tomdo hat geschrieben:Warum aber die Entscheidung eines Volkes desaströs sein soll erschließt sich mir nicht...
Weil ich es nunmal "desaströs" finde, wenn 57,4 Prozent der stimmberechtigten Schweizer sich für ein Bauverbot von Minaretten aussprechen...
Mal ganz davon abgesehen von den bestimmt auch 57,4% der Iraker / Türken / Saudis /... sich gegen ein Kirchenturmbauverbot ausgesprochen hätten. Allgemein unsere südlichen Nachbarn haben einen leichten "Nationaltouch" was auch nicht unbedingt verkehrt .... jedoch nicht jedermanns Sache ist.
Verfasst: Di 1. Dez 2009, 15:47
von Riddick
Tja das ist so eine verzwickte Sache mit der Demokratie, man will dem Volk ganz viel davon verkaufen:
Sozialdemokraten und Grüne wollen noch in dieser Legislaturperiode Volksentscheide in Deutschland verbindlich durchsetzen
Sollte jedoch Gefahr für die eigene Weltanschauung bestehen,
"SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz: "Das Volk kann sich ja auch irren."
dann ist es doch sicherer das dumme Wahlvolk nur über so weltbewegende Themen wie das Rauchen abstimmen zu lassen
Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag: "Daher dürften solche Fragen wie in der Schweiz nicht zugelassen werden."
Verfasst: Di 1. Dez 2009, 16:04
von Philipp
Ich bin immer noch Befürworter von Volksentscheiden auf Bundesebene. Aber man könnte evtl. darüber nachdenken, im Gegensatz zu den Schweizern schon VOR der Abstimmung den Gesetzesvorschlag auf Verträglichkeit mit Grundgesetz und Menschenrechtskonvention zu überprüfen.
Verfasst: Di 1. Dez 2009, 16:20
von tomdo
Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag: "Daher dürften solche Fragen wie in der Schweiz nicht zugelassen werden."
Um damit Volkes Wille wieder zu beschneiden?
Philipp hat geschrieben:Ich bin immer noch Befürworter von Volksentscheiden auf Bundesebene. Aber man könnte evtl. darüber nachdenken, im Gegensatz zu den Schweizern schon VOR der Abstimmung den Gesetzesvorschlag auf Verträglichkeit mit Grundgesetz und Menschenrechtskonvention zu überprüfen.
Man könnte aber auch nach dem Volksentscheid das Grundgesetz anpassen... (ein verwegener Gedanke)
Verfasst: Di 1. Dez 2009, 16:44
von Philipp
Nicht, dass das jetzt falsch rüberkommt: ich mache nicht das Instrument "Volksentscheid" für den Ausgang der Abstimmung in der Schweiz verantwortlich, und halte das Ergebnis deswegen auch nicht für "falsch". Die Schweizer haben sich so entschieden, weil sie nunmal so denken. Also muss das Verbot natürlich in Kraft treten. Dass ICH das persönlich ganz furchtbar finde, steht auf einem anderen Blatt...
Man könnte sich aber fragen, WARUM es zu diesem Ergebnis gekommen ist. Wie war die Berichterstattung in den Medien im letzten Jahr zu diesem Thema? Hat die Gegenseite evtl. propagandatechnisch ein bisschen zu sehr auf der faulen Haut gelegen? Wurde da wirklich speziell über Minarette abgestimmt oder ist der Ausgang eher Zeichen einer diffusen Angst vor Islam und Überfremdung? etc.
Verfasst: Di 1. Dez 2009, 18:07
von Germerman
"SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz: "Das Volk kann sich ja auch irren."
Da kommt einem echt die Galle hoch. Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: ein Volksvertreter lässt vom Stapel, dass er zwar gewählt wurde, aber danach durch eben diese Wähler anscheinend zu einem besseren Wesen wurde, das sich Kraft seines Amtes natürlich viel weniger irren kann!! Oder wie soll ich das verstehen?
Wieso überhaupt irren? Was für ein Irrtum soll dies denn sein! Ich kann aus Fakten falsche Schlüsse ziehen (logische Fehler), aber eine Entscheidung, was erlaubt ist und was nicht, ist einfach eine Entscheidung und sollte nur im Zusammenhang damit gesehen werden, was in diesem Fall eine Gesellschaft will. Hier hat die Schweiz beschlossen: keine Minarette. Das Verbot war ihnen augenscheinlich wichtiger als die Reaktionen aus dem Ausland. Was soll daran ein Irrtum sein?
Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag: "Daher dürften solche Fragen wie in der Schweiz nicht zugelassen werden."
Auch hier frage ich: Wieso? Wer entscheidet denn bei unseren Politikern, ob ein Gesetz zugelassen werden kann? Sind denn bei dem jüngsten SWIFT-Gesetz alle Grundrechte beachtet worden?
Ich denke: eine durch Volksentscheid getroffene Entscheidung/Gesetz kann bei uns durch das Verfassungsgericht (bei Nichtvereinbarkeit mit dem Grundgesetz) genauso gekippt werden, wie jedes andere "Politikergesetz" auch. Warum keine Volksentscheide? Es ist die pure Angst der Oberen, möglicherweise unbequeme Entscheidungen ihrer eigenen Wähler vertreten zu müssen.
Es sei auch noch auf eine ganz andere Art des Volksentscheides hinzuweisen:
Grundgesetz Art. 146 [Geltungsdauer des Grundgesetzes]:
"Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."
Unsere Politiker scheinen mehr und mehr zu vergessen, welche Macht (nämlich ALLE Macht) eigentlich vom Volke ausgehen soll. Es geht nicht um das ob, es darf nur um das wie gehen.
viele (leicht politikverdrossene) Grüße,
Germerman
Verfasst: Di 1. Dez 2009, 21:47
von raw
Ja gut, das ist in unserer Situation schon kritisch mit den Volksabstimmungen. Die Medien arbeiten derzeit eher weniger für objektive Darstellungen. Was kann man dann vom Volk erwarten, wenn es seine Meinung auf teilweisen Schrott bildet? Der Missbrauchsfaktor ist groß. Er würde noch viel größer werden, wenn es direkt auf die Meinung des Volkes ankäme. Dann würden die Medien nur noch inhaltsverzerrten Müll bringen, da dann jeder aus Staat und Wirtschaft mitmischen würde.
Unser System ist vielleicht gar nicht so schlecht. Nur sollte mehr getan werden, dass nicht durch irgendwelche Hintertüren doch ungewünschter Einfluss ausgeübt wird. Grade auch bei den Medien: Wir zahlen eine Gebühr, um von Staat und Wirtschaft unabhängige Nachrichten und Unterhaltung zu erhalten, aber irgendwie sind die öffentlich Rechtlichen doch etwas von denen unterwandert...
EDIT: Ein Beispiel für abhängige Medien und Volksmeinung liegt ja grad mal 60 Jahre in unserer Geschichte zurück. Bei der Organisation der BRD hat man sich schon viele Gedanken gemacht.
Verfasst: Di 1. Dez 2009, 23:03
von tomdo
raw hat geschrieben:Die Medien arbeiten derzeit eher weniger für objektive Darstellungen. Was kann man dann vom Volk erwarten, wenn es seine Meinung auf teilweisen Schrott bildet?
Das ist eine gute Frage - wobei ich mich hier frage worauf dann die Politiker ihre Entscheidungen aufbauen?
Sollten diese andere Informationen haben, könnte man diese im Sinne einer "funktionierenden" Volksabstimmung
doch jederzeit einbringen bzw. den Medien "reinen Wein" einschenken.
Wer dann immernoch den Medien misstraut könnte auch direkt den Interviews der Politiker
folgen und entsprechend abstimmen, wobei diese oft noch weniger Wahrheitsgehalt aufweisen...
Zu vielen Themen sollte man doch auch dem Normalbürger eine gewisse
eigene selbst überlegte Meinung zugestehen - sonst dürften wir dich auch nicht zur normalen Wahl gehen
Schließlich sind wir heute deutlich aufgeklärter als noch vor 60-70 Jahren und
sehen längst über den Tellerrand heraus
Verfasst: Di 1. Dez 2009, 23:22
von Candida
tomdo hat geschrieben:Zu vielen Themen sollte man doch auch dem Normalbürger eine gewisse
eigene selbst überlegte Meinung zugestehen - sonst dürften wir dich auch nicht zur normalen Wahl gehen
Schließlich sind wir heute deutlich aufgeklärter als noch vor 60-70 Jahren und
sehen längst über den Tellerrand heraus
Kennt ihr Alfons, der mit seinem Puschel Mikro dem Normalbürger dessen selbst überlegte Meinung entlockt...
Verfasst: Do 3. Dez 2009, 08:26
von buhfie
Dürfte wohl geklappt haben mit dem Volksbegehren in Bayern.