CD der Woche: The Gathering - How to measure a Planet?
Verfasst: Mo 28. Aug 2006, 12:00
2000: Beim stöbern in einem "Elektrofachmarkt", fällt mir das Album "Nighttime Birds", von The Gathering in die Hände. "Von denen wollte ich doch schon länger eine CD haben..." Also die wurde die Scheibe für kleines Geld mitgenommen. Zuhause stellte sich zunächst Ernüchterung ein: "Naja, ganz nett." Ab ins Regal damit.
2003:(Vermutlich) Die Scheibe wandert, fast vergessen, wieder in den Player. Ach ja, doch recht nett. Ab ins Regal, und wieder (fast) vergessen.
2006: (Mit Sicherheit im Frühling) Was ist das da im Regal? The Gathering. Hmm... Ok, nochmal reinhören. Dann die plötzliche Initialzündung! Wie konnte mir diese Stimme entgehen??? Wie konnten diese phantastischen, eingängigen Songs, sich durch meine Gehörgänge schleichen, ohne darin festzuwachsen? Ergebnis: Dauerrotation. Kauf der nächsten Scheibe: "How to measure a Planet?"
Ein kurzer Abriss über die Geschichte der Band. Die Brüder Hans (Schlagzeug) und René Rutten (Gitarre), sind die Keimzelle von The Gathering. 1989 gründeten sie die Band, 1992 konnte man die Veröffentlichung des Debuts vermelden. Bereits 1993 folgte ein weiteres Album, verbunden mit Veränderungen der Bandbestzung. Dann der wichtigste Schritt in der Entwicklung der noch jungen Band. Auf dem 1995 veröffentlichten "Mandylion", ist erstmals Anneke van Giersbergen als Sängerin zu hören. Die Band frönte bereits damals einer sehr atmosphärischen Musik, einer Mischung aus Rock, Metal und einer Prise Gothic Rock. 1997 erschien "Nighttime Birds", jenes Album, welches Jahre später, eine gewaltige Welle der Begeisterung bei mir auslösen sollte.
Bereits ein Jahr später, sind The Gathering mit einem Doppelalbum am Start. Das hier vorgestellte "How to measure a Planet?". Die Band erfindet sich fast komplett neu. Alle musikalischen Schranken fallen, man zeigt sich sehr experimentierfreudig. Rock, Alternative, ein wenig Metal und sogar Spacerock, werden zu einer bunten, einzigartigen Mischung verschmolzen. Annekes Gesang erreicht göttliches Niveau. Aber genug geschwärmt. Wenden wir uns dem weiteren Werdegang der Band zu. Nach diversen Querelen mit der Plattenfirma, gründet die Band ihr eigenes Label: "Psychonaut Records". 2000 kommt "If_then_else" auf den Markt. Sicherlich konventioneller als der Vorgänger, mit wieder gesteigertem Härtegrad, aber kein aufkochen der älteren Alben. Es dauert bis 2003, dann folgt mit "Souvenirs" ein grandioser Nachfolger, auf dem sich die Band wieder deutlich vom spröden Geschrammel entfernt. Inzwischen befindet sich auch das aktuelle Werk "Home" in meiner Sammlung. Ein ebenfalls sehr stimmungsvolles Werk, vielleicht etwas schwerer zugänglich als die Vorgänger.
"Frail" eröffnet das Füllhorn phantastischer Songs, welches "The Gathering" auf "How to measure a Planet", über uns ergiessen. Sanft spacig das kurze Intro, dann der getragene Einsatz der Instrumente, die Gitarren erinnern mich fast ein wenig an The Cure. Der gefühlvolle Gesang von Anneke geht tief unter die Haut. Hier fehlen mir die Worte, hört es euch selbst an! Wenn ich Nina Persson, Frontfrau der Cardigans, zu meiner "Queen of Erotic" küren würde, dann wäre Anneke van Giersbergen ganz klar meine "Queen of Emotions". Weiter geht es mit "Great open Road". Tatsächlich sehe ich mich über eine weite Ebene schweben, und werde von einer mächtigen Großstadt eingesogen. Wenn Anneke dann die Textzeilen
There is no place
on the face of this Earth
Only Silence
is the Sound
of an Angel
anstimmt, ist das Gänsehaut pur. Aber es gibt kein Entrinnen aus dieser Stimmung. Das Werk steigert sich immer weiter, und "Rescue me" ist von derartiger Intensität, dass ich mich frage, wie ich jahrelang ohne diese CD existieren konnte. Erwähnung sollte die sehr gute Produktion des Albums finden. Der Sound ist warm, druckvoll aber durchaus nicht ohne Ecken und Kanten. So gibt es im zunächst ruhigen "Rescue me" kraftvolle Ausbrüche. "My Electricity" ist eine weitere Perle, getragen von stimmungsvoller Percussion und Gitarre, über allem schwebt der Gesang und sorgt für Dauergänsehaut. Nun wird es, zumindest vordergründig, ein wenig konventioneller. "Liberty Bell" ist ein eher straighter Rocksong. Zunächst empfand ich den Track als Störfaktor, da er mir im Vergleich zum übrigen Material, fast ein wenig vulgär erschien. Aber Irrtum. Hört man "Liberty Bell" häufiger, offenbart es seine Tiefe, und passt sich stimmig ins Album ein. Aber was ist das schon im Vergleich zu "Red is a slow Colour". Sobald Anneke die ersten Worte anstimmt, verfalle ich in eine bizarre Mischung aus Hypnose und Begeisterungsorkan. Dieser Text, diese Musik, dieser unglaublich fette Refrain. Der Song steigert sich, steigert sich, steigert sich... es ist nahezu unglaublich.
"The big Sleep" klingt spacig, bietet zwar eine kleine Entspannung nach dem göttlichen Vorgänger, aber The Gatering lassen dem Hörer keine Chance, wieder Boden unter den Füssen zu gewinnen. Wir schweben mit Anneke über eine spätsommerliche Landschaft, um plötzlich unvermittelt in die Erdumlaufbahn gesaugt zu werden. Denn genau das passiert mit dem Beginn von "Marooned". Hier klingt die Band, fast wie eine beschleunigte, energiegeladene Version von Portishead, aber mit deutlich besserem Gesang. Was dann mit "Travel" folgt ist unbeschreiblich. Zunächst wieder ein spaciges, stimmungsvolles Intro. Dann eine warme Gitarre, sanfte Drums, die Göttin singt. Ein neunminutiger O(h)rgasmus. Steigerung der Dramatik im Refrain, wundervoller Sound, das Zimmer verwandelt sich in eine Arena, frei schwebend durch die Erdatmosphäre. Das ist nun wirklich nicht mehr in Worte zu fassen. Kerzenlicht an und sich fallen lassen!!!
Nun kann nichts mehr kommen, oder? Wie soll man "Travel" noch steigern? Gar nicht!? The Gathering legen eine weitere Scheibe nach. Auf CD2 des Albums, präsentiert sich die Band gar noch experimenteller! Man versucht nicht "noch einen draufzulegen", sondern lässt der Freude am musizieren freien Lauf. "South American Ghost Ride" ist ein stimmungsvolles Instrumental. Es gibt zwar Vokaleinsätze, aber Anneke agiert hier als "wortloses Instrument". Unvermittel bricht das Stück in sich zusammen, und "Illuminating" übernimmt das Ruder. Keyboardteppiche und Bass bauen ein stimmungsvolles Gerüst, der Refrain bricht die getragene Stimmung auf. Sehr schön. "Locked away" kommt ein wenig düster daher, passend zu den Lyrics. "Probably built in the Fifties" beginnt kantig und sperrig, behält diese Sperrigkeit auch weitgehend bei, wobei der Gesang die Stimmung ab und zu aufbricht. Den Schlusspunkt setzt der Titeltrack. Funksprüche aus dem Weltall, leiten den über 28 Minuten dauernden Song ein. Auch hier haben wir es mit einem Instrumental zu tun. Die Lust am Experiment, geht nun ein wenig mit den symphatischen Holländern durch. Die letzten Minuten des Tracks, sind nur noch wirres Geschwurbel, und sorgen zunächst für Befremdung. Wer allerdings zuvor eine prall gefüllte Wundertüte über den Hörer ausschüttet, dem sei auch solches Selbstverwirklichungsgeschnacksel zugestanden.
Fazit: Nahezu grenzenlose Begeisterung meinerseits. Vielen Dank ihr Holländer. Ich will noch lange von Euch hören! Peinlich für das Blap, dass es sechs Jahre brauchte, um Euch lieben zu lernen. Dafür ist Euch aber ein Ehrenplatz in meinem Player sicher.
Weitere Empfehlungen:
Nighttime Birds (1997) - DER Schläfer in meiner Sammlung. Ich verstehe bis heute nicht, warum das Album sechs Jahre benötigte um zu zünden. The Gathering klingen hier sehr eingängig und stimmungsvoll.
If_then_else (2000) - Nach "How to measure a Planet?", packt die Band hier wieder härter zu. Allerdings kopiert man nicht die Alben vor "How..." Konventioneller, aber ebenfalls sehr gelungen.
Souvenirs (2003) - Ein wundervolle Scheibe. Würde ich die Reihenfolge nicht kennen, hätte ich auf den Nachfolger von "How to measure a Planet?" getippt.
Home (2006) - Ein weiteres tolles Album. Fällt recht ruhig aus, und braucht Aufmerksamkeit!
2003:(Vermutlich) Die Scheibe wandert, fast vergessen, wieder in den Player. Ach ja, doch recht nett. Ab ins Regal, und wieder (fast) vergessen.
2006: (Mit Sicherheit im Frühling) Was ist das da im Regal? The Gathering. Hmm... Ok, nochmal reinhören. Dann die plötzliche Initialzündung! Wie konnte mir diese Stimme entgehen??? Wie konnten diese phantastischen, eingängigen Songs, sich durch meine Gehörgänge schleichen, ohne darin festzuwachsen? Ergebnis: Dauerrotation. Kauf der nächsten Scheibe: "How to measure a Planet?"
Ein kurzer Abriss über die Geschichte der Band. Die Brüder Hans (Schlagzeug) und René Rutten (Gitarre), sind die Keimzelle von The Gathering. 1989 gründeten sie die Band, 1992 konnte man die Veröffentlichung des Debuts vermelden. Bereits 1993 folgte ein weiteres Album, verbunden mit Veränderungen der Bandbestzung. Dann der wichtigste Schritt in der Entwicklung der noch jungen Band. Auf dem 1995 veröffentlichten "Mandylion", ist erstmals Anneke van Giersbergen als Sängerin zu hören. Die Band frönte bereits damals einer sehr atmosphärischen Musik, einer Mischung aus Rock, Metal und einer Prise Gothic Rock. 1997 erschien "Nighttime Birds", jenes Album, welches Jahre später, eine gewaltige Welle der Begeisterung bei mir auslösen sollte.
Bereits ein Jahr später, sind The Gathering mit einem Doppelalbum am Start. Das hier vorgestellte "How to measure a Planet?". Die Band erfindet sich fast komplett neu. Alle musikalischen Schranken fallen, man zeigt sich sehr experimentierfreudig. Rock, Alternative, ein wenig Metal und sogar Spacerock, werden zu einer bunten, einzigartigen Mischung verschmolzen. Annekes Gesang erreicht göttliches Niveau. Aber genug geschwärmt. Wenden wir uns dem weiteren Werdegang der Band zu. Nach diversen Querelen mit der Plattenfirma, gründet die Band ihr eigenes Label: "Psychonaut Records". 2000 kommt "If_then_else" auf den Markt. Sicherlich konventioneller als der Vorgänger, mit wieder gesteigertem Härtegrad, aber kein aufkochen der älteren Alben. Es dauert bis 2003, dann folgt mit "Souvenirs" ein grandioser Nachfolger, auf dem sich die Band wieder deutlich vom spröden Geschrammel entfernt. Inzwischen befindet sich auch das aktuelle Werk "Home" in meiner Sammlung. Ein ebenfalls sehr stimmungsvolles Werk, vielleicht etwas schwerer zugänglich als die Vorgänger.
"Frail" eröffnet das Füllhorn phantastischer Songs, welches "The Gathering" auf "How to measure a Planet", über uns ergiessen. Sanft spacig das kurze Intro, dann der getragene Einsatz der Instrumente, die Gitarren erinnern mich fast ein wenig an The Cure. Der gefühlvolle Gesang von Anneke geht tief unter die Haut. Hier fehlen mir die Worte, hört es euch selbst an! Wenn ich Nina Persson, Frontfrau der Cardigans, zu meiner "Queen of Erotic" küren würde, dann wäre Anneke van Giersbergen ganz klar meine "Queen of Emotions". Weiter geht es mit "Great open Road". Tatsächlich sehe ich mich über eine weite Ebene schweben, und werde von einer mächtigen Großstadt eingesogen. Wenn Anneke dann die Textzeilen
There is no place
on the face of this Earth
Only Silence
is the Sound
of an Angel
anstimmt, ist das Gänsehaut pur. Aber es gibt kein Entrinnen aus dieser Stimmung. Das Werk steigert sich immer weiter, und "Rescue me" ist von derartiger Intensität, dass ich mich frage, wie ich jahrelang ohne diese CD existieren konnte. Erwähnung sollte die sehr gute Produktion des Albums finden. Der Sound ist warm, druckvoll aber durchaus nicht ohne Ecken und Kanten. So gibt es im zunächst ruhigen "Rescue me" kraftvolle Ausbrüche. "My Electricity" ist eine weitere Perle, getragen von stimmungsvoller Percussion und Gitarre, über allem schwebt der Gesang und sorgt für Dauergänsehaut. Nun wird es, zumindest vordergründig, ein wenig konventioneller. "Liberty Bell" ist ein eher straighter Rocksong. Zunächst empfand ich den Track als Störfaktor, da er mir im Vergleich zum übrigen Material, fast ein wenig vulgär erschien. Aber Irrtum. Hört man "Liberty Bell" häufiger, offenbart es seine Tiefe, und passt sich stimmig ins Album ein. Aber was ist das schon im Vergleich zu "Red is a slow Colour". Sobald Anneke die ersten Worte anstimmt, verfalle ich in eine bizarre Mischung aus Hypnose und Begeisterungsorkan. Dieser Text, diese Musik, dieser unglaublich fette Refrain. Der Song steigert sich, steigert sich, steigert sich... es ist nahezu unglaublich.
"The big Sleep" klingt spacig, bietet zwar eine kleine Entspannung nach dem göttlichen Vorgänger, aber The Gatering lassen dem Hörer keine Chance, wieder Boden unter den Füssen zu gewinnen. Wir schweben mit Anneke über eine spätsommerliche Landschaft, um plötzlich unvermittelt in die Erdumlaufbahn gesaugt zu werden. Denn genau das passiert mit dem Beginn von "Marooned". Hier klingt die Band, fast wie eine beschleunigte, energiegeladene Version von Portishead, aber mit deutlich besserem Gesang. Was dann mit "Travel" folgt ist unbeschreiblich. Zunächst wieder ein spaciges, stimmungsvolles Intro. Dann eine warme Gitarre, sanfte Drums, die Göttin singt. Ein neunminutiger O(h)rgasmus. Steigerung der Dramatik im Refrain, wundervoller Sound, das Zimmer verwandelt sich in eine Arena, frei schwebend durch die Erdatmosphäre. Das ist nun wirklich nicht mehr in Worte zu fassen. Kerzenlicht an und sich fallen lassen!!!
Nun kann nichts mehr kommen, oder? Wie soll man "Travel" noch steigern? Gar nicht!? The Gathering legen eine weitere Scheibe nach. Auf CD2 des Albums, präsentiert sich die Band gar noch experimenteller! Man versucht nicht "noch einen draufzulegen", sondern lässt der Freude am musizieren freien Lauf. "South American Ghost Ride" ist ein stimmungsvolles Instrumental. Es gibt zwar Vokaleinsätze, aber Anneke agiert hier als "wortloses Instrument". Unvermittel bricht das Stück in sich zusammen, und "Illuminating" übernimmt das Ruder. Keyboardteppiche und Bass bauen ein stimmungsvolles Gerüst, der Refrain bricht die getragene Stimmung auf. Sehr schön. "Locked away" kommt ein wenig düster daher, passend zu den Lyrics. "Probably built in the Fifties" beginnt kantig und sperrig, behält diese Sperrigkeit auch weitgehend bei, wobei der Gesang die Stimmung ab und zu aufbricht. Den Schlusspunkt setzt der Titeltrack. Funksprüche aus dem Weltall, leiten den über 28 Minuten dauernden Song ein. Auch hier haben wir es mit einem Instrumental zu tun. Die Lust am Experiment, geht nun ein wenig mit den symphatischen Holländern durch. Die letzten Minuten des Tracks, sind nur noch wirres Geschwurbel, und sorgen zunächst für Befremdung. Wer allerdings zuvor eine prall gefüllte Wundertüte über den Hörer ausschüttet, dem sei auch solches Selbstverwirklichungsgeschnacksel zugestanden.
Fazit: Nahezu grenzenlose Begeisterung meinerseits. Vielen Dank ihr Holländer. Ich will noch lange von Euch hören! Peinlich für das Blap, dass es sechs Jahre brauchte, um Euch lieben zu lernen. Dafür ist Euch aber ein Ehrenplatz in meinem Player sicher.
Weitere Empfehlungen:
Nighttime Birds (1997) - DER Schläfer in meiner Sammlung. Ich verstehe bis heute nicht, warum das Album sechs Jahre benötigte um zu zünden. The Gathering klingen hier sehr eingängig und stimmungsvoll.
If_then_else (2000) - Nach "How to measure a Planet?", packt die Band hier wieder härter zu. Allerdings kopiert man nicht die Alben vor "How..." Konventioneller, aber ebenfalls sehr gelungen.
Souvenirs (2003) - Ein wundervolle Scheibe. Würde ich die Reihenfolge nicht kennen, hätte ich auf den Nachfolger von "How to measure a Planet?" getippt.
Home (2006) - Ein weiteres tolles Album. Fällt recht ruhig aus, und braucht Aufmerksamkeit!