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Wiedergabequalität besser erfassen

Verfasst: So 6. Apr 2008, 19:21
von raw
Immer wenn man versucht, ein Hörerlebnis für die Forenkameraden in Worte zu fassen, quält man sich mit der Frage „Wie fasse ich das möglichst authentisch in Worte?“. Trotz aller Mühe des Schreibers übersetzt der Leser manche Beschreibungen etwas anders als gedacht in seine Vorstellung über den berichteten Klang. Prinzipiell gibt es viele Dinge, die einer Allgemeingültigkeit des subjektiven Klangberichts entgegenstehen. Man hört zu oft, dass man einen Lautsprecher doch selbst hören solle, um sich ein Urteil bilden zu können. Das lässt sich keinesfalls bestreiten, aber mit Hilfe des Folgenden kann man zumindest schwarze Schafe leichter und „allgemeingültiger“ entlarven und Vergleichen ein eindeutigeres Ergebnis verleihen.

Dieser Text und die beschriebene Herangehensweise besitzen keinerlei wissenschaftlichen Charakter. Das Geschriebene beruht nur auf meinen eigenen Erfahrungen.
Ich habe die unten erwähnten Testtöne selbst generiert, in ein .zip-Archiv gepackt (ca. 6.5MB) und hochgeladen:
http://www.dateiupload.com/files/baqrc8s5dD.zip



Klangfarbe:

Zum Testen der Klangfarbe eines Lautsprechers nimmt man meistens Musik. Leider ändert sich das Frequenzspektrum der Musik zeitlich sehr schnell. Ständig klingen Töne aus und neue, höhere oder tiefere, an. Musik ist nur bedingt dazu geeignet, Fehler im Frequenzgang eines Lautsprechers aufdecken zu können. Man braucht ein Signal mit einem bestimmten und zeitlich konstanten Frequenzspektrum. Rosa Rauschen ist hier praxisorientiert, da sein Frequenzspektrum etwa dem von Musik entspricht und zeitlich konstant ist.

Wenn man Rosa Rauschen noch nie oder nur wenige Male über Lautsprecher gehört hat, fühlt man sich ziemlich ratlos. Zuallererst muss man sich mit diesem Signal „kalibrieren“. Dies geschieht am besten mit Hilfe eines Software-Equalizers am PC. Mit dem EQ testet man, wie sich eine Senke oder Überhöhung bei einer bestimmten Frequenz mit bestimmten Pegel und bestimmter Bandbreite anhört. Am besten man hört sich das über verschiedene und auch über gute Lautsprecher an. Diese Eingewöhnung erfordert Zeit und Geduld. Es hilft, wenn man sich vorstellt, direkt vor einem schönen, großen Wasserfall zu stehen. Den imaginären Wasserfall kann man dann mit dem gehörten Signal vergleichen, um Unterschiede besser auszumachen. Das mag sehr abenteuerlich scheinen, aber es funktioniert tatsächlich sehr gut. Wenn man mal weiß, wie Rosa Rauschen über einen Lautsprecher zu klingen hat, kann man schnell Fehler erkennen. Je mehr man zuvor mit dem Equalizer gespielt hat, desto leichter lässt sich erkennen, wo und wie ausgeprägt Fehler sind. Es ist dann ein Leichtes, einen Lautsprecher treffsicher in seiner Klangfarbe zu bewerten.

Im Wohnzimmer klingt Rosa Rauschen manchmal etwas „röhrig“, seltsam räumlich und nach „Hallenbad“, was an Reflexionen liegt. Man hört meistens einzelne Raumresonanzen im unteren Mittel- und Tiefton heraus. Davon sollte man sich nicht beirren lassen. Ein Lautsprecher sollte im Hörraum dennoch tonal ausgewogen klingen.
Rauschen ist zum Testen der Raumakustik recht brauchbar. Wenn „Mono-Rauschen“ klein und direkt/nah abgebildet wird, hat man wenig Reflexionen. Hören sich „Rosa Rauschen verpolt“ und „Rosa Rauschen mono“ ähnlich an, herrschen starke Reflexionen vor.




Nichtlinearitäten:

Was Nichtlinearitäten sind, kann ich in einem anderen Thread näherbringen. Für den Hörtest muss man lediglich wissen, dass ein Lautsprecher neue Töne produzieren kann. Die entstehenden Töne können zum Beispiel Vielfache einer Frequenz sein (Klirrfaktor) oder wenn mehrere Frequenzen im Spiel sind, Mischprodukte (Intermodulationsverzerrung). Ist der Klirrfaktor gering, verändert sich nur die Klangfarbe eines Tons. Bei höherem Klirrfaktor kann man auch separate Töne erkennen. Die Mischprodukte der IM-Verzerrung sind jedoch immer als separate Töne hörbar und damit leicht zu erkennen.
Solche Verzerrungen sind unvermeidbar, aber dennoch sollte ein Lautsprecher so wenig wie möglich Töne hinzufügen.
Die hier verwendeten Testtöne decken die Verzerrungen viel besser auf, als sie bei gewöhnlichem Musikmaterial hörbar wären. Auch wenn die Hörschwelle zu diesen Verzerrungen im Normalgebrauch höher liegt als bei den Testtönen, sind die Testtöne ein sehr brauchbarer Indikator. Nicht zuletzt muss man bedenken, dass ein Lautsprecher auch Dynamikspitzen möglichst neutral wiedergeben muss.

Um den Klirrfaktor zu hören, kann man einzelne Sinustöne oder einen langsamen Sinus-Sweep benutzen. Man kann sich zur Orientierung einen ganz leisen Sinuston mit dem Ohr direkt am Lautsprecher anhören. Dann kann man sich entfernen, lauter machen und hören, wie sich dabei seine Klangfarbe verändert sogar weitere Töne hörbar werden.

Das folgende Signal besteht aus drei gleichlauten Basstönen mit 40Hz, 60Hz und 90Hz und einem gleichzeitig laufenden Sweep (-6dB) von 150Hz bis 2500Hz. Es ist beispielsweise brauchbar, um IM-Verzerrungen von Tiefmitteltönern von Zweiweg-Lautsprechern zu hören. Das Signal ist ziemlich erbarmungslos und an typischem Musikmaterial orientiert.
IM-Verzerrungen entstehen aber nicht nur, wenn tiefe und hohe Töne, sondern allgemein wenn mehrere Töne abgespielt werden sollen.
Die folgenden zwei Signale bestehen aus zwei Sinus-Sweeps mit Frequenzabstand von einer Sekunde. Einmal 90Hz-900Hz und 100Hz-1000Hz und dann 900Hz-9000Hz und 1000Hz-10000Hz. Letzteres Signal habe ich eher der Vollständigkeit halber hinzugefügt, da bei gewöhnlichen Hochton-Kalotten kaum IM-Verzerrungen auftreten.


Zur Orientierung, wie sich „typische“ Verzerrungen eines Zweiweg-Lautsprechers anhören, zum Vergleich zwei Signale:

Reines Signal:

Code: Alles auswählen

100Hz			   0dB
850Hz			  -6dB
„Verzerrtes Signal“:

Code: Alles auswählen

100Hz            0dB
850Hz           -6dB

200Hz			-20dB		K2-Klirr	 10% des Grundtons 100Hz
300Hz			-30dB		K3-Klirr	  3%	- “ -
400Hz			-40dB		K4-Klirr	  1%	- “ -

1700Hz	     -46dB      K2-Klirr     1% des Grundtons 850Hz

750Hz+950Hz	 -26dB	   IMD2 		10% des Grundtons 850Hz
650Hz+1050Hz	-36dB		IMD3 		 3% 	- “ -
550Hz+1150Hz	-46dB		IMD4		  1%	- “ -
Ihr könnt mal das „reine Signal“ so laut aufdrehen bis es sich so ähnlich anhört wie das „verzerrte Signal“ bei geringer Lautstärke.




Zum Schluss möchte ich feststellen, dass ihr mit den Testtönen behutsam umgehen sollt. Sie sollten nicht mit mehreren dutzend Watt auf den Lautsprecher geprügelt werden. Ebenso sollt ihr auf euer Gehör achten und nicht mit wahnsinnigen Pegel hören. Wenn ihr Klirr und IM-Verzerrungen testet, solltet ihr einen großen Hörabstand zu den Lautsprechern einnehmen, sodass es euch nicht zu laut wird. Ich hafte für nichts und bin keinesfalls dafür verantwortlich, was ihr mit den Tönen anstellt.




Ich hoffe auf eine sehr interessante Diskussion. Ich bin stets bereit, den obigen Text sinnvoll zu ergänzen.

Verfasst: So 6. Apr 2008, 22:36
von weaker
Danke für diesen Artikel!

Verfasst: Mo 7. Apr 2008, 04:35
von Amperlite
Ich bin gerade etwas erstaunt, dass sich das verpolte Rauschen auch am Kopfhörer so falsch anhört. Hätte ich nicht erwartet.

Verfasst: Mo 7. Apr 2008, 09:04
von ramses
Sehr interessant, werd das mal ausprobieren. Leider ist der Download grad eben fehlgeschlagen :(

mfg

ramses

Verfasst: Mo 7. Apr 2008, 13:17
von 0711er
Hallo raw,
vielen Dank für den interessanten Bericht.
Werde mir die Signaltöne (download klappt!) mal genauer anschauen.

Gruß Andi

Verfasst: Di 8. Apr 2008, 15:31
von Red
Servus Denis,

Nice!

Interessante Fakten. Werd mal bissel rumtesten mit den Testtönen. ;)

Vorallem beim Punkt mit der Raumakustik bezüglich der Reflexionen bin ich mal gespannt...

Gruß Alex

Verfasst: Di 8. Apr 2008, 19:32
von Red
So ich habe mal ein bischen mit dem Rosa Rauschen und nem EQ rumgespielt.

Erst hab ich das Rosa Rauschen in Mono und danach das verpolte Rosa Rauschen abgespielt.
Da mein Raum ziemlich gut bedämpft ist sollte also beim Mono Rauschen die Abbildung klein/direkt/nah sein und beim Wechsel zwischen Mono- und verpoltem Rauschen sollte ein deutlicher Unterschied zu hören sein.
Das Ergebnis der Tests war dann auch genau so. Leider hab ich hier kein halligen Raum (ausser das Bad) um das Gegenteil noch testen zu können.

Im nächsten Test hab ich mir das mono Rauschen vor dem LS angehört und anschließend am Hörplatz. Vor dem LS war das Rauschen über die gesamte Breite sehr gleichmäßig, wie ein Wasserfall in etwa...
Soweit so gut. Nun hab ich mal den einem EQ genommen und ein wenig herumgespielt. Das Ergebnis war erstaunlich. Wenn man nun beispielsweise die Laustärke bei 2kHz angehoben hat war dies deutlich zu hören. Das Rauschen klang nun ungleichmäßig/überhöht. Also die überhöhte Frequenz war sehr deutlich herauszuhören. Dasselbe konnte man beim absenken einer Frequenz feststellen.

Bleibt festzuhalten das man mit dieser Methode sehr schön "Fehler" des Raumes oder der LS raushören kann sofern man weiß wie das unbeeinflusste Rosa Rauschen klingen muss.

Gruß Alex

Verfasst: Do 10. Apr 2008, 16:27
von raw
Soweit so gut. Nun hab ich mal den einem EQ genommen und ein wenig herumgespielt. Das Ergebnis war erstaunlich. Wenn man nun beispielsweise die Laustärke bei 2kHz angehoben hat war dies deutlich zu hören. Das Rauschen klang nun ungleichmäßig/überhöht. Also die überhöhte Frequenz war sehr deutlich herauszuhören. Dasselbe konnte man beim absenken einer Frequenz feststellen.
Genau diese Erfahrung zu machen, ist sehr wichtig für eine Bewertung anhand Rosa Rauschen. Danke, Alex.

___________

Na, seid ihr alle fleißig am Testen?

Re: Wiedergabequalität besser erfassen

Verfasst: Fr 11. Apr 2008, 17:54
von Selbst
Hallo raw,

Klasse, daß es nun doch zu einer Veröffentlichung kam.

Danke.

Na, seid ihr alle fleißig am Testen?
Hab' schon mal eine wenig 'rumgespielt'.



raw hat geschrieben:Klangfarbe:

Bei mir ist der Unterschied zwischen 'verpolt' und 'nicht' auch sehr deutlich, obwohl mein Raum (leider noch) sehr wenig bedämpft ist, wobei sich die verpolte Version im Vergleich diffuser (nicht/weniger ortbar) anhört, als die nicht verpolte, die man deutlich als Phantom-Center wahrnehmen kann. Komischerweise hält sich der 'Hallenbad-Effekt' in Grenzen.




raw hat geschrieben:Es hilft, wenn man sich vorstellt, direkt vor einem schönen, großen Wasserfall zu stehen. Den imaginären Wasserfall kann man dann mit dem gehörten Signal vergleichen, um Unterschiede besser auszumachen. Das mag sehr abenteuerlich scheinen, aber es funktioniert tatsächlich sehr gut. Wenn man mal weiß, wie Rosa Rauschen über einen Lautsprecher zu klingen hat, kann man schnell Fehler erkennen. Je mehr man zuvor mit dem Equalizer gespielt hat, desto leichter lässt sich erkennen, wo und wie ausgeprägt Fehler sind. Es ist dann ein Leichtes, einen Lautsprecher treffsicher in seiner Klangfarbe zu bewerten.
Beim 'Anheben-/Absenken Spiel' mit dem Equalizer (PC) kann auch ich deutliche Unterschiede erkennen, wobei ich hier die Schwierigkeit sehen, im indirekten Boxenvergleich diesen Unterschied auszumachen.
Die beste Möglichkeit wäre natürlich Boxen direkt zu vergleichen, aber ich habe auch festgestellt, daß man beim Anheben-/Absenken der unterschiedlichen Frequenzbereiche die damit einhergehenden Rauschveränderung isolieren und diesem Frequenzbereich zuordnen kann. Zum Beispiel klingt ja die Anhebung-/Absenkung im Bereich 100 Hz anders als bei 250 Hz usw.
Wenn man einen bestimmten Frequenzbereich mit dem dementsprechendem Rauschgeräusch verknüpft (vielleicht hilft da eine spezifische Vorstellung), ist es bestimmt Möglich diesen auch ohne direkten Vergleich auszumachen.


Auf jeden Fall werde ich mit dieser Test-CD den einen oder anderen Laden aufsuchen und einen Vergleich machen.


raw hat geschrieben:Nichtlinearitäten:
Hier habe ich so meine Schwierigkeiten, was das 'ganz leicht Erkennen' angeht, oder gibt es bei mir einfach nichts zu erkennen. :?

Das einzige, was mir auffiel, war ein gleichmäßig wiederkeherendes "Flattern" oder Vibrieren beim abspielen der IM-VERZERRUNGEN Sweep 100Hz-1000Hz 90Hz-900Hz 30s.mp3.
Der klangliche Unterschied zwischen Hörplatz und Nahfeld erscheint mir jedenfalls erstaunlich gering zu sein.


to be continued ...

Verfasst: Sa 26. Apr 2008, 16:48
von raw
Aufgrund der geringen Resonanz denke ich, dass man sich nicht darüber im Klaren ist, wie wichtig dieser Beitrag ist. Beispielsweise fanden Intermodulationsverzerrungen wahrscheinlich noch nie Beachtung in Hörtests, obwohl sie u. a. in den meisten Fällen hauptverantwortlich für limitierte Dynamik sind.

Z. B. das Testsignal mit den Basstönen und dem Sweep ist wie dafür geschaffen, um die Unterschiede zwischen einem Zweiweger mit und ohne Trennung zu einem Subwoofer zu zeigen, oder die zwischen der alten nuWave10 und der nuWave105 (oder gar nuWave125 und nu??? 14).