mad Martin
Eine Frage Inder-nett, ist nicht ein FIR eine Sonderform eines IIR Filters? Kann man nicht wenn man alle "Rückkopplungs"Koeffizienten Null setzt genauso gut auch FIR Filter damit realisieren?

Ich kenn mich mit DSP - Software nicht aus, also es wäre ja möglich, dass bestimmte Software das einfach nicht zulassen, aber theoretisch müsste es doch gehen.

Mit freundlichen Grüssen
Martin Hammerl

Re: Unterschied Analog-Filter, IIR-DSP und FIR-DSP

Verfasst: So 25. Jun 2006, 09:54
von BlueDanube
Inder-Nett hat geschrieben:Der umgekehrte Fall (Ton zu spät) ist eine völlig natürliche Situation, wie sie im täglichen Leben vorkommt.
Wenn ich mich mit jemandem auf 7 Meter Entfernung unterhalte, dann trifft bei mir der Schall bereits mit 20ms Verspätung ein, ohne dass ich damit ein "Lips-Sync-Problem" habe...
Genau das ist das Problem, wenn man versucht, den Lip-Sync exakt einzustellen.
Wenn der Ton vor dem Bild kommt, ist es einfach - man erhöht das Delay für den Ton.
Aber wenn man über das Ziel hinaus schießt, merkt man es nicht.
Solange der Ton nach dem Bild kommt, kann man einstellen, was man will.....es kommt subjektiv immer das selbe raus....

Zur exakten Einstellung des Ton-Delays braucht man eine gute Testsequenz und muss sich stark konzentrieren!
Es fragt sich aber ohnehin, ob das sinnvoll ist, denn die TV-Sender haben leider manchmal verschiedene Verzögerungen im Bild.... :roll:

Verfasst: So 25. Jun 2006, 16:21
von Inder-Nett
Mad Martin hat geschrieben:Kann man nicht wenn man alle "Rückkopplungs"Koeffizienten Null setzt genauso gut auch FIR Filter damit realisieren?
Theoretisch ja, aber die Praxis...

Der IIR-DSP kommt aufgrund der "Rückkopplung" mit einer vergleichsweise geringen Zahl von Filter-Koeffizienten aus, benötigt aber Verzögerungsglieder mit unterschiedlicher Verzögerungsdauer.

Beim FIR-DSP entspricht die Anzahl der benötigten Koeffizienten der Anzahl der Samples der Stoßantwort des zu realisierenden Filters, was für gewöhnlich wesentlich mehr ist. Es muss zwar jedes Verzögerungsglied immer nur um einen Sampling-Schritt verzögern, aber pro Sample müssen mehr Rechenschritte ausgeführt werden, was letzten Endes höhere Anforderungen an die Rechengeschwindigkeit stellt.

Wenn der DSP ausreichend leistungsfähig und die Firmware ausreichend flexibel ist, dann ist es natürlich kein Problem, beides zu realisieren, was in der Praxis auch so gemacht wird.

Verfasst: So 25. Jun 2006, 18:15
von Cale
Hallo!

Weißt du vielleicht auch, was das Pre Echo ist, bzw. wie es bei einem FIR-Filter entsteht?

Verfasst: Mo 26. Jun 2006, 00:56
von Inder-Nett
Cale hat geschrieben:Weißt du vielleicht auch, was das Pre Echo ist, bzw. wie es bei einem FIR-Filter entsteht?
Pre Echo ist der falsche Begriff, es handelt sich um das sog. Pre Ringing.

Ein analoges oder IIR-Filter erzeugt für gewöhnlich auf der Grenzfrequenz eine ernstzunehmende Verzögerung sowohl im Ein-, als auch im Ausschwingverhalten, d.h. Signale auf der Grenzfrequenz schwingen verzögert ein, klingen dann aber nach. Man nennt diesen Effekt Post Ringing.

Um ein phasenneutrales Filter hoher Güte zu realisieren muss das Filter auf einen Stoß oder Sprung eigentlich schon vor der "richtigen" Antwort mit einem Einschwingvorgang reagieren. Weil auch ein FIR keine Zeitmaschine ist braucht er für die Nachbildung der "vorausschauenden Reaktion" eine Grundverzögerung.

Beispiel für einen Tiefpass:
Bild

Für Frequenzweichen ist dieses Pre-Ringing unkritisch, weil das Pre- und Post-Ringing eines Hochpasses gleicher Güte und Trennfrequenz genau phasenverkehrt zu dem des zugehörigen Tiefpasses ist, sodass sich das Pre- und Post-Ringing beider Frequenzzweige bei der akustischen Mischung in der Luft auf Achse wieder exakt aufhebt und somit (zumindest auf Achse) nicht hörbar ist.

Wenn man allerdings phasenkorrigierte FIR-Filter zur Begrenzung des Frequenzganges an der oberen bzw. unteren Grenzfrequenz einsetzen möchte, dann kann dies zu durchaus wahrnehmbarem Pre-Ringing führen, sofern die Grenzfrequenz noch im Bereich der Hörschallwahrnehmung liegt (was zumindest bei der unteren Grenzfrequenz durchaus kritisch sein kann).

Das Post-Ringing hingegen ist psychoakustisch relativ "unbedenklich", weil es ohnehin keine Instumente/Geräuschquellen/Räume gibt, die frei von bestimmten Nachklang-Effekten sind.

Verfasst: Mi 28. Jun 2006, 10:23
von FoLLgoTT
@Inder-Nett
Für Frequenzweichen ist dieses Pre-Ringing unkritisch, weil das Pre- und Post-Ringing eines Hochpasses gleicher Güte und Trennfrequenz genau phasenverkehrt zu dem des zugehörigen Tiefpasses ist, sodass sich das Pre- und Post-Ringing beider Frequenzzweige bei der akustischen Mischung in der Luft auf Achse wieder exakt aufhebt und somit (zumindest auf Achse) nicht hörbar ist.
Interessant. Es gibt ja sogar über den PC die Möglichkeit, eine aktive Frequenzweiche mit FIR-Filtern aufzubauen. Dafür benötigt man BruteFIR für Linux und die passenden Impulsantworten für Tief- und Hochpässe.
Außerdem kann man mit DRC für Windows kompensierende Impulsantworten errechnen. Mit DRC habe ich mal rumgespielt, bin aber zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen. Ich denke, ein großes Problem ist hier die Genauigkeit des Meßvorgangs. Ich bin mir auch nicht sicher, was DRC dann alles kompensiert. Eigentlich bekommt es durch die Impulsantwort die komplette Phasenverschiebung der Kette vorgegeben. Bei meinen Experimenten im Hörraum war es immer so, daß durch einzelne Messungen der beiden Kanäle so große Unterschiede auftraten, daß die relative Phase völlig aus dem Lot war und die Lokalisation deutlich verschlechtert wurde. Ich kann mir aber gut vorstellen, daß eine Freifeldentzerrung mittels DRC funktionieren könnte, um so die Phase zu linearisieren. Wenn ich mal Zeit dazu habe, werde ich das mal ausprobieren, aber so einen aktiven 3-Wegerich nach draußen zu schaffen, erfordert einen Haufen an Kabelwust... ;)

Ach ja, in der Readme zu DRC wird auch ein Entgegenwirken des Pre Echos erwähnt. Ich kann das schlecht einschätzen, weil mir das nötige Wissen der Signaltheorie fehlt (die Vorlesung war mir immer ein Graus, wenn auch interessant). Kannst du dazu etwas sagen?

Verfasst: Do 11. Jun 2009, 14:37
von Vondralbra
Inder-Nett hat geschrieben:Das Post-Ringing hingegen ist psychoakustisch relativ "unbedenklich", weil es ohnehin keine Instumente/Geräuschquellen/Räume gibt, die frei von bestimmten Nachklang-Effekten sind.
Tach,

eigentlich sind es ja Vorklang-Effete :wink:

Wie verhält es sich psychoakustisch denn nun wirrklich? (Bin am überlegen, mal ein System mit dem HD-FIR aufzubauen - meine Nubis hab' ich trotzdem 8) )

Post-, oder Pre-Ringing wird ja mit zunehmender Steilheit des Filters auch anwachsen. Ich frage mich, ob akustisch akzeptable Filter der klassischen Art, wie z.B. eine 12dB Bessel Funktion, im Verhältnis nicht schlechter klingen, als eine steilflangike 24 dB FIR Trennung. (Mitteltonband 1 kHz)

Grüße

P.S.: Servus Vollgott

Verfasst: Di 23. Jun 2009, 14:30
von StefanB
Uhhh, da werden ja glatt drei Jahre alte FredŽs ausgegraben, und das nur wegen einem fehlenden Smiley...

Stefan