Es ist ja nicht nur so, dass Lücken zum persönlichen Vorteil genutzt werden; es entstehen mehr und mehr Regeln, die "den Markt" vor der angeblich erwünschten Freiheit und Offenheit schützen müssen. Und genau diese Regeln werden dann auch zum persönlichen Vorteil missbraucht - ich denke da z.B. an die Abmahnindustrie oder die Patenttrollereien. Das traurige an der ideologischen Stimmungslage heutzutage ist, dass sowas dann oft als "clever" gilt; manch einer wird jemanden, der sich auf diese Weise sein Geld verdient zwar als "Ar***" bezeichen, ... "aber irgendwie clever". Und grundlegend dürfen sich alle, die einen gewissen Wohlstand oder Umsatz erwirtschaften, egal auf welche zweifelhafte Art und Weise, heute als "Leistungsträger" fühlen. Und wirkliche Leistungserbringer, wie z.B. Pflegekräfte, die sich für einen respektlosen Lohn bis zum Umfallen abrackern, wegen Personalmangel eine Menge Freizeit für die Menschen opfern, dann irgendwann im Burnout landen - für die hat man vielleicht mal kurz einen anerkennenden Gedanken übrig; aber zu den "Leistungsträgern" unserer Gesellschaft zählen sie nicht. Wie sollten sie auch? Wo im kapitalistischen Denksystem gibt es einen Mechanismus, in den diese Leistung eingehen würde?joe.i.m hat geschrieben: Ob das dann funktioniert in einer Gesellschaft, wo nach jeder Lücke im Regelwerk gesucht wird, um sie zum Persönlichen Vorteil zu nutzen? Ich wage da gelinde Zweifel anzumelden.
Ich denke da immer wieder an ein Schlüsselerlebnis, das ich irgendwann Anfang meiner Zwanziger hatte; es war die Zeit als das Internet gerade aufkam. Ein Gespräch mit einem Kumpel - ein hochintelligenter (2.-bestes Abi im Jahrgang, aber das nur weil er in Lernfächern stinkefaul war) und tiefreligiöser Mensch. Damals machte die Nachricht die Runde, dass jemand sich Domains bekannter Firmennamen wie w w w.bmw.de gesichert hat, um sie dann für viel Geld zu verkaufen. Natürlich nix besonderes - aber was mich damals perplex gemacht hat, war die grenzenlose Hochachtung mit der mein Kumpel diese Nachricht aufgenommen hat. Und er steht damit sicherlich nicht alleine da. Wer auf diese oder ähnliche Weise - d.h. ohne irgendetwas produktives zu leisten - Geld erwirtschaftet, wird sehr schnell zum respektierten Leistungsträger. Zumindest gilt er als erfolgreich. Aber die Krankenschwester, die sich um Menschen kümmert und dabei evtl. an die Grenzen des menschenmöglichen geht, nicht.
Ich hoffe, solche Beispiele verdeutlichen, wo ich die gewaltige Lücke in der kapitalistischen Ideologie sehe. Und eine Lücke kann man nicht durch "mehr davon" schließen!