Wenn Saga ein neues Werk veröffentlichen, ist die Freude meinerseits immer sehr groß. Alte Liebe rostet nicht, auch wenn die Lieblinge in der Vergangenheit schonmal orientierungslos wirkten, oder ein Gurkenalbum fabrizierten. 17 Studioalben haben meine Lieblingskanadier inzwischen eingespielt, und die meisten bieten viel Hörspass, und nutzten sich im Lauf der Jahre nicht ab.
Ein kurzer Überblick über den Werdegang der Band. 1978 veröffentlichen Saga ihrer Debut. Bereits auf diesem ist der typische "Saga-Sound" deutlich ausgeprägt. Gitarre und Keyboards scheinen oft Zwillinge zu sein, die Songs sind verspielt aber nie von ausufernder Länge, und über allem thront der fantastische Gesang von Michael Sadler. Die Alben Nummer 2 & 3, namentlich "Images at Twilight" (1979) und "Silent Knight" (1980), präsentieren den voll ausgereiften, typischen Sound der Band. "Worlds apart" (1981) bringt den Kanadiern den Durchbruch. Besonders in Deutschland erarbeitet sich die Band eine große Fangemeinde, was sicherlich auch auf die tollen Livedarbietungen zurück zu führen ist. Folglich veröffentlicht man 1982, das erste Livealbum mit dem Titel "In Transit". Wie der Vorgänger und auch der Nachfolger Heads of Tales (1983), erreicht das Album in Deutschland Goldstatus. "Worlds apart" zeigt Saga ein wenig moderner, ohne sich dem Mainstream anzubiedern. Die auf dem Debut begonnene Geschichte, bekannt als die legendären Chapter, findet auf "Worlds apart" mit Chapter 8 ihr (vorläufiges) Ende. Auf die Story an dieser Stelle einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Vielleicht mag sich jemand damit beschäftigen, oder sogar ein paar Worte dazu schreiben.
Nachdem man drei sehr erfolgreiche Alben in Folge, an den Start gebracht hatte, und auch die Vorgängerscheiben eine Menge Fans gefunden hatten, begann ein langjähriger Schlingerkurs. 1985 stellte man "Behaviour" in die Läden, ein recht zwiespältiges Album. Gab es schon an "Heads or Tales" von mancher Seite Kritik, wegen angeblich zu grosser "Kommerzialität", so waren Saga nun tatsächlich im Mainstream angekommen. Aus heutiger Sicht ist "Behaviour" ein nettes Poprock-Album, welches ein wenig unter den teils fiesen, typischen "80er Jahre Keyboardsounds" leidet. In der Band gab es Spannungen, und die Verkaufszahlen gingen trotz grösserer Massenkompatibiltät zurück. Drummer Steve Negus und Keyboarder Jim Gilmour verliessen die Band. Saga machten als Rumpfband weiter. Michael Sadler und die Crichton Brüder Jim (Bass) und Ian (Gitarre), holten sich den, damals sehr angesagten, Studiodrummer Curt Cress als Verstärkung ins Boot. Leider sorgten das sehr sterile Spiel von Cress, und die kalte Produktion von Keith Olsen dafür, dass "Wildest Dreams" (1987), nicht unbedingt zu den Highlights im Saga Katalog zählt. Ebenfalls mit Cress an den Drums, spielte man das 1989 veröffentlichte "The Beginner's Guide to throwing shapes" ein. Hier fällt das Ergebnis weitaus überzeugender aus, da man auch kompositorisch fast an alte Glanztaten anknüpfen kann. Der kommerzielle Stern der Band war aber weiterhin gesunken. So herrsche erstmal Funkstille, bis man 1993 mit "The security of illusion" ein tolles Comeback veröffentlichte. Negus und Gilmour waren wieder zu Saga zurückgekehrt, und die Band lief wieder zur Topform auf.
Alles schien wieder in bester Ordnung. Aber was passierte nur ein Jahr später? 1994 werfen Saga das völlig überflüssige "Steel Umbrellas" auf den Markt. Belangloser Pop, keine Highlights und ein riesiges Fragezeichen auf der Stirn vieler Fans. Doch es gab kaum Zeit zum durchatmen. Bereits 1995 steht "Generation 13" in den Verkaufsregalen. Was für ein Album! Saga klingen plötzlich völlig anders, und doch noch immer völlig eigenständig. "Generation 13" ist ein tolles Konzeptalbum geworden, stösst aber ebenfalls eher auf Unverständnis. Sehr schade, der kommerzielle Mißerfolg dieses Werkes, ist meiner Meinung nach von großer Tragik. Aber noch immer experimentieren Saga munter weiter. "Pleasure and the Pain" ereilt die Fans 1997. Eine krude Mischung aus modernen und rockigen Klängen, elektronischen Spielereien, und einem Beatles Cover (Taxman) obendrauf. Noch heute fällt es mir nicht leicht, dieses Werk einzuschätzen. Das geht wohl vielen anderen Sagarians ähnlich, und man straft die Band mit erneut schwachen Verkaufszahlen. Damit ist auch die längjährige Zusammenarbeit mit Polydor beendet, und Saga veröffentlichen 1998, ihr zweites Livealbum "Detours", beim neuen Vertragspartner Steamhammer. Diese Zusammenarbeit sollte vier Studioalben, und ein weiteres Livealbum (The Chapters - Live (2005)) zu Tage bringen. 1999 veröffentlichen Saga mit "Full Circle", ein "Back to the Roots" Album. Man knüpft an die alten Klassiker an, und sogar die Chapter finden eine gelungene Fortsetzung. Dieses setzt sich auf den Alben, "House of Cards" (2001) und "Marathon" (2003) fort. Mit "Network" gibt es 2004, ein weiteres sehr starkes Album, im klassischen Saga-Sound. Drummer Negus war erneut ausgestiegen, und wurde durch Christian Simpson ersetzt, der mit seiner teils harschen Spielweise, frischen Wind in den Gesamtsound der Band brachte. Leider musste Simpson die Band aus gesundheitlichen Gründen wieder verlassen. Aber man findet in Brian Doerner einen sehr guten Ersatz, vielleicht den kraftvollsten Drummer der Bandgeschichte, der aber trotzdem die nötigen technischen Fähigkeiten mitbringt.
Und so sind wir schon beim aktuellen Output "Trust" angekommen. Saga sind inzwischen beim Proglabel "InsideOut" unter Vertrag. Eine Verbindung die für beide Parteien eine gute Wahl zu sein scheint. Das Label hat ein neues Zugpferd vor dem Karren, und die Band scheint unter guten Bedingungen arbeiten zu können. So ist die Produktion des neues Albums sehr solide ausgefallen, und auch das Artwork des Covers kann voll überzeugen. Los geht es mit dem flotten Rocker "That's as far as i'll go". Sadler zeigt sich stimmlich in Höchstform, wie man es von ihn nicht anders gewohnt ist. Der Refrain ist, im positiven Sinne, sehr gefällig. Die Keyboardsounds klingen frisch, ohne die Vergangenheit der Band zu vernachlässigen. "Back in the Shadows" lässt Gitarrist Ian Crichton zur Höchstform auflaufen. Sein Spiel ist wie immer sehr hochklassig. Melodiös, aber doch kantig und teils recht hart. Mancher mag ihm vorwerfen, er würde zu egoistisch spielen. Eine Unterstellung ich noch nie nachvollziehen konnte. Auch nicht bei einem Song wie "Back in the Shadows", der durch sein Gitarrenspiel getragen wird. Sadler und Gilmour sind einfach zu gut und durchsetzungsfähig, um sich an die Wand drücken zu lassen. Natürlich gibt es auch hier tolle Keyboard-/Gitarrenduelle zu hören. "I'm OK" verblüfft mit einem vordergründig zunächst simplen, aber extrem effektiven Refrain. Gerade in den letzten Teilen des Refrains, spielt Sadler die ganze Klasse seiner Stimme aus. In den Strophen gibt Keyboarder Gilmour eine gute Zweitstimme ab. Gerade live kommt der Song fantastisch. Vor einigen Wochen konnte ich mich davon überzeugen, dass Saga noch immer eine der besten Livebands auf diesem Planeten sind. Dazu ist Michael Sadler einer der souveränsten und symphatischsten Frontmänner, die sich eine Band wünschen kann.
Das Album beginnt also mit drei sehr starken Stücken. Kann die Band diese Form halten? Zunächst gibt es mit "Time to play" eine kleine Talsohle. Oder vielleicht doch nicht? Nachdem der Song etwas hölzern beginnt, entwickelt er sich sehr zum positiven, auch wenn er nicht ganz an das starke Anfangstrio heran reicht. "My Friend" ist eine wundervolle kleine Ballade. Vorgetragen von Jim Gilmour, der bekanntlich auf vielen Saga Alben, bei einem Song die Leadstimme übernimmt. Natürlich ist er kein Sänger vom Kaliber Michael Sadlers, aber seine Stimme klingt angenehm und symphatisch. Jim Gilmour spielt bei "My Friend" Klarinette, Ian Crichton zeigt viel Gefühl für die akustische Gitarre. Ein sehr schöner Ruhepol auf dem Album. Aber schon geht es kraftvoll weiter. Der Titelsong beginnt mit einem kurzen, spacigen Keyboardintro, hinweggefegt von einem kräftig herausgeschmetterten "Trust". Die Bridge schmeichelt sich ins Ohr, und legt den Grundstein für den tollen Refrain. Ian Crichton zockt ein tolles Solo, und Gilmour liefert schöne Keyboardsounds. Sehr schön auch das variable Spiel von Neudrummer Doerner, der sowohl kräftig reinhauen kann, als auch feine, dezente Zwischentöne beherrscht. (...und live ebenfalls ein erstklassiger Showman ist. Tolle Bereicherung für die Band, musikalisch wie auch menschlich.) Weiter geht es mit "It's your life". Eine sehr schöne Gitarrenmelodie, unterlegt mit angenehmen Keyboardteppichen. Ich wiederhole mich, aber man kann nicht oft genug auf den fantastischen Gesang von Michael Sadler hinweisen.
"Footsteps in the hall" kommt mit kühlen Keyboards, und einer sehr schönen Gesangsmelodie daher. Ein weiterer sehr gelungener Song, aber die Kanadier setzen noch drei weitere Hammersongs obendrauf. "Ice in the rain" zeigt eine sehr geschlossen, extrem gut zusammenspielende Band, und straft alle Lügen, die einzelnen Bandmitgliedern musikalischen Egoismus vorwerfen. Der Refrain macht keine Gefangenen. Ein weiterer Ohrwurm, scheinbar locker aus dem Ärmel geschüttelt. Nun wird aufs Gaspedal getreten. "You were right" beginnt flott, und Jim Gilmour setzt seine Tasteninstrumente geradezu bezaubernd ein. Der Refrain geht schnell ins Ohr, und vor allem verbreitet der Song pure Spielfreude und Energie. Dies wirkt sehr ansteckend, ich sehe mich mit breitem Grinsen durchs Zimmer hüpfen. "On the other Side" leitet das furiose Finale ein. Die Instrumentierung fällt einfallsreich und überraschend aus. Ich will hier nicht zuviel verraten, hört lieber selbst rein. Schon neigt sich ein sehr kurzweiliges Album dem Ende zu. Was bekommt der Hörer geboten? Saga vom FEINSTEN. Nicht mehr, aber vor allem nicht weniger! Saga klingen eben wie Saga. Die Band sich hat ihre eigene Nische erarbeitet. Ewige Nörgler mögen von Stagnation sprechen. Wenn man dies unterstellt, sollte man bitte aber auch berücksichtigen, dass Saga einen sehr anspruchsvollen und keinesfalls eindimensionalen Stil pflegen. Solange sie diesen auf derart hohem Niveau darbieten, gibt es von meiner Seite absolut nichts zu bemängeln. Im Moment sieht die Zukunft freundlich für die Band aus. "Trust" erreichte immerhin Platz 23 der deutschen Charts, die Tournee war gut besucht, und einen erstklassigen Neuzugang an Drums hat man ebenfalls an Bord.
Fans sollten zur Version mit Bonus-DVD greifen. Dort gibt es ein kurzes, aber unterhaltsames "Making Of" zu sehen.
Weitere Empfehlungen:
Images at Twilight (1979) - Ein Album mit unverzichtbaren Klassikern.
Silent Knight (1980) - Siehe "Images at Twilight"...
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Worlds Apart (1981) - Der kommerzielle Durchbruch. "On the loose" und "Wind him up", dürfte jeder Fan guter Rockmusik kennen.
Heads of Tales (1983) - Mein Liebling.
Generation 13 (1995) - Ein völlig anderes Album, klingt völlig untypisch für Saga, aber ebenfalls sehr gelungen!!!
Full Circle (1999) - Back to the Roots. Aber bitte mit Stil!
House of Cards (2001) - Sehr eingängig, fast noch stärker als "Full Circle".
Marathon (2003) - Vielleicht nicht ganz so stark wie die Vorgänger. Aber gibt man dem Album Zeit, entwickelt es sich deutlich positiv.
Network (2004) - Frisch, rockig und randvoll mit tollen Songs.
Übrigens werden die Alben "Full Circle", "House of Cards" und "Marathon", bei Amazon gerade für weniger als 6(!!!) pro Stück rausgehauen. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr!
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