CD der Woche: Mike Oldfield - Crises
Verfasst: Fr 18. Aug 2006, 01:18
Als Mike Oldfields Debütwerk "Tubular Bells", im Jahre 1973 auf den Markt geworfen wurde, sorgte es für grosses Aufsehen. Solche Instrumentalmusik hatte man vorher noch nicht gehört, und dazu sollte das komplette Werk, von einem gerade 19 Jahre jungen Burschen, komponiert und eingespielt worden sein? Dem neu gegründeten Label "Virgin", und dem Künstler, verhalf dieses Werk unvermittelt zu Weltruhm. Damit wurde Virgin-Boss Branson, wohl besser fertig als sein Schützling, aber das will ich an dieser Stelle nicht weiter thematisieren. In den beiden folgenden Jahren, gab es Nachschlag in Form der Alben "Hergest Ridge" und "Ommadawn". Zwar erreichten diese Alben, nicht ganz den legendären Status des Debütwerkes, aber OIdfield zeigte sich kompositorisch deutlich gereift. Der grosse Erfolg stellte den jungen, schüchternen Mann allerdings vor grosse, psychische Schwierigkeiten. Ergo verging bis zum vierten Album "Incantations" eine längere Phase. Genauer gesagt gut drei Jahre. Was heute nicht unüblich ist, war in den Siebzigern ein langer Zeitraum. Zusätzlich hatte sich in Zeit von 1975 bis 1978, die Musikwelt deutlich verändert. Der Punk malträtierte Millionen verklebter Gehörgänge, und Progressive Rock war plötzlich völlig "out". Genau in diese nun unmoderne Schublade steckte man Oldfield aber. So kommt "Incantations" geradezu trotzig daher. Ein opulentes, ruhiges, absolut gegen den Zeitgeist gerichtetes Doppelalbum. Ob das nun mutig oder irre ist, mag der Leser selbst entscheiden. Respekt verdient es allemal.
Der Plattenfirma bereitete dies wohl Kopfzerbrechen. So drängte man Oldfield dazu kürzere, modernere, radiotaugliche Werke zu verfassen. Dies tat der Künstler fortan, zumindest teilweise und für einige Jahre, und es brachte qualitativ unterschiedliche Alben ans Tageslicht. Meist setzte Oldfield auf eine Mischung aus längeren, von ihm geliebten Instrumentalstücken, und einfacheren, kürzeren Songs, die als Singles taugen sollten. Wirkt diese neue Rezeptur auf den Alben, "Platinum" (1979) und "QE2" (1980), vielleicht noch ein wenig unausgegoren, so überzeugt Oldfield, auf dem 1982 veröffentlichten Werk "Five Miles Out", vollkommen. Songs wie der Titeltrack, und das nette "Family Man", dürften fast jedem Musikliebhaber ein Begriff sein.
Schon 1983 war Oldfield mit dem nächsten Album am Start. Die erste LP-Seite füllte ein Longtrack von knapp 21 Minuten Länge. Nun werden alle Prog-Hardliner aufschreien, und mit Nachdruck behaupten, dieses Stück würde nichtmal im Ansatz, die Qualität der Werke aus den Siebzigern erreichen. Mit Verlaub, aber das ist totaler Unfug. Oldfield schafft es hier souverän, den Geist seiner früheren Kompositionen, in die achtziger Jahre zu transportieren. Er kopiert sich nicht, er erfindet sich neu. Und mal ehrlich, wer hatte in den Achtzigern schon den Mut, ausufernde Longtracks auf seine Alben zu packen? "Crises" ist eine fröhliche "Tour de Force" durch viele Stimmungen. Mal rockend, mal verträumt, ab und zu sogar ein wenig geheimnisvoll, hintergründig. Kurze Vokaleinsätze sind auch zu vernehmen, und die sehr angenehme Produktion, rundet das Hörerlebnis perfekt ab. Natürlich werden einige Passagen von der typisch schrillen, aber nie unangenehmen, Oldfield-Gitarre dominiert, und auch Elektronik kommt nicht zu kurz. Dies zerstört keinesfalls den Hörgenuss, sondern gibt dem Song zusätzliche Tiefe und Spannung. Eine tolle Arbeit, vor der ich meinen Hut ziehe. Auch hier trotzt Oldfield wieder dem Zeitgeist, obwohl er geschickt etliche moderne Elemente, in seine Komposition einwebt.
Die zweite Seite der LP gehört komplett kompakten Songs. Den Auftakt macht "Moonlight Shadow". Gesungen von Maggie Reilly, mit der Oldfield schon seit einigen Jahren kooperierte. 1983 war "Moonlight Shadow" ein grosser Hit, und hat sich im Laufe der Zeit, zu einem wahren Klassiker gemausert. Oldfield kommt dem perfekten Popsong hier sehr nahe. Ich möchte behaupten, er hat ihn sogar erschaffen. Die Lyrics erzählen eine kleine, tragische Geschichte, der Gesang passt perfekt zur Musik, der Refrain wird auch nach hundert Durchläufen nicht nervig. Obendrauf gibt es noch ein schönes Gitarrensolo. Die mystische Stimmung, schlägt einen Bogen zum einfachen, aber interessanten Artwork des Covers. (Wie übrigens auch manche Abschnitte des Titelsongs.) Hardliner mögen die Nase rümpfen, ich liebe dieses kleine, wundervolle Stück Musik. "In High Places" punktet mit einer Grösse des Progressive Rock am Mikro. Jon Anderson, Stimme der Prog-Veteranen YES, leiht Oldfield hier seine Stimme. Eine eher dezente Komposition, deutlich von Andersons Gesang dominiert. Danach darf Maggie Reilly nochmal ran. "Foreign Affair" ist ein zuckersüsser Popsong. Simpel, aber durchaus stimmungsvoll. Für die Klangfetischisten sei angemerkt, dass sich damit gut die Qualität von Hifi-Anlagen vorführen lässt. Der transparenten, druckvollen Produktion sei es gedankt. Nun lässt Oldfield es sich nicht nehmen, nochmal kurz den Gitarrenchef raushängen zu lassen. "Taurus 3" beendet die auf den vorherigen Alben begonnene Trilogie. Zwar nur knapp zweieinhalb Minuten lang, aber dafür sehr beeindruckend. Oldfield lässt es teilweise krachen bis die Saiten glühen. Manchmal liegt eben doch Würze in der Kürze. Zum Finale wird ordentlich gerockt. "Shadow on the Wall" wird von Roger Chapmans Reibeisenorgan geerdet, was dem Stück sehr gut zu Gesicht steht. So bilden Oldfields Gitarre und Chappos Gekrächze einen tolle Einheit.
Schon haben wir die Scheibe durchgehört. Oldfield zieht im Longtack, ebenso beim kurzen Instrumentaltrack ordentlich vom Leder, was vermutlich seinen künstlerischen Anspruch befriedigt, zeigt sich aber auch als Könner wenn es um die Komposition und Umsetzung von Popsongs geht. Daumen hoch für ein schönes Album, dass inzwischen schon 23 Jahre auf dem Buckel hat, und noch immer frisch und überwiegend zeitlos klingt. Die Remaster-Version verwöhnt mit tollem Sound, aber auch die "Billigvariante" von "Disky" ist durchaus brauchbar. Allerdings gibt es die Remaster-Version ofr deutlich unterhalb 10, ergo sollte die Wahl leicht fallen.
Weitere Empfehlungen:
Tubular Bells (1973) - Das legendäre Debut. Muss man einfach gehört haben, auch wenn ich die späteren Werke mehr schätze.
Hergest Ridge (1974) - Ruhiger und fliessender. Ein sehr schönes Album.
Ommadawn (1975) - Part One ist eine der wundervollsten Oldfield Kompositionen.
Incantations (1978) - Dem Zeitgeist den Stinkefinger zeigen! Damals und heute. Chill-Out mit Niveau.
Five Miles Out (1982) - Hier hat Oldfield den Weg gefunden, wie man Anspruch und tolle Popsongs mischt.
Discovery (1984) - Noch ein schönes Werk. Reicht allerdings nicht ganz an die Vorgänger heran.
Amarok (1990) - Eine Stunde. Eine Großkomposition. Genial bis wahnsinnig. Sehr gelungen.
Danach habe ich Oldfield ein wenig aus den Augen verloren. Lediglich das etwas zu brave "The Songs of distant Earth", fand noch den Weg in meine Sammlung. Vielleicht kann hier jemand die Empfehlungen ergänzen.
Der Plattenfirma bereitete dies wohl Kopfzerbrechen. So drängte man Oldfield dazu kürzere, modernere, radiotaugliche Werke zu verfassen. Dies tat der Künstler fortan, zumindest teilweise und für einige Jahre, und es brachte qualitativ unterschiedliche Alben ans Tageslicht. Meist setzte Oldfield auf eine Mischung aus längeren, von ihm geliebten Instrumentalstücken, und einfacheren, kürzeren Songs, die als Singles taugen sollten. Wirkt diese neue Rezeptur auf den Alben, "Platinum" (1979) und "QE2" (1980), vielleicht noch ein wenig unausgegoren, so überzeugt Oldfield, auf dem 1982 veröffentlichten Werk "Five Miles Out", vollkommen. Songs wie der Titeltrack, und das nette "Family Man", dürften fast jedem Musikliebhaber ein Begriff sein.
Schon 1983 war Oldfield mit dem nächsten Album am Start. Die erste LP-Seite füllte ein Longtrack von knapp 21 Minuten Länge. Nun werden alle Prog-Hardliner aufschreien, und mit Nachdruck behaupten, dieses Stück würde nichtmal im Ansatz, die Qualität der Werke aus den Siebzigern erreichen. Mit Verlaub, aber das ist totaler Unfug. Oldfield schafft es hier souverän, den Geist seiner früheren Kompositionen, in die achtziger Jahre zu transportieren. Er kopiert sich nicht, er erfindet sich neu. Und mal ehrlich, wer hatte in den Achtzigern schon den Mut, ausufernde Longtracks auf seine Alben zu packen? "Crises" ist eine fröhliche "Tour de Force" durch viele Stimmungen. Mal rockend, mal verträumt, ab und zu sogar ein wenig geheimnisvoll, hintergründig. Kurze Vokaleinsätze sind auch zu vernehmen, und die sehr angenehme Produktion, rundet das Hörerlebnis perfekt ab. Natürlich werden einige Passagen von der typisch schrillen, aber nie unangenehmen, Oldfield-Gitarre dominiert, und auch Elektronik kommt nicht zu kurz. Dies zerstört keinesfalls den Hörgenuss, sondern gibt dem Song zusätzliche Tiefe und Spannung. Eine tolle Arbeit, vor der ich meinen Hut ziehe. Auch hier trotzt Oldfield wieder dem Zeitgeist, obwohl er geschickt etliche moderne Elemente, in seine Komposition einwebt.
Die zweite Seite der LP gehört komplett kompakten Songs. Den Auftakt macht "Moonlight Shadow". Gesungen von Maggie Reilly, mit der Oldfield schon seit einigen Jahren kooperierte. 1983 war "Moonlight Shadow" ein grosser Hit, und hat sich im Laufe der Zeit, zu einem wahren Klassiker gemausert. Oldfield kommt dem perfekten Popsong hier sehr nahe. Ich möchte behaupten, er hat ihn sogar erschaffen. Die Lyrics erzählen eine kleine, tragische Geschichte, der Gesang passt perfekt zur Musik, der Refrain wird auch nach hundert Durchläufen nicht nervig. Obendrauf gibt es noch ein schönes Gitarrensolo. Die mystische Stimmung, schlägt einen Bogen zum einfachen, aber interessanten Artwork des Covers. (Wie übrigens auch manche Abschnitte des Titelsongs.) Hardliner mögen die Nase rümpfen, ich liebe dieses kleine, wundervolle Stück Musik. "In High Places" punktet mit einer Grösse des Progressive Rock am Mikro. Jon Anderson, Stimme der Prog-Veteranen YES, leiht Oldfield hier seine Stimme. Eine eher dezente Komposition, deutlich von Andersons Gesang dominiert. Danach darf Maggie Reilly nochmal ran. "Foreign Affair" ist ein zuckersüsser Popsong. Simpel, aber durchaus stimmungsvoll. Für die Klangfetischisten sei angemerkt, dass sich damit gut die Qualität von Hifi-Anlagen vorführen lässt. Der transparenten, druckvollen Produktion sei es gedankt. Nun lässt Oldfield es sich nicht nehmen, nochmal kurz den Gitarrenchef raushängen zu lassen. "Taurus 3" beendet die auf den vorherigen Alben begonnene Trilogie. Zwar nur knapp zweieinhalb Minuten lang, aber dafür sehr beeindruckend. Oldfield lässt es teilweise krachen bis die Saiten glühen. Manchmal liegt eben doch Würze in der Kürze. Zum Finale wird ordentlich gerockt. "Shadow on the Wall" wird von Roger Chapmans Reibeisenorgan geerdet, was dem Stück sehr gut zu Gesicht steht. So bilden Oldfields Gitarre und Chappos Gekrächze einen tolle Einheit.
Schon haben wir die Scheibe durchgehört. Oldfield zieht im Longtack, ebenso beim kurzen Instrumentaltrack ordentlich vom Leder, was vermutlich seinen künstlerischen Anspruch befriedigt, zeigt sich aber auch als Könner wenn es um die Komposition und Umsetzung von Popsongs geht. Daumen hoch für ein schönes Album, dass inzwischen schon 23 Jahre auf dem Buckel hat, und noch immer frisch und überwiegend zeitlos klingt. Die Remaster-Version verwöhnt mit tollem Sound, aber auch die "Billigvariante" von "Disky" ist durchaus brauchbar. Allerdings gibt es die Remaster-Version ofr deutlich unterhalb 10, ergo sollte die Wahl leicht fallen.
Weitere Empfehlungen:
Tubular Bells (1973) - Das legendäre Debut. Muss man einfach gehört haben, auch wenn ich die späteren Werke mehr schätze.
Hergest Ridge (1974) - Ruhiger und fliessender. Ein sehr schönes Album.
Ommadawn (1975) - Part One ist eine der wundervollsten Oldfield Kompositionen.
Incantations (1978) - Dem Zeitgeist den Stinkefinger zeigen! Damals und heute. Chill-Out mit Niveau.
Five Miles Out (1982) - Hier hat Oldfield den Weg gefunden, wie man Anspruch und tolle Popsongs mischt.
Discovery (1984) - Noch ein schönes Werk. Reicht allerdings nicht ganz an die Vorgänger heran.
Amarok (1990) - Eine Stunde. Eine Großkomposition. Genial bis wahnsinnig. Sehr gelungen.
Danach habe ich Oldfield ein wenig aus den Augen verloren. Lediglich das etwas zu brave "The Songs of distant Earth", fand noch den Weg in meine Sammlung. Vielleicht kann hier jemand die Empfehlungen ergänzen.