Dmitri Shostakovich: Symphony No.7 in C, Op.60
Verfasst: Mi 23. Feb 2005, 16:05
Dmitri Shostakovich – Symphony No.7 in C, Op.60, ‚Leningrad’
Leningrad Philharmonic Orchestra conducted by Mariss Jansons
„Stereoplay“ schreibt:
Genosse gewaltig
Bleiben wir bei Schostakowitsch. Während der Belagerung Leningrads schrieb Genosse Dimitri eine Symphonie mit Sprengkraft. Die Partitur ließ Stalin auf Mikrofilm kopieren und aus der belagerten Stadt ausfliegen. Im ersten Satz rücken die Deutschen an. Eine kleine, harmlose Melodie schraubt sich zu brachialer Orchesterkraft auf. Ein Ohrwurm des Grauens. Herrlich plastisch sowie schauderhaft und effektsicher gespielt von den Leningrader Philharmonikern unter Mariss Jansons. Tipp: Die Leningrader sitzen komplett anders als die meisten europäischen und amerikanischen Orchester. Die räumliche Qualität der Kette ist gefragt. Erst hörend selbst entschlüsseln, dann das Booklet aufschlagen, das ausplaudert, wie es klingen
(sitzen) soll.
Die Sinfonie besteht aus 4 Sätzen:
I: Allegretto Krieg
II: Moderato (Poco allegretto) Erinnerung
III: Adagio Heimatliche Weiten
IV: Allegro non troppo Sieg
Die Bezeichnungen der Sätze wurden aus dem deutschen Teil des Booklets übernommen, tauchen ansonsten nicht auf, aber ich finde die passen genauso wie ich es auch empfinde.
1. Satz (25:54 min), Allegretto
Zu Beginn ein fulminanter Auftakt, schönes voluminöses Orchesterstück mit eingängigen Melodien, sehr schön anzuhören. Vergleichbar mit einem schönen Sommertag in der herrschaftlich prächtigen Stadt Leningrad. Dann, nach 6 Minuten: Totenstille. Ich dachte was ist denn jetzt los, CD kaputt??? Dabei höre ich Klassik sowieso schon lauter als andere Musik, da Klassik-CDs wie mir erscheint generell sehr viel leiser aufgenommen worden sind. Also die Lautstärke noch mal aufgedreht. Und siehe da: CD noch heil, es spielt bloß eine kleine Trommel in ppp immer den selben Rhythmus, sonst absolut nichts. Die Ruhe VOR dem Sturm. Geigen im Pizzicato und pp, immer dasselbe Pattern, die gleiche Melodiefolge. Eine Querflöte übernimmt, dann die Bratschen. Dann minimal zusammen, immer dieselbe Melodie. Diverse Holzbläser abwechselnd in piano, die Trommel spielt immer noch. Dann nach 9:30 Orchesterklavier und Blechbläser in mp. Es baut sich immer mehr auf, immer mehr Instrument und mehr Lautstärke. Nach 11 Minuten endlich wieder Geigen (diesmal richtig) schon in mf. 13:30 Minuten: Blechbläser und Schlagwerk sind da, die Melodie variiert nur leicht, aber in was für einer Art und Weise. Ich lasse mich zu spontanen „Boah“ Ausrufen hinreißen, weil ich beeindruckt bin. Ab jetzt ist plötzlich der Krieg unmittelbar spürbar, man bekommt es mit der Angst zu tun. Furchtbar ergreifend und bedrohlich. 15 Minuten: endlich forte. 16 Minuten: das Tempo verschärft sich ein wenig, es gibt kein Halten mehr, die Gefahr steht unmittelbar bevor, Höhepunkt. In den nächsten Minuten kein Kampfgetümmel, sondern eher ein Erstarren vor Fassungslosigkeit und Schock über die Massen. Nach 20 Minuten beruhigt sich alles wieder. Bombastisch genial komponiert, super effektvoll und beängstigend mitreißend!!!
2. Satz (9:53 min), Moderato (Poco allegretto)
Sehr gedanklich verspielt mit einer eher vorsichtigen und wachsamen Melodie, als wäre da im Hintergrund etwas bedrohliches verborgen. Richtig geraten, denn im Mittelteil kommt noch mal der Gedanke an den Krieg, es wird sehr hektisch. Schlagwerk, Blechbläser, äußerst eindringliche Streicher. Alles beruhigt sich wieder... wirklich ein sehr sehr schöner romantischer Satz mit freundlichem Klangcharakter.
3. Satz (16:22 min), Adagio
Akkorde, das Orchester verharrt fast auf der Stelle. Die Stelle wo man im Film an nachdenklichen Stellen das Gesicht des Schauspielers in Zeitlupe hat und nur noch Musik (quasi das retardierende Moment). Der Beginn ist recht langweilig es bewegt sich einfach nichts fort, maximal mezzoforte, Streicher als Hauptinstrument. Es wird nach 8 Minuten wieder mal laut, beruhigt sich aber gleich wieder, der Krieg scheint wieder viel weiter weg. Der Schluss wie der Anfang. Irgendwie kann ich mit diesem Satz nicht viel anfangen, aber das ist Geschmackssache.
4. Satz (16:17 min), Allegro non troppo
Anfangs noch Übergang vom 3.Satz, dann aber schnell, etwas hektisch, man wird in einen Kampf verstrickt. Man hört quasi die Gewehre und der Trubel überrollt einen. Alles ist irgendwie am rennen. Streicher, Einwürfe der Bläser, Schlagwerk etc. Nach 6 Minuten wieder ruhig. Die Ruhe NACH dem Sturm. Nach 12:30 Minuten wird’s endlich mehr Lautstärke, es zielt auf den Schluss, aber der schick des Kampfes wirkt immer noch ein wenig nach. Dann endlich nach 14 Minuten heroischer Siegestaumel der Soldaten. Zum Schluss natürlich tutti mit Pauken und Trompeten.
Aufnahme
Die Aufnahme hat eine exzellente Dynamik von ppp bis fff, was im 1.Satz ganz deutlich wird. Habe bisher keine CD gehört, die da mithalten könnte! Was man dazu sagen muss: Die Räumlichkeit und Plastizität, die diese CD vermittelt ist unglaublich! Man (bzw. ich) kann exakt hören: 1. in welcher Richtung ein Instrument sitzt und 2. was ich so bisher nicht kannte: wie weit entfernt es sitzt, ob ein anderes Instrument davor oder dahinter sitzt!!! Und 3. vielleicht ist das auch nur Einbildung, aber ich bilde mir ein, die Sitzhöhe der Spieler zu hören. Das ganze kommt besonders im ersten Satz zum tragen, weil sich diese zu Beginn freundliche Melodie immer mehr aufschaukelt. Auch die andere Sitzaufteilung des Orchesters ist sehr schön, meines Erachtens für dieses Werk genau richtig, das kommt so irgendwie viel besser rüber.
FAZIT
Aufnahmetechnisch absolute Spitzenklasse; bei SEHR WEIT aufgedrehter Lautstärke ist nicht das geringste Rauschen zu hören. Das ganze Orchester klingt sehr brillant und extrem präzise! Die Räumlichkeit ist wirklich genial. Zur Komposition: Shostakovich trifft ziemlich gut meinen „klassischen“ Musikgeschmack. Vor allem der erste Satz ist umwerfend und absolut emotional mitreißend! Mit dem dritten Satz konnte ich mich zwar gar nicht anfreunden, aber das ganze Werk ist sehr in sich stimmig und durchaus äußerst hörenswert!
Grüsse
Kai
Leningrad Philharmonic Orchestra conducted by Mariss Jansons
„Stereoplay“ schreibt:
Genosse gewaltig
Bleiben wir bei Schostakowitsch. Während der Belagerung Leningrads schrieb Genosse Dimitri eine Symphonie mit Sprengkraft. Die Partitur ließ Stalin auf Mikrofilm kopieren und aus der belagerten Stadt ausfliegen. Im ersten Satz rücken die Deutschen an. Eine kleine, harmlose Melodie schraubt sich zu brachialer Orchesterkraft auf. Ein Ohrwurm des Grauens. Herrlich plastisch sowie schauderhaft und effektsicher gespielt von den Leningrader Philharmonikern unter Mariss Jansons. Tipp: Die Leningrader sitzen komplett anders als die meisten europäischen und amerikanischen Orchester. Die räumliche Qualität der Kette ist gefragt. Erst hörend selbst entschlüsseln, dann das Booklet aufschlagen, das ausplaudert, wie es klingen
(sitzen) soll.
Die Sinfonie besteht aus 4 Sätzen:
I: Allegretto Krieg
II: Moderato (Poco allegretto) Erinnerung
III: Adagio Heimatliche Weiten
IV: Allegro non troppo Sieg
Die Bezeichnungen der Sätze wurden aus dem deutschen Teil des Booklets übernommen, tauchen ansonsten nicht auf, aber ich finde die passen genauso wie ich es auch empfinde.
1. Satz (25:54 min), Allegretto
Zu Beginn ein fulminanter Auftakt, schönes voluminöses Orchesterstück mit eingängigen Melodien, sehr schön anzuhören. Vergleichbar mit einem schönen Sommertag in der herrschaftlich prächtigen Stadt Leningrad. Dann, nach 6 Minuten: Totenstille. Ich dachte was ist denn jetzt los, CD kaputt??? Dabei höre ich Klassik sowieso schon lauter als andere Musik, da Klassik-CDs wie mir erscheint generell sehr viel leiser aufgenommen worden sind. Also die Lautstärke noch mal aufgedreht. Und siehe da: CD noch heil, es spielt bloß eine kleine Trommel in ppp immer den selben Rhythmus, sonst absolut nichts. Die Ruhe VOR dem Sturm. Geigen im Pizzicato und pp, immer dasselbe Pattern, die gleiche Melodiefolge. Eine Querflöte übernimmt, dann die Bratschen. Dann minimal zusammen, immer dieselbe Melodie. Diverse Holzbläser abwechselnd in piano, die Trommel spielt immer noch. Dann nach 9:30 Orchesterklavier und Blechbläser in mp. Es baut sich immer mehr auf, immer mehr Instrument und mehr Lautstärke. Nach 11 Minuten endlich wieder Geigen (diesmal richtig) schon in mf. 13:30 Minuten: Blechbläser und Schlagwerk sind da, die Melodie variiert nur leicht, aber in was für einer Art und Weise. Ich lasse mich zu spontanen „Boah“ Ausrufen hinreißen, weil ich beeindruckt bin. Ab jetzt ist plötzlich der Krieg unmittelbar spürbar, man bekommt es mit der Angst zu tun. Furchtbar ergreifend und bedrohlich. 15 Minuten: endlich forte. 16 Minuten: das Tempo verschärft sich ein wenig, es gibt kein Halten mehr, die Gefahr steht unmittelbar bevor, Höhepunkt. In den nächsten Minuten kein Kampfgetümmel, sondern eher ein Erstarren vor Fassungslosigkeit und Schock über die Massen. Nach 20 Minuten beruhigt sich alles wieder. Bombastisch genial komponiert, super effektvoll und beängstigend mitreißend!!!
2. Satz (9:53 min), Moderato (Poco allegretto)
Sehr gedanklich verspielt mit einer eher vorsichtigen und wachsamen Melodie, als wäre da im Hintergrund etwas bedrohliches verborgen. Richtig geraten, denn im Mittelteil kommt noch mal der Gedanke an den Krieg, es wird sehr hektisch. Schlagwerk, Blechbläser, äußerst eindringliche Streicher. Alles beruhigt sich wieder... wirklich ein sehr sehr schöner romantischer Satz mit freundlichem Klangcharakter.
3. Satz (16:22 min), Adagio
Akkorde, das Orchester verharrt fast auf der Stelle. Die Stelle wo man im Film an nachdenklichen Stellen das Gesicht des Schauspielers in Zeitlupe hat und nur noch Musik (quasi das retardierende Moment). Der Beginn ist recht langweilig es bewegt sich einfach nichts fort, maximal mezzoforte, Streicher als Hauptinstrument. Es wird nach 8 Minuten wieder mal laut, beruhigt sich aber gleich wieder, der Krieg scheint wieder viel weiter weg. Der Schluss wie der Anfang. Irgendwie kann ich mit diesem Satz nicht viel anfangen, aber das ist Geschmackssache.
4. Satz (16:17 min), Allegro non troppo
Anfangs noch Übergang vom 3.Satz, dann aber schnell, etwas hektisch, man wird in einen Kampf verstrickt. Man hört quasi die Gewehre und der Trubel überrollt einen. Alles ist irgendwie am rennen. Streicher, Einwürfe der Bläser, Schlagwerk etc. Nach 6 Minuten wieder ruhig. Die Ruhe NACH dem Sturm. Nach 12:30 Minuten wird’s endlich mehr Lautstärke, es zielt auf den Schluss, aber der schick des Kampfes wirkt immer noch ein wenig nach. Dann endlich nach 14 Minuten heroischer Siegestaumel der Soldaten. Zum Schluss natürlich tutti mit Pauken und Trompeten.
Aufnahme
Die Aufnahme hat eine exzellente Dynamik von ppp bis fff, was im 1.Satz ganz deutlich wird. Habe bisher keine CD gehört, die da mithalten könnte! Was man dazu sagen muss: Die Räumlichkeit und Plastizität, die diese CD vermittelt ist unglaublich! Man (bzw. ich) kann exakt hören: 1. in welcher Richtung ein Instrument sitzt und 2. was ich so bisher nicht kannte: wie weit entfernt es sitzt, ob ein anderes Instrument davor oder dahinter sitzt!!! Und 3. vielleicht ist das auch nur Einbildung, aber ich bilde mir ein, die Sitzhöhe der Spieler zu hören. Das ganze kommt besonders im ersten Satz zum tragen, weil sich diese zu Beginn freundliche Melodie immer mehr aufschaukelt. Auch die andere Sitzaufteilung des Orchesters ist sehr schön, meines Erachtens für dieses Werk genau richtig, das kommt so irgendwie viel besser rüber.
FAZIT
Aufnahmetechnisch absolute Spitzenklasse; bei SEHR WEIT aufgedrehter Lautstärke ist nicht das geringste Rauschen zu hören. Das ganze Orchester klingt sehr brillant und extrem präzise! Die Räumlichkeit ist wirklich genial. Zur Komposition: Shostakovich trifft ziemlich gut meinen „klassischen“ Musikgeschmack. Vor allem der erste Satz ist umwerfend und absolut emotional mitreißend! Mit dem dritten Satz konnte ich mich zwar gar nicht anfreunden, aber das ganze Werk ist sehr in sich stimmig und durchaus äußerst hörenswert!
Grüsse
Kai