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Welche Bedeutung hat 'Hochstromfähigkeit' für Verstärker?

Verfasst: Mo 7. Apr 2003, 13:47
von TobiasM
Hallo,

da das Thema in einem anderen Thread aufkam und darin leider komplett off-topic ist (was, zugegebenermaßen, ziemlich egal ist, aber es geht um's Prinzip :), hab' ich mal ein neues Thema aufgemacht. Ich finde die Frage nämlich auch sehr interessant.

Also, welche Bedeutung hat eine 'Hochstromfähigkeit von 42A' (Wert von meinem Amp)? Harman/Kardon ist die einzige mir bekannte Marke, die das immer besonders hervorhebt, daher bin ich etwas skeptisch, wie wichtig diese Angabe ist.


Danke und bye, Tobias

Verfasst: Mo 7. Apr 2003, 14:37
von ghnomb
Hi Tobias,

die Hochstromfähigkeit ist durchaus interessant, und sagt z.B. mehr aus als reine Wattangaben.

Stromlieferfähigkeit ist immer dann wichtig, wenn man impedanzkritische Lautsprecher (z.B. alte Infinity's) hat, die in manchen Frequenzbereichen deutlich unter 4Ohm fallen. Ein (Strom)kräftiger Verstärker kann solche LS dann deutlich besser kontrollieren.

Ausserdem ist das auch noch ein Indiz für ein ausreichend dimensioniertes Netzteil.

geholfen?
Jürgen

Verfasst: Mo 7. Apr 2003, 18:01
von g.vogt
Hallo,

diese Angaben sind mir auch nicht ganz klar. Harman/Kardon reitet auf dieser Hochstromfähigkeit besonders offensichtlich herum, aber auch bei Creek kann man sowas lesen oder z.B. bei NAD, zumindest auf deren wesentlich ausführlicheren englischsprachigen Seite.

Nur mal zwei Beispiele:
C350: up to 55 amps peak current capability,
C370: up to 450 Watts into 2 ohms and up to 70 amps current capability into 1 ohm!

Geht man nun nur mit dem ohmschen Gesetz ran, dann kommt da ziemlicher Blödsinn raus:
P = R * I² = 1 Ohm * (70A)² = 4900 Watt.
Allerdings sind Lautsprecher komplexe Lasten, bei denen die Phase von Strom und Spannung wohl vielfach auseinander driften dürfte, die Wirkleistung dürfte mit dem eben "errechneten" Wert nicht viel gemein haben.
Also ist mit der "Hochstromfähigkeit" wohl eher gemeint, dass die Verstärker an komplexen Lasten mit kräftigen Phasendrehungen und den dabei auftretenden Belastungen nicht "die Fassung verlieren".

Harman/Kardon und NAD habe ich ausgiebig gehört und finde deren Verstärker in der Tat überzeugend. Aber richtig rechnerisch untermauern kann ichs leider nicht.

Vielleicht kommt ja noch jemand, der dieses Thema besser durchdringt.

Mit internetten Grüßen

PS: Upps, da war noch ein Schreibfehler, husch-husch, weg isser.

Verfasst: Mo 7. Apr 2003, 18:38
von Thias
...es ist klar, die Leistung kann man damit natürlich nicht berechnen. Aber für kürzeste Zeiten können schon mal extrem hohe Ströme fließen, das bringt sogar ein 600 W Netzteil. Wenn man einen Kondensator mit einem idealen Kurzschluß entleert (Innenwiederstand und Last gleich =0) ist der Strom unendlich hoch :D . Wenn also 70A bei einer Last von 1 Ohm kurzzeitig fließen können, spricht das für einen sehr geringen Innenwiderstand der Endstufe (was sich im hohen Dämfungsfaktor wiederspiegelt). Klanglich bedeutet dies eine äußerst schnelle und präzise Basswidergabe und ein transparentes Klangbild, die Lautsprecher sind gut bedämft.
Wenn ein Verstärker bei 1 Ohm Last nur 20 A bringt bedeutet dies bei gleicher Leistung (gleicher Betriebsspannung) einen deutlich höheren Innenwiderstand der Endstufe. Und das kann man hören :wink:

Gruß Thias

Verfasst: Mo 7. Apr 2003, 18:57
von TobiasM
Ah, sehr schön, jetzt weiß ich wenigstens ungefähr, was ich mit diesem Wert anzufangen habe.
Gibt es eine 'Faustformel', mit der ich überprüfen kann, ob ein Verstärker eine für seine Leistung ausreichende Hochstromfähigkeit besitzt? Die beiden Werte (RMS Leistung und Hochstromfähigkeit) hängen doch ebenfalls zusammen, oder? Wenn nicht, hab' ich's doch nicht verstanden ;)

tschö, Tobias

Verfasst: Di 8. Apr 2003, 08:35
von Oliver67
Aus meiner Sicht ist das Ganze ein Marketinggag:

denn Volt x Ampere = Watt

Oder anders gesagt: nur ein wirklich starker Verstärker kann auch wirklich Ampere liefern.
Wenn dann Harman was von über 40 Ampere erzählt, ist das unglaubwürdig, hier ein Beispiel:
40 Ampere x 40 Volt = 1600 Watt

Wenn man mal bei richtig großen Endstufen nachschaut, geben die Hersteller (realistischerweise) Werte im gleichen Größenbereich an:

Monoendstufe MBL 9010 (5000 Watt Spitzenleisung, 800 Watt Sinus): 50 Ampere/100 Volt Spitze!
McIntosh Monos (1000 Watt Sinus) liegen im gleichen Bereich (genaues müßte ich nachsehen)

Wie Thias schon sagte: für Millisekunden gehts vielleicht, aber dann sind wir auch wieder bei Spitzenleistungsangaben von xxx Watt fürs PC-Aktiv-Böxchen.

Oliver

Verfasst: Di 8. Apr 2003, 08:46
von Thias
Moin
RMS und Hochstromfähigkeit hängen nur sehr bedingt voneinander ab. Schuld daran ist das Netzteil, das sehr unterschiedlich gebaut sein kann.
Also nochmal: RMS-Leistung ist die Leistungsfähigkeit eines Verstärkers über einen größeren Zeitraum die entsprechende Leistung abzugeben. Begrenzend wirken dabei der Trafo des Netzteiles und die Kühlung der Endstufentransistoren. Also hauptsächlich thermische Faktoren und Größe des Netztransormators. Dies sagt aber alles noch nichts über Hochstromfähigkeit aus.
Die Hochstromfähigkeit wird hauptsächlich durch "Hardwarekonstruktion" der Endstufen bestimmt. Um also geringe Innenwiderstände zu erreichen, müssen mehrere Transistoren parallel geschaltet werden etc. Das Netzteil hat auch einen bedingten Einfluß. Wichtig ist, dass "große und dicke" Kondensatoren drin sind, die die Energie für die Schnellentladung bereithalten, also genügend Strom kurzzeitig liefern können. Der Trafo spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Ich könnte selbst mit einem Klingeltrafo große Kondensatoren in 1 min aufladen und dann in einer ms mit einem wahnsinns-Strom entladen :lol: Dann darf ich aber nur die Sinfonie mit dem (einen) Paukenschlag hören, :wink: ansonsten kommt ständig clipping.

Ergo, Hochstromfähigkeit und RMS-Leistung sind getrennte paar Schuhe, aber beide wichtig und sollten beim Verstärkerkauf berücksichtigt werden.

Gruß Thias

Verfasst: Di 8. Apr 2003, 08:53
von Thias
Hallo Olliver,
Aus meiner Sicht ist das Ganze ein Marketinggag:
kann dir nur bedingt Recht geben.
Es stimmt, es ist ein Marketinggag, wenn aus der Hochstromfähigkeit auf die Leistung geschlossen wird, was offensichtlich bei PC-Böxchen und Auto-HiFi getan wird.
Aber Hochstromfähigkeit soll nun mal nicht die Dauerleistung, sondern andere Werte verdeutlichen, die durchaus Klangrelevant sind (s. meine Beiträge oben)

Gruß Thias

Verfasst: Di 8. Apr 2003, 10:05
von Oliver67
Hallo Thias,

deine Ausführungen sind mir schon klar. Deshal habe ich als Beispiel ja die MBL-Endstufe herangezogen. Die ist mit 5000 Watt Spitze/800 Watt Sinus genau so ausgelegt, wie wir es hier gerade besprechen: weiches Netzteil (also kleiner Trafo, große Kondensatoren, sehr großzügig dimensionierte Leistungstransistoren)

Trotzdem kann dieses 90 kg-Mono-Blöckchen nur 50 Ampere Spitzenstrom liefern.

Und (bei vernünftiger Messweise) kenne ich kein anderes Monster (Mcintosh, Burmester, etc), das mehr als 60-70 Ampere schafft.

Wenn dann für eine kleine Stereoendstufe von 2x100 Watt das gleiche behauptet wird, ist das halt unglaubwürdig (Transistoren kosten auch Geld!).

Oliver

Verfasst: Di 8. Apr 2003, 11:36
von Thias
Hallo Oliver,

sicher, die Frage ist, ob Birnen mit Eiern verglichen werden. Welche Zeit muß dieser Spitzenstrom fließen können? :?: , an welcher Last mit welcher Betriebsspannung mit welchem Innenwiderstand? Letzteres ist eigentlich das Hauptqualitätskriterium.
Es kann durchaus sein, dass eine Profi-PA-1kW-Endstufe auch nur 70 A (bei welchem widerstand?) Spitzenstrom bringt, dann hat sie aber entweder relativ "schwache" Kondensatoren oder einen zu hohen Innenwiderstand (keine Parellelschaltung der Leistungstransistoren), oder zu wenig Spannungsreserven der Betriebsspannung. :o Also sehr viel Unbekannte.
Im Profi-Bereich setzt man mehr auf den Dämfungsfaktor, der durchaus bei 2000:1 liegen kann (zeck) (im HiFi-Bereich bei guten Endstufen 100-200) und auf die Spannungsanstiegsgeschwindigkeit (z.B. 50 V/us (mikrosekunde).



Übrigens, die Qualität eines Verstärkers nach kg zu beurteilen, halte ich für etwas fragwürdig. Da gibt es Ringkerne, die recht leicht sind oder EI oder M-Kerne, die Gewicht bringen. Aber richtig ist, dass man mit 5 kg kein 500 W-Netzteil bauen kann, es sei denn, es ist ein Schaltnetzteil...
Und (bei vernünftiger Messweise) kenne ich kein anderes Monster (Mcintosh, Burmester, etc), das mehr als 60-70 Ampere schafft.
das ist logisch, Verstärker in der Klasse 100-200 W können nicht mehr Spitzenstrom bringen. z. B. folgende Annahme:
Betriebsspannung 70 V
Lastwiderstand 1 Ohm
Innenwiderstand 0 Ohm 8)
I=U/R
Dann ist das ein Wunderwerk der Technik mit einem max. Spitzenstrom von 70 A
Also, eine wesentliche Frage ist also auch, wie hoch ist die Betriebsspannung? Im HiFi-Bereich wird sie wohl kaum viel höher als oben angenommen sein.
Was man auch noch beachten sollte: Spitzenstrom ist von Spitze zu Spitze Sinus gemessen. Das ist zum Effektivwert (wie bei RMS-Leistungsangabe) ein Faktor von ca. 2,8 :!: In obigem Beispiel wäre das zum Vergleich eine "effektive Spitzenleistung" (was natürlich Quatsch ist) von nur noch max. 437 W an 4 Ohm.

Gruß Thias