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Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Mi 5. Feb 2014, 23:36
von TasteOfMyCheese
Hallo zusammen,

da dieses Thema wirklich häufig auftaucht, habe ich mal für mich die Vor- und Nachteile dieser Variante aufgeschrieben.
Die Vorteile lassen sich kurz und knapp aufzählen:

- Günstiger, da kein Center-Lautsprecher gekauft werden muss
- Optisch schöner, da kein Lautsprecher vor / unter / über dem Fernseher / der Leinwand befestigt werden muss
- Einfacher in der Handhabung, da kein Lautsprecher vor / unter / über dem Fernseher / der Leinwand befestigt werden muss

Bei den Nachteilen muss man schon deutlich weiter ausholen, daher schreibe ich hier zuerst einmal die Grundlagen nieder bevor die Nachteile zusammengefasst werden.

Richtungsabhängigkeit (horizontal):
Das menschliche Gehör ist stark richtungsabhängig, damit meine ich, dass wir Schall mit einer bestimmten Frequenz, je nachdem aus welchem Winkel er auf unsere Ohren trifft, unterschiedlich stark wahrnehmen. Kurz: Der Frequenzgang unseres Gehörs ist winkelabhängig (Diagramme auf: http://www.informatik.uni-ulm.de/ni/Leh ... oeren1.pdf, Seite 4). Der Center-Lautsprecher strahlt üblicherweise aus 0° auf den Kopf, während die Schallanteile der Frontlautsprecher etwa aus 22-35°einfallen. Ist der Center-Kanal nicht vorhanden, fällt der Schall, welcher eigentlich exakt von vorne kommen sollte, aus einem Winkel von 22-35° ein. Dadurch ergibt sich ein anderer Frequenzgang als es eigentlich sein müsste und damit eine Verfälschung.

Destruktive Interferenz:
Beim Phantomcenter wird der Center-Kanal exakt auf die beiden Frontkanäle aufgeteilt, damit er anschließend genau aus der Mitte zu kommen scheint. Da der Mensch 2 Ohren besitzt, ergibt sich aus dem Schall, welcher vom rechten Lautsprecher ans linke Ohr gerät und dem Schall, welcher vom linken Lautsprecher ans linke Ohr gerät eine Laufzeitdifferenz von ca. 9cm (je nach Winkel der Frontlautsprecher). Diese Laufzeitdifferenz führt zu einer fast vollkommenen Auslöschung bei ca. 2 kHz. Dasselbe gilt natürlich auch für das rechte Ohr. Da Frequenzen um 2kHz für die Stimmverständlichkeit unheimlich wichtig sind, leidet diese stark unter dieser Interferenz (Kammfilter).
Nun kann man sich fragen, warum das nicht immer bei Stereo gilt, sobald etwas genau in der Mitte spielt (z.B. Stimmen :D).
Antwort: Da Stereo-Signale auch im Stereo abgemischt worden sind, kann diese fehlende Stimmverständlichkeit natürlich entsprechend schon vorher korrigiert werden (z.B. durch eine Anhebung im Bereich 2kHz), sodass der Konsument davon überhaupt nichts mitbekommt.

Zusammenfassung der negativen Punkte:
- Verfälschung des Frequenzgangs durch veränderten Winkel
- Verschlechterung der Stimmverständlichkeit durch destruktive Interferenz bei ca. 2kHz
- Centerkanal ist häufig nicht mehr individuell regel- und damit anpassbar

Diese negativen Punkte überwiegen die positiven meiner Ansicht nach deutlich, insofern sollte immer wenn möglich, ein Center-Lautsprecher eingesetzt werden. Phantomcenter sollten meiner Meinung nach nur genutzt werden, wenn der Winkel der Frontlautsprecher zum Hörplatz kleiner als 15° ist, also nur bei sehr spitzen Stereo-Dreiecken. Hier gibts die Vor- und Nachteile zusammengefasst.

Was sind euer Ansicht nach weitere Vor- und Nachteile? Wie sind eure Erfahrungen / Gedanken dazu?

Viele Grüße
Berti

Re: Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Do 6. Feb 2014, 00:05
von Langerr1
Für mich, ganz klar pro Center.

Noch zwei einfache Punkte die auch für Laien einfach zu verstehen sind und auch schnell heraushörbar ist.

1. viel ruhigeres Klangbild, wird nicht alles nur aus zwei Ls gedrückt.
2. viel bessere Surround Effekte.

Gruß

Re: Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Do 6. Feb 2014, 09:21
von Seekape
Schöner Post ! Danke :)

Pro Center !!

# gefühlt/gehört bessere Stimmenwiedergabe ohne strenge Beachtung den Sweetspots
# sieht "männlicher", "brachaler" aus mit Center :twisted:

ABER: Wenn das Geld nicht da ist und der Sweetspot eingehalten werden kann, ist auch der "Phantomcenter" eine Wahl (für einen Hörer). Bis das Geld gespart wurde für einen richtigen Center.

Lieber gute Front, Stereodreieck und KEIN Center, als einen schlechten Brüllwürfel in der Mitte :mrgreen:

Re: Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Do 6. Feb 2014, 09:31
von ThomasB
Beim Rearkanal wirds abseits der Achse dann schwierig, die meisten Filme haben ja nichtmal einen dritten Rearkanal.

Mit Center an den Randplätzen sicher besser, den Phantomcenter hinten zu ersetzen wäre interessant.

(Gutes) Heimkino wird wohl immer was für Ehoisten bleiben :mrgreen:

Re: Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Do 6. Feb 2014, 13:38
von StefanB
Es sollte immer ein Center-LS eingesetzt werden, der identisch zu den anderen 4 Surrounds ist. So wird auch das Original erstellt.

Wenn das nicht drin ist, dann sollte man Phantomcenter wählen. Ist das kleinere Übel. Einige Musik-DVD´s sind inzwischen absichtlich wegen der angesprochenen Problematik in 4.1 produziert !!!

Der falsche Raumeindruck in Bezug auf Tiefe und Breite des Surroundfeldes, der bei Nutzung eines falschen Centers entsteht, ist für mich ein No-Go; ein nichtidentischer Phasengang ist in seinen Auswirkungen auf den erlebten Raum dramatisch gegenüber den gelisteten negativen Punkten ( Das hört man selbst in/bei mieser Akustik ). Zudem : Stimmen stehen dann viel zu weit vorne oder hinten, je nachdem wie unpassend der Center ist, da die wesentlichen Fehler im Bereich 1500-2500 Hz, als auch im Bereich der Blauertschen Bänder, passieren. Das Zusammenspiel des unterschiedlichen Abstrahlverhaltens von liegenden quasi-D´Appo´s zu stehenden Normalo-Boxen ist da noch nicht angesprochen -> 1.-Reflektionen Boden <-> Seitenwand in Bezug auf eine/die so wichtige ebene erste Wellenfront...Dass 3dB Pegelfehler bei Intensitätsstereo ein Objekt auf der Basis bereits 25% auslenken auch noch nicht. Merklich Destruktives gibts auch bei unterschiedlich auslaufenden Bassreflexern zu vermelden, und zwar an derem unteren Ende, dort lauert die heilige Basskuh. Usw. usw.

Bedenke :
Es handelt sich bei 5.1 Mischungen um Intensitätsstereophonie bezgl. Front L/R und Rears L/R, der Center-Kanal ist monaural korrelliert. So kann man Ereignisse z.B. von links nach Rechts wandern lassen. Oder hinten nach vorne. Oder...
Mit Laufzeit-Stereo macht so eine 0°-Quelle keinen Sinn... :roll: Ist ja eigentlich Quadro.1.1... :roll:

Stefan

Ps : "Da Stereo-Signale auch im Stereo abgemischt worden sind, kann diese fehlende Stimmverständlichkeit natürlich entsprechend schon vorher korrigiert werden (z.B. durch eine Anhebung im Bereich 2kHz), sodass der Konsument davon überhaupt nichts mitbekommt." Wo habt ihr diese Sätze nur her ? Bitte schnell wieder vergessen...HRTF spielt hier keine Geige...

Re: Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Do 6. Feb 2014, 14:32
von TasteOfMyCheese
StefanB hat geschrieben:Ist das kleinere Übel.
Das sehe ich definitiv anders. Es ist schließlich kein größeres Problem, den Center-Lautsprecher in Sachen Phasengang an den der jeweiligen Frontlautsprecher anzupassen. Insofern sollte das bei den meisten ernstzunehmenden Lautsprecherherstellern ganz gut passen.
StefanB hat geschrieben:Das hört man selbst in/bei mieser Akustik
Das ist wohl maßlos übertrieben. Bei schlechter Akustik gleichen die starken Reflexionen Phasenungleichmäßigkeiten zur Genüge aus. Die meisten Menschen hören doch nicht mal bei guter Akustik einen Unterschied zwischen ordentlich konstruierten Center-Lautsprechern und einer identischen Front.
Die Blauertschen Bänder, welche für den "vorne" Eindruck zuständig sind, liegen nicht zwischen 1500-2500Hz sondern bei ca. 400Hz sowie 1kHz und 4kHz.
StefanB hat geschrieben:HRTF spielt hier keine Geige...
Was genau willst du an dieser Stelle mit der Head Related Transfer Function (HRTF) sagen?

Viele Grüße
Berti

Re: Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Do 6. Feb 2014, 14:42
von StefanB
Google ist dein Freund :

http://commons.wikimedia.org/wiki/File: ... A4nder.svg

Die Graphen für vorne / hinten-Ortung mit der steilsten Steigung sowohl positiv und neg. ( und damit mit der größten Fehlermöglichkeit, wenn man ein bisschen danebenliegt ) liegen in welchem F-Bereich ? Richtig,...Entscheidend für die korrekte Interpretation der Graphik ist nicht das Ablesen der Peak-Points, sondern das Erkennen der Error Area, dort liegen die größten Fehlermöglichkeiten... :roll:

Stefan

Re: Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Do 6. Feb 2014, 14:47
von TasteOfMyCheese
StefanB hat geschrieben:Die Graphen für vorne / hinten-Ortung mit der steilsten Steigung sowohl positiv und neg. ( und damit mit der größten Fehlermöglichkeit, wenn man ein bisschen danebenliegt ) liegen in welchem F-Bereich ? Richtig,...
Warum schaust du denn auf die Steigung? Bei der Wahrscheinlichkeit ist der absolute Wert interessant und nicht die Steigung. Die absoluten Werte für die Steigung für "vorne" liegen im von dir genannten Bereich unter 40%.

Grüße
Berti

Re: Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Do 6. Feb 2014, 14:53
von StefanB
Vielleicht befasst du dich mal praktisch mit dem Thema, dann wird der Inhalt meiner Worte klar.

Stefan

Re: Gedanken zum Phantomcenter

Verfasst: Do 6. Feb 2014, 14:55
von TasteOfMyCheese
StefanB hat geschrieben:Vielleicht befasst du dich mal praktisch mit dem Thema, dann wird der Inhalt meiner Worte klar.
Vielleicht kommst du von deinem hohen Roß herunter, diskutierst mit mir bzw. den anderen wie man das normalerweise so macht und beantwortest unter anderem auch die Frage, welche ich dir gestellt hatte und zwar in Worten, die auch alle anderen hier verstehen.

Schönen Mittag.
Berti