Verstärkerleistung
Verfasst: Mo 23. Aug 2010, 13:06
Als zukünftiger Nubert Kunde (ich habe mir die NuJubilee35 auf meinen Wunschzettel geschrieben), lese ich hier schon einige Zeit mit und habe mich heute im Forum angemeldet. Ich möchte meinen ersten Beitrag nicht mit einer Frage, sondern mit einer hoffentlich hilfreichen Betrachtung eröffnen, die vielleicht eine fruchtbare Diskussion anstößt:
Ich lese hier oft Empfehlungen, welcher Verstärker am besten zu welchen Boxen passt. Solche Empfehlungen haben mit Sicherheit ihre Berechtigung, und ich möchte auch nicht über Verstärkerklang diskutieren. Denn ich denke, dass zumindest ein schlechter Verstärker klingt, nämlich schlecht. Ein guter wird dem Signal hingegen nichts Substanzielles hinzufügen oder wegnehmen. Mir geht es hier um die erforderliche Verstärkerleistung. Auch wenn ich der Meinung bin, viel Leistung kann nichts schaden, so möchte ich einige Hinweise zur Bewertung von Verstärkerleistung geben:
Die Nubert-Boxen haben meist einen Wirkungsgrad von 85 dB/1 W in 1 m Entfernung. Wäre die Lautsprecherbox eine punktförmige Quelle, die ihre Schalleistung gleichmäßig in alle Richtungen abgibt und stünde sie im freien Raum ohne Schall reflektierende Flächen um sie herum, dann würde ihr Schalldruckpegel mit jeder Verdopplung der Hörentfernung um 6 dB abnehmen. Bei 2 m Entfernung hätten wir also nur noch 79 dB, bei 4 m 73 dB usw. Die Box ist aber kein Kugelstrahler, der im Freifeld steht. Der Schall wird - zumindest im Höhen- und Mittenbereich - nach vorn gebündelt. Im Bassbereich wird er vermehrt an Wänden, Decke und Fußboden reflektiert und erreicht den Hörer als indirekter Schall. Im Wohnzimmer nimmt also der Schallpegel sehr viel weniger mit der Entfernung ab, als im Freien. Nehmen wir einmal als normale Hörentfernung 2 bis 3 m an. Dann dürfte dort immer noch ein Schalldruckpegel von deutlich mehr als 80 dB herrschen, wenn der Verstärker 1 W RMS elektrische Leistung an die Box liefert (RMS: Root Mean Square, eine gemittelte Dauertonleistung).
Wie ist dieser bei 1 W erreichte Schalldruckpegel einzuschätzen? Ist das eher laut oder leise?
Mastering-Ingenieure im Tonstudio verwenden vielfach kalibrierte Abhörmonitore nach dem so genannten K-System (vom Mastering Guru Bob Katz entwickelt). Deren Pegel ist auf 77 dB eingemessen, was nach Bob Katz intensiven Studien etwa der mittlere Schalldruckpegel bei den Konsumenten zu Hause ist. Verglichen damit, sind Pegel deutlich über 80 dB schon eher laut. Es sei allerdings nicht verschwiegen, dass andere Mastering-Ingenieure bei höheren RMS-Pegeln bis 85 dB mastern. Das stellt aber keinen Verstärker vor Probleme, und sei er noch so schwach.
Tatsächlich geht es bei Verstärkern nicht um die RMS-Leistung (da könnte ein 20 W-Zwerg auch infernalischen Lärm oberhalb jeden musikalisch sinnvollen Pegels erzeugen), sondern es geht vielmehr um die Verstärkung von Transienten. Transienten sind kurze Impulsspitzen, die (bei hervorragenden Abmischungen) schon mal 16 dB und mehr über dem mittleren Schalldruckpegel liegen können. Die exakte Wiedergabe von Transienten unterscheidet u. a. einen guten von einem schlechten Verstärker. Wenn er Transienten verzerrt oder gar gnadenlos abschneidet, klingt es nicht nur schlecht, auch die Hochtöner können geschädigt werden, weil durch die Verzerrungen sehr viel Energie in den oberen Frequenzbereich fließt. Um also ausgeprägte Transienten abbilden zu können, muss der Verstärker ein Vielfaches der Leistung, die er benötigt, den durchschnittlichen Abhör-Schalldruck zu gewährleisten, kurzfristig erbringen können. Dies ist vor allem bei klassischer Musik, aber auch beim Jazz enorm wichtig.
In heutiger Pop- und Rockmusik, Hiphop, Techno sind die Transienten aber viel weniger ausgeprägt, weil man lieber einen hohen RMS-Pegel anstrebt (Stichwort: Loudness war, aber das ist eine andere Baustelle). Ein Transientenabstand von 10 dB gilt schon als recht dynamisch. Aktuelle Veröffentlichungen, etwa von Red Hot Chilli Peppers oder Metallica, weisen oft nur noch eine Rest-Mikrodynamik (Transienten über lautesten RMS-Pegel) von 2 bis 4 dB auf.
Für eine Erhöhung des Schalldruckpegels um 3 dB muss die Verstärkerleistung verdoppelt werden. Ausgehend von sagen wir 1 W Leistung für einen RMS-Pegel von 82 dB, ergibt sich folgende Tabelle:
1 W 82 dB
2 W 85 dB
4 W 88 dB
8 W 91 dB
16 W 94 dB
32 W 97 dB
64 W 100 dB
Wenn wir also bei 82 dB mittleren Schalldruck hören (was laut Bob Katz schon 5 dB über dem durchschnittlichen Consumerpegel liegt), dann benötigt der Verstärker 64 W unverzerrte Leistung, um bei diesem Durchschnittspegel Transienten von 18 dB zu übertragen. Das sollte genug Reserve für jeden Musikgenuss sein.
Wenn man Musik natürlich deutlich lauter hört, sagen wir mit 91 dB RMS und 8 W Dauerleistung (ab hier etwa können beim Gehör irreparable Dauerschädigungen auftreten, wenn über mehrere Stunden gehört wird!), dann reicht die Reserve nur für Transienten bis 9 dB, was aber für aktuelle Pop-Musik durchaus ausreichen dürfte.
Bei den hier genannten Leistungsangaben muss allerdings gewährleistet sein, dass diese Leistung so erbracht wird, dass die Transienten unverzerrt abgebildet werden. Und hier genau liegt das Problem. Anhand der Wattangabe eines Verstärkers ist das kaum zu beurteilen, wenn wir nicht wissen, wie sie gemessen wurde. Es gibt deren nämlich eine ganze Reihe: neben der RMS-Leistung die Sinus-Dauertonleistung, die Musikleistung, die Spitzenleistung und Abwandlungen davon.
Die in Prospekten angegebene und meist weit über der RMS-Leistung liegende Musikleistung sagt zum Beispiel nicht viel über die Qualität eines Verstärkers aus, obwohl sie scheinbar etwas mit der Transientenverstärkung zu tun hat. Ich zitiere mal Wikipedia:
Was fehlt, ist die Angabe eines Klirrfaktors, bei dem die so genannte Musikleistung gemessen wurde. Ohne diesen ist aber ihre Kenntnis wertlos, denn man kann ihr nicht entnehmen, ob Transienten unverzerrt oder stark verzerrt übertragen werden. Die Musikleistung wird wahrscheinlich nur angegeben, um die Watt-Werte werbewirksam in die Höhe zu treiben. Aber man kann es noch schlimmer machen: Der unsägliche PMPO (Peak Music Power Output), der manchmal (vor allem bei Billig-Produkten) angegeben wird, ist ein völlig unsinniger berechneter Wert, fern von jeder Praxis, der eine unrealistisch hohe Leistung vorspiegelt. Den Mantel des Schweigens über ihn.
Fazit: Die tatsächlich bei der Musikwiedergabe vom Verstärker geforderte Dauer-Leistung spielt beim Antrieb der Lautsprecher eine eher untergeordnete Rolle, denn sie beträgt nur wenige Watt. Es geht also nicht um die erreichbare Lautstärke. Entscheidender ist, dass er Impulsspitzen (Transienten) verzerrungsfrei wiedergeben kann. Bei extrem dynamischer Musik können diese 100 W und mehr Leistung fordern. Wer sicher gehen will, ermittelt anhand der Tabelle oben, welche maximale Transienten-Leistung (ich nenne sie mal so, um sie von der dubiosen Musikleistung abzugrenzen) er benötigt - was von der Art der Musik und der Grundlautstärke abhängt - und kauft einen Verstärker, der diese als RMS-Leistung zur Verfügung stellen kann. Dann ist man auf der sicheren Seite, denn bei der RMS-Leistung wird auch in der Regel ein Klirrgrad angeben, und der liegt meist deutlich unter 1%.
Ich lese hier oft Empfehlungen, welcher Verstärker am besten zu welchen Boxen passt. Solche Empfehlungen haben mit Sicherheit ihre Berechtigung, und ich möchte auch nicht über Verstärkerklang diskutieren. Denn ich denke, dass zumindest ein schlechter Verstärker klingt, nämlich schlecht. Ein guter wird dem Signal hingegen nichts Substanzielles hinzufügen oder wegnehmen. Mir geht es hier um die erforderliche Verstärkerleistung. Auch wenn ich der Meinung bin, viel Leistung kann nichts schaden, so möchte ich einige Hinweise zur Bewertung von Verstärkerleistung geben:
Die Nubert-Boxen haben meist einen Wirkungsgrad von 85 dB/1 W in 1 m Entfernung. Wäre die Lautsprecherbox eine punktförmige Quelle, die ihre Schalleistung gleichmäßig in alle Richtungen abgibt und stünde sie im freien Raum ohne Schall reflektierende Flächen um sie herum, dann würde ihr Schalldruckpegel mit jeder Verdopplung der Hörentfernung um 6 dB abnehmen. Bei 2 m Entfernung hätten wir also nur noch 79 dB, bei 4 m 73 dB usw. Die Box ist aber kein Kugelstrahler, der im Freifeld steht. Der Schall wird - zumindest im Höhen- und Mittenbereich - nach vorn gebündelt. Im Bassbereich wird er vermehrt an Wänden, Decke und Fußboden reflektiert und erreicht den Hörer als indirekter Schall. Im Wohnzimmer nimmt also der Schallpegel sehr viel weniger mit der Entfernung ab, als im Freien. Nehmen wir einmal als normale Hörentfernung 2 bis 3 m an. Dann dürfte dort immer noch ein Schalldruckpegel von deutlich mehr als 80 dB herrschen, wenn der Verstärker 1 W RMS elektrische Leistung an die Box liefert (RMS: Root Mean Square, eine gemittelte Dauertonleistung).
Wie ist dieser bei 1 W erreichte Schalldruckpegel einzuschätzen? Ist das eher laut oder leise?
Mastering-Ingenieure im Tonstudio verwenden vielfach kalibrierte Abhörmonitore nach dem so genannten K-System (vom Mastering Guru Bob Katz entwickelt). Deren Pegel ist auf 77 dB eingemessen, was nach Bob Katz intensiven Studien etwa der mittlere Schalldruckpegel bei den Konsumenten zu Hause ist. Verglichen damit, sind Pegel deutlich über 80 dB schon eher laut. Es sei allerdings nicht verschwiegen, dass andere Mastering-Ingenieure bei höheren RMS-Pegeln bis 85 dB mastern. Das stellt aber keinen Verstärker vor Probleme, und sei er noch so schwach.
Tatsächlich geht es bei Verstärkern nicht um die RMS-Leistung (da könnte ein 20 W-Zwerg auch infernalischen Lärm oberhalb jeden musikalisch sinnvollen Pegels erzeugen), sondern es geht vielmehr um die Verstärkung von Transienten. Transienten sind kurze Impulsspitzen, die (bei hervorragenden Abmischungen) schon mal 16 dB und mehr über dem mittleren Schalldruckpegel liegen können. Die exakte Wiedergabe von Transienten unterscheidet u. a. einen guten von einem schlechten Verstärker. Wenn er Transienten verzerrt oder gar gnadenlos abschneidet, klingt es nicht nur schlecht, auch die Hochtöner können geschädigt werden, weil durch die Verzerrungen sehr viel Energie in den oberen Frequenzbereich fließt. Um also ausgeprägte Transienten abbilden zu können, muss der Verstärker ein Vielfaches der Leistung, die er benötigt, den durchschnittlichen Abhör-Schalldruck zu gewährleisten, kurzfristig erbringen können. Dies ist vor allem bei klassischer Musik, aber auch beim Jazz enorm wichtig.
In heutiger Pop- und Rockmusik, Hiphop, Techno sind die Transienten aber viel weniger ausgeprägt, weil man lieber einen hohen RMS-Pegel anstrebt (Stichwort: Loudness war, aber das ist eine andere Baustelle). Ein Transientenabstand von 10 dB gilt schon als recht dynamisch. Aktuelle Veröffentlichungen, etwa von Red Hot Chilli Peppers oder Metallica, weisen oft nur noch eine Rest-Mikrodynamik (Transienten über lautesten RMS-Pegel) von 2 bis 4 dB auf.
Für eine Erhöhung des Schalldruckpegels um 3 dB muss die Verstärkerleistung verdoppelt werden. Ausgehend von sagen wir 1 W Leistung für einen RMS-Pegel von 82 dB, ergibt sich folgende Tabelle:
1 W 82 dB
2 W 85 dB
4 W 88 dB
8 W 91 dB
16 W 94 dB
32 W 97 dB
64 W 100 dB
Wenn wir also bei 82 dB mittleren Schalldruck hören (was laut Bob Katz schon 5 dB über dem durchschnittlichen Consumerpegel liegt), dann benötigt der Verstärker 64 W unverzerrte Leistung, um bei diesem Durchschnittspegel Transienten von 18 dB zu übertragen. Das sollte genug Reserve für jeden Musikgenuss sein.
Wenn man Musik natürlich deutlich lauter hört, sagen wir mit 91 dB RMS und 8 W Dauerleistung (ab hier etwa können beim Gehör irreparable Dauerschädigungen auftreten, wenn über mehrere Stunden gehört wird!), dann reicht die Reserve nur für Transienten bis 9 dB, was aber für aktuelle Pop-Musik durchaus ausreichen dürfte.
Bei den hier genannten Leistungsangaben muss allerdings gewährleistet sein, dass diese Leistung so erbracht wird, dass die Transienten unverzerrt abgebildet werden. Und hier genau liegt das Problem. Anhand der Wattangabe eines Verstärkers ist das kaum zu beurteilen, wenn wir nicht wissen, wie sie gemessen wurde. Es gibt deren nämlich eine ganze Reihe: neben der RMS-Leistung die Sinus-Dauertonleistung, die Musikleistung, die Spitzenleistung und Abwandlungen davon.
Die in Prospekten angegebene und meist weit über der RMS-Leistung liegende Musikleistung sagt zum Beispiel nicht viel über die Qualität eines Verstärkers aus, obwohl sie scheinbar etwas mit der Transientenverstärkung zu tun hat. Ich zitiere mal Wikipedia:
(http://de.wikipedia.org/wiki/Musikleistung)Bei der Angabe der Musikleistung wird ein kurzzeitig erreichbarer Leistungs-Spitzenwert pro Kanal angegeben, der ein Maß für die maximale Aussteuerbarkeit bei Lautstärkespitzen eines Musiksignales ist, bei der das Signal gerade noch ohne clipping verarbeitet wird.
Was fehlt, ist die Angabe eines Klirrfaktors, bei dem die so genannte Musikleistung gemessen wurde. Ohne diesen ist aber ihre Kenntnis wertlos, denn man kann ihr nicht entnehmen, ob Transienten unverzerrt oder stark verzerrt übertragen werden. Die Musikleistung wird wahrscheinlich nur angegeben, um die Watt-Werte werbewirksam in die Höhe zu treiben. Aber man kann es noch schlimmer machen: Der unsägliche PMPO (Peak Music Power Output), der manchmal (vor allem bei Billig-Produkten) angegeben wird, ist ein völlig unsinniger berechneter Wert, fern von jeder Praxis, der eine unrealistisch hohe Leistung vorspiegelt. Den Mantel des Schweigens über ihn.
Fazit: Die tatsächlich bei der Musikwiedergabe vom Verstärker geforderte Dauer-Leistung spielt beim Antrieb der Lautsprecher eine eher untergeordnete Rolle, denn sie beträgt nur wenige Watt. Es geht also nicht um die erreichbare Lautstärke. Entscheidender ist, dass er Impulsspitzen (Transienten) verzerrungsfrei wiedergeben kann. Bei extrem dynamischer Musik können diese 100 W und mehr Leistung fordern. Wer sicher gehen will, ermittelt anhand der Tabelle oben, welche maximale Transienten-Leistung (ich nenne sie mal so, um sie von der dubiosen Musikleistung abzugrenzen) er benötigt - was von der Art der Musik und der Grundlautstärke abhängt - und kauft einen Verstärker, der diese als RMS-Leistung zur Verfügung stellen kann. Dann ist man auf der sicheren Seite, denn bei der RMS-Leistung wird auch in der Regel ein Klirrgrad angeben, und der liegt meist deutlich unter 1%.