Seite 1 von 3

Fragen zur Akustik

Verfasst: Do 16. Sep 2004, 17:46
von Benutzername
Hallo Forum,
bin grad' am Rumarbeiten an meiner Facharbeit über Lautsprecher und häng' grad' ein bisschen in der Luft. Wär' dankbar, wenn mir ein paar Techniker folgende Fragen beantworten könnten.

-Interferenz: warum kommt es eigentlich bei der Lautsprecherwiedergabe nicht zu dem typischen Interferenzbild (Maximas, Minimas), das man von sich 2 überlagernden Elementarwellen kennt??? Kann es vielleicht ein Grund sein, dass die abgestrahlten Signale der beiden Lautsprecher nicht phasengleich sind, oder liege ich da falsch??? Oder spielt der Hörraum mit seinen Reflexionen dafür eine wichtige Rolle??? Wäre es demnach nicht absolut falsch, den Phasengang von Boxen zu linearisieren, gerade, wenn sie im Freifeld gehört werden, also keine Reflexionen von Raumwänden ins Spiel kommen???
malte hat geschrieben:Phasengang [...]
Wir messen frequenzabhängig, wie stark der LS die Phasen der einzelnen Frequenzen
zueinander verschiebt. Das Ideal wäre dabei eine flach verlaufende Kurve auf der 0-Grad-
Achse. In der Praxis wird ein Lautsprecher, der nicht digital entzerrt ist, immer die
Phase drehen, das ergibt sich schon aus der Filtertheorie. Manche Leute glauben dabei,
daß insbesondere das vollständige Drehen der Phase, im Diagramm durch einen
vertikalen Strich von -180 zu +180 dargestellt, akustisch schädlich sei. Dem ist nicht so,
innere Phasendrehungen sind i.A. unhörbar. Der Phasengang ist für die akustische
Beurteilung sinnlos.
Warum sind innere Phasendrehungen nicht hörbar, sie müssten sich doch über Interferenz bei der Amplitude eines Signals auswirken???

- Gruppenlaufzeit: was ist das eigentlich genau und warum spielt sie nur im unteren Bassbereich eine wichtige Rolle???

-Impulsverhalten: wie schnell oder langsam kann das Gehör im Vergleich zur Lautsprechermembran ein- und ausschwingen oder wie schnell muss eine Membran ein- und ausschwingen können, dass unser Gehör die abgestrahlten Impulse als schnell oder langsam empfindet? [Raumeinflüsse durch Reflexionen sollen nicht einbezogen werden!!!] Würde sich im Freifeld vielleicht jeder Lautsprecher für unser möglicherweise "lahmarschiges" Gehör "schnell" anhören???

Gruß Andi

Re: Fragen zur Akustik

Verfasst: Fr 17. Sep 2004, 08:19
von SiMMenS
Benutzername hat geschrieben:- Gruppenlaufzeit: was ist das eigentlich genau und warum spielt sie nur im unteren Bassbereich eine wichtige Rolle???
Gruppenlaufzeit = Einzelne Frequenzgruppen, insbesondere tiefe und hohe Frequenzen weisen unterschiedliche Laufzeiten auf. (http://www.bet.de/lexikon/begriffe/Gruppenlaufzeit.htm)

... wird dir aber nicht viel helfen befürcht' ich ... :? Warum sie aber gerade im unteren Bassbereich eine größere Rolle spielt, liegt an der tiefen Frequenz und daher längeren Wellenlänge!

EDIT: http://members.aol.com/AudioConse/inf_zeitv.htm is noch super!!!

... und noch ein EDIT: http://www.anselmgoertz.de/Page10383/An ... /VDT98.pdf
Das PDF sollte dir auch weiterhelfen können, vor allem, was die Gruppenlaufzeit im Bassbereich betrifft 8)

(Google is your friend)

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen :wink:

Verfasst: Sa 18. Sep 2004, 19:46
von G. Nubert
Hallo,
der von SiMMenS angegebene 'Anselm Goertz link' ist zwar sehr fundiert und informativ, geht aber nicht direkt auf die Fragen von Andi ein.
Andi hat geschrieben:-Interferenz: warum kommt es eigentlich bei der Lautsprecherwiedergabe nicht zu dem typischen Interferenzbild (Maximas, Minimas), das man von sich 2 überlagernden Elementarwellen kennt???
Bei "schlecht konstruierten" Lautsprechern, die z.B. zwei Hochtöner auf der Schallwand haben, die den gleichen Frequenzbereich verarbeiten (aber auch bei einigen High End Boxen mit sogenannten "Super Tweetern"), gibt es diese Interferenzmuster schon recht deutlich, weil dabei Frequenzen abgestrahlt werden, deren Wellenlänge viel kleiner ist als der Abstand zwischen den beiden Strahlern.
Bei "besser konstruierten" Boxen gibt es diese Interferenzen nur im kleinen Bereich "um die Übernahme-Frequenz herum". - (Also z. B. zwischen 1.6 und 2.4 kHz.)
Die Wellenlänge des abgestrahlten Schalls bei einer typischen Übernahmefrequenz von 2 kHz beträgt etwa 17 cm, - ist also etwa gleich groß, wie der Abstand der Hochtöner-Membran zur "Mitte" eines 18 cm-Tieftöners in einer typischen Zwei-Wege-Box.
Hier kann es theoretisch also nur eine einzige "Total-Auslöschung" geben. - In der Praxis ist diese Auslöschung nicht ganz so ausgeprägt, weil der Tieftöner für 2 kHz keine "Punkt-Schallquelle" darstellt.

(Wenn beide Strahler in der Übergangsfrequenz "phasengleich" arbeiten, liegt sie bei vertikal etwa +- 30°.)
Kann es vielleicht ein Grund sein, dass die abgestrahlten Signale der beiden Lautsprecher nicht phasengleich sind, oder liege ich da falsch???
Wenn zwischen den beiden Chassis im Übernahmebereich eine ungleiche Phase herrscht, verschiebt sich der Winkel der Total-Auslöschung von +- 30° auf z.B. etwa +40 -20° (oder umgekehrt).
Oder spielt der Hörraum mit seinen Reflexionen einen wichtigen Faktor dafür???
Das ist ein völlig anderes Thema. - Wenn man das in die Überlegung einbezieht, wird es um ein Vielfaches komplizierter.
Wäre es demnach nicht absolut falsch, den Phasengang von Boxen zu linearisieren, gerade, wenn sie im Freifeld gehört werden, also keine Reflexionen von Raumwänden ins Spiel kommen???
Hm, verstehe die Frage nicht ganz.
Durch Linearisieren der Phasenverhältnisse kann man nicht in jedem Fall klangliche Verbesserungen erreichen, wie ja im Infoblatt von Anselm Goertz schon erwähnt ist und wie ich es auch in meinem "group delay-Anhang" beschreibe!
- Aber stören kann es auf keinen Fall!

Im Freifeld hört man (im "sweet spot") zwar keine Directivity-Unterschiede zwischen verschiedenen Lautsprechern, ansonsten gelten für Phase und delay die gleichen Kriterien, wie beim Hören in geschlossenen Räumen.

Ich könnte mir vorstellen, dass eines meiner älteren Infoblätter über ein "nuBox-360-update" (für "Spezialisten") brauchbare Infos zu diesem Thema beitragen könnte. (Heute nochmal "leicht überarbeitet"):

http://www.nubert.net/g-nubert/Hoerbark ... _delay.pdf

Im Zusatzblatt über die "Bass-Summierung" innerhalb der nuBox 580 ist ein MLSSA-Diagramm über "group delay" einer 80 Hz / 4. Ordnung Linkwitz-Riley-Weiche enthalten:

http://www.nubert.net/g-nubert/Woofer_frq_u_delay.pdf

Gruß,

G. Nubert

Verfasst: Mo 20. Sep 2004, 21:36
von Benutzername
hallo
wollt mich nur schnell an dieser Stelle für die beiden Antworten bedanken, auch wenn ich zugeben muss, dass ich die Ausführungen von G. Nubert nicht vollends durchstiegen habe. Hab jetzt auch in nächsten Wochen keine Zeit, mich näher damit zu befassen. Werd' aber garantiert nochmal darauf eingehen.
Also nochmals vielen Dank

Gruß Andi

Verfasst: Di 21. Sep 2004, 04:41
von pinglord
Wenn Du sagst, was Du nicht verstanden hast, kann ich versuchen, es verständlich zu machen (hoffe ich).

Eine Frage habe ich selber noch: Wie kann man aus einem Phasengang das Group Delay über der Frequenz bekommen? (oder umgekehrt, also: Wie hängt beides nun genau zusammen).

Verfasst: Di 21. Sep 2004, 07:50
von schabbeskugel
"...Linkwitz-Riley-Weiche..."
ist das nicht die Bezeichnung für zwei hintereinandergeschaltete 2pol-butterworth-filter?

Verfasst: Di 21. Sep 2004, 23:34
von Benutzername
Hallo,
Pinglord hat geschrieben:Wenn Du sagst, was Du nicht verstanden hast, kann ich versuchen, es verständlich zu machen (hoffe ich).
leider bin ich mir selber noch nicht ganz im klaren, was ich noch nicht verstanden hab (weil ich mich noch nicht so richtig gescheit bemüht habe, die Ausführungen von G. Nubert verstehen zu wollen, weil mir dazu momentan die Zeit ein bisschen fehlt - außerdem gibt es noch viel wichtigere Bereiche in meiner Arbeit, die ich vielleicht zuerst machen sollte). Aber wie gesagt, ich werde früher oder später garantiert noch mal auf die oberen Beiträge eingehen.
Eine Frage habe ich selber noch: Wie kann man aus einem Phasengang das Group Delay über der Frequenz bekommen? (oder umgekehrt, also: Wie hängt beides nun genau zusammen).
Darauf weiß ich komischerweise sogar eine Antwort, glaube ich?!
Das Group Delay = Gruppenlaufzeit ist definiert als "Neigung der Kurve für den Phasenverlauf (genau, die negative Ableitung der Steigung des Phasenverlaufes.)" [nach Vance Dickason]

Umgekehrt gesehen bekommt man also die "Phasengangsfunktion" über die Integration der "Gruppenlaufzeitfunktion"
Dieser Zusammenhang wird auch über folgende Formel deutlich:

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx(Phase von f2 - Phase von f1)
Gruppenlaufzeit = ---------------------------------------------------
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxf2 - f1

Ist der Phasengang flach auf der 0°-Achse, wird die Phase also nicht gedreht, so dürfte es nach meiner Auffassung auch "keine" Gruppenlaufzeit geben?!


Gruß,
Andi

Verfasst: Mi 22. Sep 2004, 02:41
von pinglord
"Flach auf der 0° Achse?" - das ist technisch nicht möglich, denn ein System mit "Null Phasenwinkel" hätte keine Signalverzögerung. Aber jedes reale System hat natürlich eine Signalverzögerung.

Ein linearer Phasengang hat die Form einer Gerade im Phasenwinkel/Frequenz Diagramm. Die Ableitung dessen wäre eine konstante Funktion mit dem Wert 0. "Ableitung der negativen Steigung" wäre übrigens f'(-f'(w))... also eine 2. Ableitung ;). Ich glaub da hast Du dich verschrieben :) Aber danke.

Verfasst: Mi 22. Sep 2004, 14:34
von Fly
Hallo schabbelkugel,
schabbeskugel hat geschrieben:"...Linkwitz-Riley-Weiche..."
ist das nicht die Bezeichnung für zwei hintereinandergeschaltete 2pol-butterworth-filter?
In seinem ersten link (Hoerbarkeit von group delay) hat Herr Nubert doch den Unterschied zwischen einem normalen Butterworth-Filter und der Linkwitz-Riley-Weiche beschrieben:
G. Nubert hat geschrieben:Eine Linkwitz-Riley-Weiche besteht aus einer "Sonderform" von Butterworth- Tief- und Hochpässen, die im "Überkreuzungspunkt" der Frequenzgänge um 6 dB (statt 3 dB) abgefallen ist, um eine saubere "akustische Frequenzgang-Summierung" von z.B. Tief- und Hochtonsignal zu erreichen.
GretZ,

Fly 8)

Verfasst: Mi 22. Sep 2004, 19:30
von Gastleser
hallo
ich kann ein paar Antworten zu den anderen Fragen beisteuern.

Haben diese Themen zum Richtungshören in der Berufsschule mal durchgenommen. (Hörakustiker)

Das Gehör kann Laufzeitdifferenzen von 10 - 30 µs unterscheiden. ist mal mit Click-Signalen herausgefunden worden.

Du kannst mit zwei gesunden Ohren einen Winkel von 3-5° Auflösen (Richtungshören) also ca. 10cm auf 1 m Abstand.
(Versuch mit Sinuston f=2000Hz t=2sec über 2 LS)
Um eindeutig exakt von links (90°) oder rechts sagen zu können muss der Unterschied 617µs betragen (von Hornbostel-Wertheimer-Konstante) bei 21cm Abstand der Ohren.
Eine Unterscheidung der Beschallungsrichtung ist der Phasenlage ist nur bei Frequenzen unter 400Hz gut möglich, bis 800Hz eingeschränkt und darüber nicht mehr.