Top-Alben Mai 2009:
1. Sunn O))) - Monoliths & Dimensions
Der Witz ist ja, dass "Monoliths & Dimensions" im Vergleich zum Vorgänger fast schon eingängig und leicht wirkt. Doch wer sich den fast unhörbaren Brocken "Black One" noch nie zu Gemüte geführt hat, wird die Verwendung solcher Adjektive wohl kaum nachvollziehen können. Sunn O))) sind natürlich immer noch eine der extremsten Bands der Erde. Auch das neue Album von Sunn O))) besteht im Prinzip aus kaum mehr als bis zur Unkenntlichkeit verlangsamten Riffs auf extrem heruntergestimmten Gitarren. Ein einziges ohrenbetäubendes Dröhnen. Aufs Schlagzeug wird konsequenterweise gleich komplett verzichtet. Was sich zunächst nicht sonderlich spannend anhört, wird so geschickt mit gelegentlich auftauchenden Chören, Blasinstrumenten, Geräuschfetzen, Samples und den ausdrucksvoll vorgetragenen Texten des ungarischen Black-Metal-Sängers Attila Csihar verwoben, dass aus dem donnernden Krach tatsächlich so etwas wie "Musik" entsteht. Natürlich hat man es nicht mit "Songs" im herkömmlichen Sinn zu tun, "Klangkollagen" ist eigentlich die treffendere Beschreibung. Die Wirkung entfaltet sich über die Atmosphäre, die in manchen Momenten erdrückend finster, manchmal erhaben und sakral wirkt. Das beeindruckenste Stück ist das abschließende "Alice", bei dem sich die dunkle Atmosphäre nach und nach im hellen Licht auflöst, begleitet von Frauenchor, Hörnern und Harfe. Hier wachsen Sunn O))) über sich hinaus und übertreten endgültig die Grenzen zur modernen E-Musik. Faszinierend, avantgardistisch und völlig einzigartig.
Trotzdem noch eine Warnung: Bei aller Großartigkeit ist "Monoliths & Dimensions" ein unglaublich schwieriges und anstrengendes Album, das bei mir vermutlich nur äußerst selten den Weg in den Player finden wird. Aber wer die Muße hat, eine Stunde lang seine volle Aufmerksamkeit in dieses Album zu investieren, wird mit einem der intensivsten und faszinierendsten Trips der letzten Jahre belohnt. Und noch ein Tipp:
"Maximum Volume Yields Maximum Results!"
9/10
2. Dredg - The Pariah, the Parrot, the Delusion
Auf "The Pariah, the Parrot, the Delusion" schaffen Dredg einen Spagat, den seit den Glanzzeiten von Spock's Beard keine (mir bekannte) Band so perfekt hingekriegt hat: Die Verschmelzung von Prog und Pop. Radiotaugliche Ohrwurm-Melodien treffen hier auf ausgefeiltes, komplexes Songwriting und interessante Ideen in Hülle und Fülle. Das Album ändert ständig sein Gesicht, kein Song hört im selben Stil auf, in dem er beginnt. Mal gibt es heavy Riffing auf die Ohren, mal dominieren Funkgrooves, mal sphärische Klangflächen und Streicher. Und trotzdem bleibt das Album immer nachvollziehbar: die Breaks sind dramaturgisch passend gesetzt, keine zu ausufernden Experimente stören den Fluß. Auch wer mit Progressive Rock absolut nichts am Hut hat, kann an diesem Album durchaus Gefallen finden.
Für Frickel-Fans und Komplexitätsfanatiker ist dieses Album nichts. Dafür sollte jeder Fan von guter Rockmusik, der sich für abwechslungsreiches Songwriting und ausgefeilte Arrangements begeistern kann, dem Album mal eine Runde gönnen. Denn trotz der oberflächlichen Eingängigkeit hat "The Pariah, the Parrot, the Delusion" viel zu bieten, geht deutlich tiefer als der erste Eindruck vermitteln könnte.
8/10
3. Kongh - Shadows of the Shapeless
Kongh ist eine weitere der mittlerweile unzähligen Bands, die sich an der Verschmelzung von Doom Metal, Hardcore und Postrock versuchen - diesem Stil, der von Neurosis einst mehr oder weniger im Alleingang "erfunden" wurde und mittlerweile auch enorm erfolgreiche Bands wie Isis oder Cult of Luna hervorgebracht hat. Doch was haben Kongh, was die meisten anderen Plagiate nicht haben? Massivität! Durchschlagskraft! Wo sich andere Bands in künstlerisch ausgefeilten Arrangements und filigranen Details verlieren, rocken Kongh einfach alles platt, was sich ihnen in den Weg stellt. Was andere Bands an Atmosphäre voraus haben, machen Kongh durch unerbittlichen Groove und gnadenlose Wucht wieder wett. Ähnliches haben die genannten Isis oder Cult of Luna nur auf ihren ganz frühen Alben geschafft, heute ist man meilenweit von dieser Heavyness entfernt. Obendrein ist "Shadows of the Shapeless" mit einem herrlich rohen Sound ausgestattet, der zur Musik passt wie die Faust aufs Auge. Feingeister und Schönklang-Ästheten werden sich mit Grausen abwenden, doch wer sich hin und wieder mal von einem Album so richtig plattwalzen lassen will, der ist bei Kongh genau richtig.
8/10
4. Green Day - 21st Century Breakdown
Green Day befanden sich in einer denkbar ungünstigen Situation. Mit "American Idiot" haben sie ein Comeback ohne gleichen hingelegt: auf einen Schlag spielt die Band jetzt in der ersten Liga internationaler Rockbands, hat den Anti-Bush-Protest bis in die Mainstream-Radiosender katapultiert und nebenbei eines der besten Pop-Punk-Alben seit Offsprings "Smash" aufgenommen. Die Erwartungshaltung war dementsprechend riesig, der Erfolgsdruck hoch. Green Day haben auf die vermutlich schlaueste und sinnvollste (nicht unbedingt mutigste) Weise reagiert, und im Endeffekt "American Idiot" einfach nochmal neu aufgenommen - nur
noch ambitionierter,
noch größer und
noch ausgefeilter. In Hollywood hat sich dieses Vorgehen immerhin seit vielen Jahren bewährt.
In insgesamt 18 (!) Songs wird vom rasanten Punk über Balladen bis hin zu Stadionhymnen alles geboten, was das Repertoire hergibt. Abwechslung wird groß geschrieben, die Kompositionen sind perfekt, und natürlich gibt es auch wieder ein inhaltliches Konzept. Soweit so gut. Doch leider fehlen auf "21st Century Breakdown" die genialen Hits, die dem Vorgängeralbum erst zu seinem Status verholfen haben. Man kann das Album zwar unmöglich schlecht bewerten, dafür haben Green Day einfach zu viel richtig gemacht - aber einen Ohrwurm wie "Boulevard of Broken Dreams" oder "Wake me up when September ends" sucht man leider vergeblich.
7/10
5. Isis - Wavering Radiant
Isis sind mittlerweile eine ziemlich große Nummer, sowohl in Metal-Kreisen als auch bei Indie-Fans. Die einen schätzen die Dramatik der Stücke, die anderen die versponnenen Details und filigran ausgearbeiteten Arrangements. Doch irgendwie schleicht sich bei mir das Gefühl ein, seit "Panopticon" stagniert die Band auf (zugegebenermaßen) hohem Niveau. Auch wenn die Musik objektiv betrachtet eigentlich sämtliche Erwartungen erfüllt, wirkt sie auf mich seltsam zahnlos. Was Isis heutzutage fehlt, ist die ungestüme Wucht einer Band wie Kongh (s.o.), die Fähigkeit einfach mal richtig auf den Putz zu hauen. Es ist nicht der Härtegrad, eher die Attitüde. Alles wirkt zu sehr durchkomponiert und kontrolliert. Die Spannung solcher Musik entsteht ja erst durch den Kontrast zwischen laut und leise, zwischen sanften Passagen und hemmungslosem Ausrasten. Bleibt bei Letzterem immer die Handbremse ein Stückchen angezogen, bleibt die Dramatik leider irgendwo auf halbem Weg stecken. Trotzdem - selbst ein für Bandverhältnisse mittelmäßiges Isis-Album ist immer noch ein lohnenswerter Kauf!
(Anmerkung: ich kann mir gut vorstellen, dass die Songs live wesentlich mehr Dynamik und Dramatik entfalten!)
7/10
Honorable Mentions:
The Horrors - Primary Colours 7/10 (Garage Rock / Psychedelic Rock)
DJ Hell - Teufelswerk 7/10 (Techno / Ambient)