Hallo,
nach einigen Monaten Abwesenheit vom Forum nun eine Stellungnahme zur Konstruktion des CS-40.
Natürlich habe ich mich über die relativ schlechte Punkte-Bewertung im Test bei Audiovision nicht gerade gefreut.
Nach aufmerksamem Durchlesen des Tests hatte ich das Gefühl, dass der Höreindruck und die "Kriterien der Punktvergabe" nicht richtig miteinander harmonieren.
Im Testfeld war ein Center dabei, der knapp 12 dB Frequenzgang-Abweichung hat (auf Achse); das macht gegenüber der maximal erreichbaren Punktzahl einen Abzug von 10 Punkten aus. Bei Winkeln von links/rechts 15° bedeutet eine Abweichung von etwa 2,9 bis 3,5 dB (gegenüber dem 0°-Frequenzgang) aber einen Abzug von
16 Punkten?
Audiovision ist üblicherweise aber sehr kompetent und fair, so dass ich eine "eher mittelmäßige" Beurteilung als Ansporn sehe, die verschiedenen Konstruktionsprinzipien nochmal unter die Lupe zu nehmen.
Vor jeder Generation von Center-Speakern, die wir neu herausbringen, bauen wir auch Prototypen auf, deren Konstruktionsprinzip sich
eine Generation vorher nicht durchsetzen konnte.
Die werden dann immer in Passiv-, Aktiv- und DSP-Technik ausgeführt und verglichen.
Es ist natürlich ganz leicht, ein
gutes vertikales Abstrahlverhalten zu erreichen, wenn man die "liegende D'Appolito"- Anordnung aufgibt und eine
übereinander angeordnete Hoch-Mitteltöner-Kombi einsetzt.
Die Wichtigkeit von weniger als 3 dB "Mittensenke" bei 15° Abstrahlwinkel erscheint mir aber nicht so groß wie Sauberkeit, Pegelfestigkeit und harmonisches Einfügen zu den Hauptlautsprechern.
(Es ist gar nicht so einfach, mit der "liegenden Chassis-Anordnung" die Mittensenke so klein zu halten. - Die klanglichen Auswirkungen sind bei dieser Größenordnung meiner Meinung nicht sehr ausgeprägt. - Etliche der bei uns gemessenen Center hatten bei 15° aber schon Auslöschungen von 15 dB und mehr.)
Hier der Prototyp eines Centers aus der Zeit, als die Weiterentwicklung des CS-3 zum CS-4 anstand (Februar 1997):
(In diesem Bild liegt er auf einem DS-60. Er hat eine Spezialversion eines 9cm-Tiefmitteltöners von Vifa, dessen Schwingspule gekürzt werden musste, um den angestrebten Schalldruck von 86 dB (1W / 1m) zu erreichen. Der Hochtöner ist eine Neodym-Variante, die auf unserer Gewebe-Kalotte der großen Boxen aufbaut.)
Wie klingt er nun?
Er ist sehr linear - auch bei Abstrahlwinkeln von +-20 Grad; - aber (vor allem als Passivbox) klingt er nicht so gut wie ein CS-3 oder CS-4. Es ist leider "eine Art Rückfall" in die seligen 3-Wege-Zeiten der späten 80er Jahre, weil sich das Nachschwingen der Mitteltöner/Weichen-Kombi und die erhöhte Gruppenlaufzeit (group delay) des 3-Wege-Prinzips bemerkbar machen. Es sind damit auch kaum die günstigeren Klirrwerte der "konventionellen" Anordnung erreichbar.
Noch viel schlimmer ist aber, dass es (ohne FIR-Filter-Signalprozessoren) kaum möglich erscheint, die Phasenlage so an die 2-Weg (oder 2 1/2-Weg) Hauptboxen anzupassen, dass der Center sich harmonisch "einfügt".
Hier die Trennfrequenzen einer der zugehörigen Aktiv-Weichen (noch ohne die Kompensations-Filter für die Linearisierung der Chassis- und einiger Gehäuse-Effekte):
Linkwitz-Riley 4. Ordnung, Trennfrequenzen 500 und 2000 Hz. Der Summenfrequenzgang ist praktisch perfekt:
Aber.......
Hier ein Vergleich der Gruppenlaufzeiten der 3-Weg-Weiche (obere Kurve) und einer 2kHz-2-Weg-Weiche:
Hier die völlig unterschiedlichen Phasenverhältnisse der Weichen, die sich (beinahe in dieser Form) auch akustisch bemerkbar machen:
(Das Summen-Signal von 2-Wege-Hauptboxen und solch einem Center hat "bei Hörposition" eine tiefe Einschnürung bei ca. 550 Hz. - Das Klangbild ist dabei sehr "diffus" - nicht so stark, wie man es von 2 Boxen mit "Verpolung" kennt, aber mit ähnlichem Eindruck.)
Mit einem (durchstimmbaren) Allpass-Filter kann man einen änlichen Klang-Test machen:
Solange nur
eine Box mit dem Allpass beaufschlagt wird, hört man oberhalb 1 kHz kaum einen Unterschied.
Wenn
zwei Lautsprecher gleichzeitig betrieben werden und
nur eine über den Allpass läuft, hört man (je nach Boxen-Aufstellung) Frequenzgang-Senken, die man gehörmäßig auf über 10 dB schätzen würde und das Klangbild wird in der Räumlichkeit völlig unnatürlich.
Fazit:
Niedrige Gruppenlaufzeit kann man mit Mehrwegeboxen ohne DSP-FIR-Filter-Prozessoren bisher in der Praxis kaum erreichen.
Ein Center mit "echtem" Mitteltöner (Bandpass) benötigt Hauptboxen, die bezüglich Mittel- und Hochtöner praktisch die gleiche Chassis-Anordnung aufweisen sollten.
Ob eine 2-Wege- oder eine 3-Wege Boxen-Kombi insgesamt bevorzugt wird ist Geschmackssache; Hauptsache, man mischt sie nicht in einer Anlage.
Gruß, G. Nubert