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Keramikkalotten in High-End-Lautsprechern

Verfasst: So 17. Okt 2010, 21:27
von Rank
Die schwedische Firma XTZ hat nun auch einen "High-End-Lautsprecher" vorgestellt, der in der Preisklasse der nuVero 14 angesiedelt ist.
Bei den Chassis werden Keramik-Membrane verwendet (Hochtöner von Visaton und Mitteltöner von Accuton).
Die edlen Zutaten lassen durchaus vermuten, dass hier ein Preisknaller entstanden ist, der genauso wie die nuVero 14 so manchen deutlich teueren Mitbewerber in Bedrängnis bringen könnte.

Aber alleine schon das Design der XTZ Divine machen diese Lautsprecher bestimmt nicht zu einem direkten Konkurenten zur nuVero 14, sondern stellt eher genau das Gegenteil einer schlanken Klangsäule dar (ist also fast genauso "pummelig" wie eine B&W 802).
http://www.xtz.se/uk/products/speakers/divine

Offenbar hatte "Hifi-Selbstbau" auch ein klein wenig die Finger mit im Spiel: http://www.visaton.de/vb/showthread.php?t=20304

Aber im Grunde bin ich nur durch das aussergewöhnliche Anschlussterminal auf diesen Lautsprecher aufmerksam geworden.
Ist schon erstaunlich welche Anschlussmöglichkeiten hier vorgesehen sind: http://www.xtz.se/custom/database/files ... 431-01.pdf (ab Seite 10).
Das Anschlussterminal lässt zumindest vermuten, dass die Enwicklung zukünftig hier auch in Richtung Aktiv-Lautsprecher gehen könnte.
Sicherlich eine Bereicherung für den Lautsprechermarkt, obwohl mir das Design doch etwas zu "pummelig" wäre.

Grundsätzlich taucht bei mir aber die Frage auf, ob denn Keramikkalotten überhaupt hörbare Vorteile gegenüber "konventionellen" Materialien bringen können :?:

Wenn ich mir meine nuLine 120 anhöre, dann bin ich immer wieder von der Präzision so beeindruckt, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, dass sich dies durch Keramikkalotten überhaupt noch hörbar steigern lässt.
Im Moment bin ich zumindest der Überzeugung, dass ein Lautsprecher-Chassis nur so präzise spielen kann, wie es die Auslegung der Frequenzweiche zulässt.
Dennoch ist mir bezüglich der präzisen Wiedergabe nicht ganz klar, welchen Anteil daran die Chassis-Auswahl hat und welchen Anteil die Frequenzweiche.




Gruß
Rank

Verfasst: Mo 18. Okt 2010, 07:19
von Tank
Hallo

Die Firma bringt einen Vollverstärker mit 3 Endstufen für diesen Lautsprecher herraus.Qasi Tri-Amping-Vollverstärker um 1400.-Euro.


Grüsse Tank

Re: Keramikkalotten in High-End-Lautsprechern

Verfasst: Mo 18. Okt 2010, 08:37
von BlueDanube
Rank hat geschrieben:Die schwedische Firma XTZ hat .......
Ist Dir eigentlich in Deiner 5-jährigen Forenzugehörigkeit nie aufgefallen, dass diese Forenkategorie für "Nubert-Boxen in klassischer 2-Kanal-Anwendung" gemacht wurde? :roll:

Verfasst: Mo 18. Okt 2010, 14:06
von raw
Solange Frequenzgang, Abstrahlverhalten und Verzerrungen gleich sind, klingen die Hochtöner gleich - egal ob Seidenkalotte, Metallkalotte oder Bändchen.

In dieser Magisterarbeit wird GENAU dieses Thema behandelt:
http://www.ak.tu-berlin.de/fileadmin/a0 ... r_MagA.pdf

Hier einige Messungen der KE25SC von HiFi-Selbstbau:
http://hifi-selbstbau.de/index.php?opti ... view&id=14

Die Nubi-Hochtöner sind sehr gut und die KE25SC scheint auch sehr gut zu sein.

Verfasst: Mo 18. Okt 2010, 14:17
von Mysterion
raw hat geschrieben:Solange Frequenzgang, Abstrahlverhalten und Verzerrungen gleich sind, klingen die Hochtöner gleich - egal ob Seidenkalotte, Metallkalotte oder Bändchen.

In dieser Magisterarbeit wird GENAU dieses Thema behandelt:
http://www.ak.tu-berlin.de/fileadmin/a0 ... r_MagA.pdf

Hier einige Messungen der KE25SC von HiFi-Selbstbau:
http://hifi-selbstbau.de/index.php?opti ... view&id=14

Die Nubi-Hochtöner sind sehr gut und die KE25SC scheint auch sehr gut zu sein.
Wo steht, dass die Nubert Hochtöner sehr gut sind?

Verfasst: Mo 18. Okt 2010, 14:21
von raw
Das sieht man anhand den Messungen, die von den HiFi-Zeitschriften gemacht wurden und anhand denen, die von Nubert hier veröffentlicht wurden.

Verfasst: Mo 18. Okt 2010, 15:40
von Rank
raw hat geschrieben:Solange Frequenzgang, Abstrahlverhalten und Verzerrungen gleich sind, klingen die Hochtöner gleich - egal ob Seidenkalotte, Metallkalotte oder Bändchen.

In dieser Magisterarbeit wird GENAU dieses Thema behandelt:
http://www.ak.tu-berlin.de/fileadmin/a0 ... r_MagA.pdf

Hier einige Messungen der KE25SC von HiFi-Selbstbau:
http://hifi-selbstbau.de/index.php?opti ... view&id=14

Die Nubi-Hochtöner sind sehr gut und die KE25SC scheint auch sehr gut zu sein.
Ufff, 'ne menge Holz diese Magisterarbeit - mal schau'n wie lange ich brauch' um das alles zu lesen. 8O

Wenn es aber nun doch Klangunterschiede geben sollte, dann sind diese vermutlich weniger beim Membranmaterial zu suchen, sondern wahrscheinlich eher (oder ausschließlich) beim Abstahlverhalten :?:

Bei einer Keramikmembran die in einer "gewöhnlichen" Gummisicke aufgehängt ist, wird vermutlich die Impulstreue/Präzision auch eher von der Beschaffenheit der Gummisicke bestimmt werden und nicht in erster Linie vom Material der Mebran :?:

Bei einer Mebran aus sehr hartem Werkstoff (z.B. Keramik), besteht dann vermutlich der einzige Vorteil darin, dass diese sich nicht mehr verwinden kann?
Also je härter das Mebranmaterial, desto weniger Einflüsse duch Verwindung/Verformung (wenn man mal mögliche Gewichtsunterschiede ausser acht lässt) :?:


Gruß
Rank

Verfasst: Mo 18. Okt 2010, 18:45
von yukons
Hallo Rank,
die Zusammenfassung hat eine deutliche Aussage.
So etwas wie einen "Materialklang" soll es bei gleichen Voraussetzungen nicht geben.
Allerdings lese ich ebenfalls heraus das für diese Tests alle weiteren Einflüsse wie die Spulen und Magnete, elektronisch und damit klanglich angeglichen wurden um eventuelle Unterschiede durch verschiedene Antriebssysteme zu kompensieren.
Es wurden die Amplituden und Phasenabweichungen angeglichen.
Jetzt mal eine Frage: Werden denn die Ergebnisse dadurch nicht ebenfalls verfälscht ?
Ein korrekter Test hätte doch z.B. verschiedene Kalottenmaterialien mit den gleichen Magneten und Spulen versehen um dann einen Unterschied herauszuhören.
Wenn man doch die Amplitudenunterschiede im Frequenzgang auf +-1db auspegelt hat man doch immer die gleiche Frequenz und damit den gleichen Klang bei allen Systemen...
Die Kunst einen guten Hochtöner zu kreieren besteht doch darin alle Komponenten so aufeinander abzustimmen das ein optimaler Frequenz und Phasengang erreicht wird. Und zwar ohne Elektronik.

Beispiele für Systeme die quasi anders herum entwickelt wurden sind z.B. die Keramikchassis von Thel oder der Manger Wandler.
Ohne stark regulierende passive oder aktive Entzerrung bekommt man aus den Teilen kaum einen geraden Ton heraus.
Mit der passenden Elektronik jedoch, sind sie im Stande großartiges zu leisten.

Verfasst: Mo 18. Okt 2010, 19:55
von Inder-Nett
Rank hat geschrieben:Wenn es aber nun doch Klangunterschiede geben sollte, dann sind diese vermutlich weniger beim Membranmaterial zu suchen, sondern wahrscheinlich eher (oder ausschließlich) beim Abstahlverhalten :?:
...oder bei der meist ungenügenden Entzerrung des Übertragungsverhaltens!
Rank hat geschrieben:Bei einer Keramikmembran die in einer "gewöhnlichen" Gummisicke aufgehängt ist, wird vermutlich die Impulstreue/Präzision auch eher von der Beschaffenheit der Gummisicke bestimmt werden und nicht in erster Linie vom Material der Mebran :?:

Bei einer Mebran aus sehr hartem Werkstoff (z.B. Keramik), besteht dann vermutlich der einzige Vorteil darin, dass diese sich nicht mehr verwinden kann?
Also je härter das Mebranmaterial, desto weniger Einflüsse duch Verwindung/Verformung (wenn man mal mögliche Gewichtsunterschiede ausser acht lässt) :?:
Dafür stellt die Membran eine wesentlich härtere monolithische Masse dar, welche mit der Gummisicke ein Feder-Masse-System bildet, welches zu einer markanten Resonanz neigt. Deshalb ist der hier zitierte Visaton-Hochtöner ja auch gleich werksseitig mit einem Filter ausgestattet, welches diese Resonanz bedämpfen soll und welches (damit es nicht so auffällt) gleich mit in's Gehäuse integriert ist.
yukons hat geschrieben:Allerdings lese ich ebenfalls heraus das für diese Tests alle weiteren Einflüsse wie die Spulen und Magnete, elektronisch und damit klanglich angeglichen wurden um eventuelle Unterschiede durch verschiedene Antriebssysteme zu kompensieren.
Es wurden die Amplituden und Phasenabweichungen angeglichen.
Jetzt mal eine Frage: Werden denn die Ergebnisse dadurch nicht ebenfalls verfälscht ?
Ein korrekter Test hätte doch z.B. verschiedene Kalottenmaterialien mit den gleichen Magneten und Spulen versehen um dann einen Unterschied herauszuhören.
Wenn man doch die Amplitudenunterschiede im Frequenzgang auf +-1db auspegelt hat man doch immer die gleiche Frequenz und damit den gleichen Klang bei allen Systemen...
Nun war ja genau das eben nicht das Ziel der Arbeit, sondern es ging darum, ob es über den gemessenen Amplituden und Phasengang hinaus weitere hörbare Klangeinflüsse gibt, ob also das Argument der "Goldöhrchen" stichhaltig ist, dass da weitere Einflüsse auf den Klang existieren, welche messtechnisch nicht erfassbar und in Amplituden und Phasengang nicht darstellbar wäre.

Und dazu ist das Ergebnis sehr eindeutig: Wenn ein Hochtöner bzgl. Amplitude und Phase sauber entzerrt ist, dann spielt das verwendete Material überhaupt keine Rolle.

Nachtrag: Danke an raw für den Link!
Sehr aufschlussreiche Arbeit. Nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch genau das, was viel öfter den Geist des Forum bestimmen sollte!

Verfasst: Di 19. Okt 2010, 19:57
von raw
Inder-Nett hat geschrieben:
Rank hat geschrieben:Bei einer Keramikmembran die in einer "gewöhnlichen" Gummisicke aufgehängt ist, wird vermutlich die Impulstreue/Präzision auch eher von der Beschaffenheit der Gummisicke bestimmt werden und nicht in erster Linie vom Material der Mebran :?:

Bei einer Mebran aus sehr hartem Werkstoff (z.B. Keramik), besteht dann vermutlich der einzige Vorteil darin, dass diese sich nicht mehr verwinden kann?
Also je härter das Mebranmaterial, desto weniger Einflüsse duch Verwindung/Verformung (wenn man mal mögliche Gewichtsunterschiede ausser acht lässt) :?:
Dafür stellt die Membran eine wesentlich härtere monolithische Masse dar, welche mit der Gummisicke ein Feder-Masse-System bildet, welches zu einer markanten Resonanz neigt. Deshalb ist der hier zitierte Visaton-Hochtöner ja auch gleich werksseitig mit einem Filter ausgestattet, welches diese Resonanz bedämpfen soll und welches (damit es nicht so auffällt) gleich mit in's Gehäuse integriert ist.
Das Folgende ist an alle gerichtet mit paar zusätzlichen Infos - vielleicht interessiert es ja jemanden.

Der Filter bedämpft diese Resonanz nicht. Es handelt sich nur um einen Saugkreis, der die Impedanzkurve glattbügelt.

Die Impedanz ist bei dieser Resonanzfrequenz erhöht. Die Schwingeinheit will wegen der nicht ausreichenden mechanischen Dämpfung beim Einschwingvorgang größer aufschwingen, als sie gemäß Eingangsspannung sollte. Ist das der Fall, wird durch die "zu große" (= "zu schnelle") Bewegung der Schwingspule im Permanentmagnetfeld eine Gegen-EMK/Spannung in der Schwingspule induziert. Die Resonanz wird also nicht nur mechanisch durch Verluste in der Aufhängung, sondern auch elektrisch bedämpft. Da diese Gegen-EMK entgegen der Eingangsspannung gerichtet ist, drückt sich das in einer Erhöhung der Impedanz bei dieser Frequenz aus.
Diese Resonanz hat jeder Lautsprecher, ansonsten könnte er nicht funktionieren. Sie ist minimalphasig und linear, also klanglich uninteressant, weil man sie perfekt entzerren kann. Typischerweise muss man das aber nicht, weil sie bei fast jedem Kalottenhochtöner zwischen 500 und 2000 Hz und damit außerhalb des Übertragungsbereichs liegt.
Hochtöner mit Ferrofluid im Luftspalt sind durch das Ferrofluid so stark bedämpft, dass sie nur eine geringe Impedanzüberhöhung haben. Sie benötigen meist keinen Saugkreis.
Eine glattgebügelte Impedanzkurve ist sinnvoll, weil eine vorgeschaltete Passivweiche somit eine "weitgehend ohmsche" Last sieht. So können Passivweiche und Lautsprecher zusammen keinen parasitären Schwingkreis eingehen.

Eigentlich geht es hier aber um mögliche Membranresonanzen am oberen Ende des Übertragungsbereichs! :!:
Da schwingen Teile der Membran nicht mehr im Gleichtakt mit der Schwingspule. Hier sieht man z. B., was damit gemeint ist:
http://www.klippel.de/scanner/Example2.asp

Bei harten Kalottenmembranen findet man am oberen Ende des Übertragungsbereichs - meist oberhalb von 20 kHz - eine sehr stark ausgeprägte Resonanz, die sich oft in einer sehr großen Pegelüberhöhung äußert. Diese Resonanz ist kaum bedämpft, weil das Membranmaterial sehr steif ist. Hier schwingt die Membranmitte sehr stark (und um 90° phasenversetzt) im Vergleich zur Schwingspule. Eine solche Resonanz/Pegelüberhöhung kann man hier bei 27 kHz schön sehen: http://www.seas.no/index.php?option=com ... Itemid=157
Bei weichen Kalottenmembranen liegt diese erste Membranmode zwar im Übertragungsbereich, also unter 20kHz, jedoch ist diese sehr stark bedämpft - eben weil die Membran weich und dämpfend ist.

Übrigens: Bei der KE25SC gibt es diese Pegelüberhöhung praktisch nicht, weil in ihrem Frontgitter ein (durchsichtiges) Plastikplättchen eingeklebt ist. Der Schall wird an diesem Plättchen reflektiert. Es ist so dimensioniert und positioniert, sodass sich genau bei der Resonanzfrequenz eine destruktive Interferenz ergibt, die die Pegelüberhöhung wegfiltert.



Ansonsten: Diese Magisterarbeit ist jedem HiFi-Fan zu empfehlen. Man braucht auch keine höhere Mathematik und Systemtheorie, um sie grundsätzlich zu verstehen.


EDIT: Hab paar Sachen geändert.