Hallo "Koji-X",
endlich mal bekomme ich interessante Fragen, welche ich auch gerne beantworte.
Koji-X hat geschrieben:
1. Wäre in einer perfekten Welt, in einem perfekten Raum, mit einem perfekten Lautsprecher der Frequenzgang idealerweise komplett gerade, oder wäre auch unter diesen Umständen eine Senke in diesem Bereich nötig?
Diese Frage ist nahezu unbeantwortbar. Denn man müsste zunächst definieren, was ein „perfekter Lautsprecher“ ist. Aber wenn es einen perfekten Lautsprecher gäbe, der keine Kanten hätte, und keines der beteiligten Chassis ein frequenzabhängiges Bündelungsverhalten hätte, dann würde ich mit einem vorsichtigen „ja“ antworten.
Koji-X hat geschrieben:
3. Ist die Senke nur da um einem Effekt der Kantendispersion zu begegnen, oder hat es noch andere Gründe, wie z.B. den psychoakustischen Effekt vom Verhältnis zwischen direkt-Schall und diffus-Schall, wie es beim BBC-Dip z.B. beschrieben wird?
Die Senke ist
ausschließlich dazu da, um dem Effekt der Kantendispersion zu begegnen. Sie tritt auch
nur dann auf, wenn sie in den Arbeitsbereich des Hochtöners fällt. Fällt sie in den Arbeitsbereich des (Tief-)mitteltöners, legt man also den Übergang zwischen Tiefmitteltöner und Hochtöner höher, dann tritt diese typische Senke
überhaupt nicht in Erscheinung. Dieser eine Vorteil wird aber wieder durch andere Nachteile erkauft, welche wir bei Nubert nicht haben wollen: Trennt man den Übergang höher, so gelangt man beim Mitteltöner in den Bereich, wo er anfängt, den Schall merklich zu bündeln. Auch leidet dann das vertikale Rundstrahlverhalten ganz erheblich: Die Schall-Wellenlänge ist beim Übergang dann so klein, dass sich Phasenauslöschungen zwischen Mittel- und Hochtöner ergeben, sobald man sich beim Hören nicht exakt zwischen diesen befindet. Wir trennen daher bewusst tief, um solcherlei Effekte zu vermieden. Einziger Schönheitsfehler dabei ist, dass wir eine Senke im Frequenzverlauf haben, welche sich glücklicherweise nur messen,
aber nicht hören lässt.
Koji-X hat geschrieben:
4.Wann, und unter welchen Bedingungen sollte man denn überhaupt die Schalterstellung "Prägnant" verwenden?
Diese Schalterstellung sollte man meiner Ansicht nach nur dann verwenden, wenn man Messtechniker einer Testzeitschrift ist. Das ist aber meine rein persönliche Einschätzung. Gut ist, was gefällt.
Koji-X hat geschrieben:
5. Spielt die Ausrichtung der Lautsprecher (auf den Hörer gerichtet/ am Hörer vorbeistrahlend) eine Rolle bei der Wahl der Schalterstellung für die Mitten? (z.B. Prägnant= auf den Hörer gerichtet/ Neutral= am Hörer vorbeistrahlend)
Nein. Wie ich schon schrieb, bleibt der grundlegende Klangcharakter der Box (zumindest bei unseren Boxen) bestehen, unabhängig davon, ob sie parallel, oder zum Hörer ausgerichtet ist. Allerhöchstens die Höhen werden aufgrund der prinzipbedingten Bündelung im Superhochtonbereich etwas „sanfter“, wenn die Boxen nicht exakt zum Hörer ausgerichtet sind.
Koji-X hat geschrieben:
6. Gerät man bei der Nuvero 30, wenn man sie als Rearspeaker, wie in der Anleitung beschrieben, (hinter dem Hörer) auf den Center ausrichtet, nicht automatisch voll in den Bereich der Kantendispersionen, da man weit ausserhalb des 30° Winkels sitzt?
Diese Frage verstehe ich nicht ganz. Weit außerhalb des 30°-Winkels ist man ja gerade
nicht mehr im Bereich der Haupt-Kantendispersion. Nur exakt auf Achse ist das ja der Fall.
Koji-X hat geschrieben:
7.Was ist damit gemeint, das sich die Senke in der "Neutral"-Stellung "energetisch" am Hörplatz wieder korrigiert und linear klingen soll? (Wenn ich am Hörplatz den Frequenzverlauf nachmesse, ist die Senke immernoch annähernd unverändert vorhanden)
Das ist ja gerade das merkwürdige daran:
Obwohl man eine Senke auf Achse misst (wenn sie auf einer Kantendispersion beruht, sonst ist es anders),
hört man sie nicht! Selbst mit Rosa Rauschen, welches als eine Art „akustische Lupe“ bekannt ist, ist kein Einbruch oder sonst ein Effekt zu bemerken, welcher auf eine Inhomogenität in der Klangbalance hindeutet. Erst wenn man versucht, diese Senke so auszubügeln, so dass man auf Achse gemessen eine lineare Kurve bekommt, hört man bei breitbandiger Musik oder Geräuschen (z. B. Applaus) bei Rauschsignalen künstlicher oder „nicht künstlicher“ Natur (Rosa Rauschen, Wasserrauschen) mehr oder weniger deutlich einen „Klangschwerpunkt“ heraus – solange man sich etwa im Bereich 0° bis 30° seitlich zur Box befindet.
Koji-X hat geschrieben:
8. Soll die Senke tatsächlich messbar am Hörplatz ankommen? Oder sollte sie sich durch Reflektionen, ect. des Raumes auf ihrem Weg zum Hörplatz wieder begradigt haben?
Sorry, aber die Frage beinhaltet einen Denkfehler: Klang kann man nicht messen! Es spielt eine höchst untergeordnete Rolle, ob man eine Senke oder eine Überhöhung oder sonst irgend etwas am Hörplatz messen kann. Entscheidend ist das, was man hört. Das einzige, was dabei hilft, ist, sein Gehör auf Klangverfärbungen hin zu schulen. Künstliche Signale wie Rosa Rauschen oder auch Terzrauschen leisten dabei eine enorme Hilfe. Sie erlauben es, feinste Abweichungen herauszuhören, mit einer Auflösung von
bis zu einem halben dB! Solch geringe Werte fallen in einer Messung oftmals überhaupt nicht auf!
Koji-X hat geschrieben:
9. Wenn sich der Effekt des künstlich begradigten Frequenzverlaufs gehörmäßig erst bei hohen Lautstärken bemerkbar macht, wäre dann "Prägnant" beim leiseren hören vorzuziehen?
Ich persönlich würde sagen: Eher nein. Der "Prägnant"-Schalter ist - meiner Meinung nach - rein für Messtechnik-Freaks abgestimmt. Er erzeugt eine (wenn auch nur ganz minimale) Klangverfärbung. Jedoch hatte ich bei nuDays mit Leuten gesprochen, welche die "Prägnant"-Schalterstellung tatsächlich als klanglich "besser" beurteilt haben. Möglicherweise hängt dies mit der veränderten Gehörkurve bei leisen Pegeln zusammen. Ich gehe aber eher davon aus, dass bei leisen Pegeln solche Feinheiten einfach „überhört“ werden. Letztendlich ist Klang eben doch immer Geschmackssache - egal, wie sehr man sich um "Neutralität" bemüht.
Koji-X hat geschrieben:
Ich selbst ... bin jedoch trotzdem nie ganz zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen, ob diese Senke nun:
- eine Art "Sounding" für einen angenehmeren Klang
- eine Art "notwendiger Kompromiss"
- ein "Ausgleich für das Verhältnis von direkt- zu diffus-Schall"
oder etwas ganz anderes ist.
Da in der laienhaften Vorstellung ein linearerer Frequenzgang ja wünschenswerter zu sein scheint.
Die Senke ist kein „Sounding“ für einen angenehmeren, oder gar „schöneren“ Klang, also kein „Taschenspielertrick“, wie es „steakhouse“ lustigerweise formulierte. Sie ist auch kein „notwendiger Kompromiss“. Der dritte Punkt trifft es am ehesten: Sie ist ein Ausgleich für das Verhältnis von Direkt- zu Diffusschall. Besser formuliert: Sie gewährleistet
eine über die Frequenz gleichmäßige Schall-Leistungsverteilung im Raum.
Beste Grüße,
Thomas Bien