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Klirr bei Verstärkern

Verfasst: So 5. Jun 2011, 16:35
von Edgar J. Goodspeed
Angeregt durch den Verlauf in diesem Thread, wollte ich hier dazu anregen, etwas weiter über Klirr bei Verstärkern und dessen Wichtigkeit bzw Vernachlässigbarkeit zu debattieren.


Doch was ist Klirr überhaupt?
Wiki sagt:
  • Der Klirrfaktor oder Oberschwingungsgehalt ist ein Maß dafür, wie weit eine Wechselgröße vom sinusförmigen Verlauf abweicht


Dementsprechend würde ich postulieren, dass Klirr möglichst niedrig sein sollte, um dem Ideal so nahe wie möglich zu kommen.

Bei Verstärkern wird der Klirr oft nur bei 1kHz bei einem Watt gemessen. Hier gibt der Klirrfaktor k an, in welchem Maße die Oberschwingungen (Harmonischen), die eine sinusförmige Grundschwingung überlagern, Anteil am Gesamtsignal haben. Andere Hersteller messen den gesamten Frequenzbereich von 20Hz bis 20kHz unter Volllast, andere auch nur mit einem Watt.


Doch ab wann ist Klirr hörbar?
Zunächst: Es ist frequenzabhängig und hängt von der Beschaffenheit des Nutzsignals ab, d.h. sinusartige Klänge gelten als empfindlichsten gegen Klirr - z.B. mehrere Flöten, die zusammen spielen; während Sprache oder Schlagzeug und andere "dichte Klänge" weniger empfindlich sind.
Ansonsten sagt Wiki weiter:
  • 5 % Klirrfaktor im Bassbereich sind meistens nicht wahrnehmbar. Im Präsenz- bzw. Brillianzbereich (1 bis 4 kHz), wo das Gehör am empfindlichsten ist, können unter bestimmten Bedingungen Verzerrungen auch noch unter 0,5 % hörbar sein.



Nun aber zum eigentlich interessanten:
Ist Klirr angenehm beim Hören oder schädlich?
Vorweg: Das Verzerrungsverhalten von Röhre und Transistor ist grundverschieden!
Bestimmte Harmonische werden vom Gehör als kaum störend wahrgenommen, andere hingegen werden schon bei geringsten Anteilen als unangenehm empfunden.
Da Röhrenverstärker Verzerrungsspektren aufweisen, die denen natürlicher Instrumente ähnlich sind, kann es sein, dass wir Röhrengeräte als angenehmer, klangfarbenreicher und auch letzendlich als richtiger empfinden.
Das andere Klirrsprektrum der Transistorverstärker kann hingegen als harscher und eckiger empfunden werden. Unter Umständen sogar als unmusikalisch.
Hierzu ein interessanter Link
- :text-link: -


Letztendlich kann man wohl sagen, dass Verstärkerklangunterschiede auch stark durch Klirr entschieden werden können und man - auch deswegen - um ein Probehören nicht umhin kommt.

So. Und jetzt ihr :D

Re: Klirr bei Verstärkern

Verfasst: So 5. Jun 2011, 16:41
von Oroperplex
Edgar J. Goodspeed hat geschrieben:
So. Und jetzt ihr :D
oje, ich gehöre scheinbar zu der unmusikalischen Fraktion 8)
http://www.stereo.de/index.php?id=456

Re: Klirr bei Verstärkern

Verfasst: So 5. Jun 2011, 16:51
von Edgar J. Goodspeed
Oroperplex hat geschrieben:oje, ich gehöre scheinbar zu der unmusikalischen Fraktion 8)
http://www.stereo.de/index.php?id=456
Fast bin ich gewillt zu schreiben: "Ein Beispiel dafür, das gute Messwerte nicht mit gutem Klang gleichzusetzen sind", aber da kann ich mich gut zurückhalten :mrgreen:

Re: Klirr bei Verstärkern

Verfasst: So 5. Jun 2011, 16:55
von TasteOfMyCheese
Wenn ich es richtig weiß, muss man auch zwischen dem Klirrfaktor und THD unterscheiden, da oft nur einer der beiden angegeben ist.

Klirrfaktor = Summe der Effektivwerte aller Oberschwingungen / Summe der Effektivwerte aller Harmonischen
THD = Summe der Effektivwerte aller Oberschwingungen / Effektivwert der Grundschwingung

Eine auf den ersten Blick gute Seite zu diesem Thema:
http://www.elektroniktutor.de/grundlg/verzerrt.html
Edgar J. Goodspeed hat geschrieben:Vorweg: Das Verzerrungsverhalten von Röhre und Transistor ist grundverschieden!
Röhren- und Transistorverstärker unterscheiden sich aber auch sehr stark in der "Reaktionszeit" bzw. "Spannungsanstiegszeit". Röhren schalten wesentlich langsamer und können daher ein steiles Signal nicht so exakt abbilden wie ein Transistorverstärker. Daher kommt eventuell auch dieser "warme" Klang, was eigentlich dann wohl nicht viel mehr als Ungenauigkeit bzw. das "Runden" eines Signals ist.
Grüße
Berti

Re: Klirr bei Verstärkern

Verfasst: So 5. Jun 2011, 17:14
von Edgar J. Goodspeed
TasteOfMyCheese hat geschrieben:Wenn ich es richtig weiß, muss man auch zwischen dem Klirrfaktor und THD unterscheiden, da oft nur einer der beiden angegeben ist.

Klirrfaktor = Summe der Effektivwerte aller Oberschwingungen / Summe der Effektivwerte aller Harmonischen
THD = Summe der Effektivwerte aller Oberschwingungen / Effektivwert der Grundschwingung
That's right! Auch danke für den Link! :D

TasteOfMyCheese hat geschrieben:
Edgar J. Goodspeed hat geschrieben:Vorweg: Das Verzerrungsverhalten von Röhre und Transistor ist grundverschieden!
Röhren- und Transistorverstärker unterscheiden sich aber auch sehr stark in der "Reaktionszeit" bzw. "Spannungsanstiegszeit". Röhren schalten wesentlich langsamer und können daher ein steiles Signal nicht so exakt abbilden wie ein Transistorverstärker. Daher kommt eventuell auch dieser "warme" Klang, was eigentlich dann wohl nicht viel mehr als Ungenauigkeit bzw. das "Runden" eines Signals ist.
Du sprichst von der Slew Rate: Die ist in V/µs angegeben. Sicherlich kommt es zusätzlich zum Klirr hinzu!


Viel interessanter bei den schwachen Röhren ist aber eigentlich, dass viele ihnen beim Hören "mehr Bass" als ihren Transen attestieren. Das stimmt auch. Quasi. Denn in dem Fall ist es oft so, dass sich der extrem hohe Klirr auf das eigentliche Nutzsignal aufschlägt und der Bass damit kräftiger, aber auch verwaschener klingt! Hier unterscheiden sich übrigens auch Transistoramps im Hörtest voneinander, wenn man mal etwas lauter hört.

Re: Klirr bei Verstärkern

Verfasst: So 5. Jun 2011, 17:21
von TasteOfMyCheese
Edgar J. Goodspeed hat geschrieben:Du sprichst von der Slew Rate: Die ist in V/µs angegeben. Sicherlich kommt es zusätzlich zum Klirr hinzu!
Genau, das meinte ich, ist mir leider nicht mehr eingefallen der Name.
Edgar J. Goodspeed hat geschrieben:Viel interessanter bei den schwachen Röhren ist aber eigentlich, dass viele ihnen beim Hören "mehr Bass" als ihren Transen attestieren. Das stimmt auch. Quasi. Denn in dem Fall ist es oft so, dass sich der extrem hohe Klirr auf das eigentliche Nutzsignal aufschlägt und der Bass damit kräftiger, aber auch verwaschener klingt! Hier unterscheiden sich übrigens auch Transistoramps im Hörtest voneinander, wenn man mal etwas lauter hört.
Wir haben Glück, dass sich hier fast nieand rumtreibt, der Röhrenverstärker nutzt, sonst würden wir wohl gesteinigt für solche Aussagen.
Ist aber definitiv ein interessantes Thema und sehr interessant finde ich auch, wie schlecht man hier wieder mal von den Herstellern informiert wird... Gerade die High-End-Hersteller sollten doch damit angeben können, wie gut der Verlauf ist und dazu eine Menge Details ausspucken...
Grüße
Berti

Re: Klirr bei Verstärkern

Verfasst: So 5. Jun 2011, 17:38
von Oroperplex
Edgar J. Goodspeed hat geschrieben:
Viel interessanter bei den schwachen Röhren ist aber eigentlich, dass viele ihnen beim Hören "mehr Bass" als ihren Transen attestieren. Das stimmt auch. Quasi. Denn in dem Fall ist es oft so, dass sich der extrem hohe Klirr auf das eigentliche Nutzsignal aufschlägt und der Bass damit kräftiger, aber auch verwaschener klingt! Hier unterscheiden sich übrigens auch Transistoramps im Hörtest voneinander, wenn man mal etwas lauter hört.
Gott sei dank bin ich unmusikalisch und das rattenscharf Exakte ggü. dem Verwaschenen macht mich eher an.

Aber sicherlich hat Beides sein Reize, wie auch ein EQ ausnahmsweise seine Reize haben kann.

Re: Klirr bei Verstärkern

Verfasst: Mo 6. Jun 2011, 19:06
von tf11972
Oroperplex hat geschrieben:
Gott sei dank bin ich unmusikalisch und das rattenscharf Exakte ggü. dem Verwaschenen macht mich eher an.
Hier muss ich aber widersprechen: Musikalität und exakte Wiedergabe sind kein Widerspruch, sondern bedingen einander sogar. Wenn ich im Studium mal unsauber gespielt habe, hat mir das meine Lehrerin gleich um die Ohren gehauen.

Und wenn mir meine Wiedergabegeräte unsaubere Aufnahmen gnadenlos um die Ohren hauen, kann ich das nur begrüßen.

Viele Grüße
Thomas

Re: Klirr bei Verstärkern

Verfasst: Mo 6. Jun 2011, 19:07
von Edgar J. Goodspeed
@Thomas: Dirk bezog sich darauf, dass Klirr als musikalisch empfunden werden kann, seine CA-Kombi aber de facto keinen Klirr produziert... Da machen unsere nuVero14 viel mehr Dreck :wink:

Re: Klirr bei Verstärkern

Verfasst: Mo 6. Jun 2011, 19:33
von tf11972
Hab ich auch so aufgefasst. Aber:

Musikinstrumente sollen ein bestimmtes Obertonspektrum haben, was ja ihre Klangfarbe ausmacht, HiFi-Geräte eben nicht.

Meine Meinung.

Viele Grüße
Thomas