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Verfasst: Mi 21. Jan 2004, 20:00
von G. Nubert
Hallo,

Verstärker mit "bipolaren" Transistoren ziehen im Allgemeinen kurz nach dem Einschalten deutlich weniger "Ruhestrom", als nach einigen Minuten.
Vor allem bei kleinen Signalen sind in den ersten Minuten meistens deutliche Unterschiede in den Verzerrungswerten zu messen.

Nach einigen Minuten steigt die Betriebstemperatur in den Vortreiber-, Treiber- und Endtransistoren, dadurch sinkt der Wert der "Basis/Emitter-Spannung" von vielleicht 0,6 auf 0,55 Volt, was dazu führt, dass die Endstufe stärker "mit Gleichstrom" durchgesteuert wird und eine Tendenz in Richtung "Class A" bekommt.
(Dann gibt es weniger "(Class)-B-Verzerrungen" im Signal-Nulldurchgang.)

Die ganzen Ruhestrom-Stabilisierungs-Schaltungen reagieren mit einer gewissen "Trägkeit", weil sie oft die Temperatur am Kühlkörper "fühlen" (und nicht die Temperatur des Transistor-Chips).

Obwohl es technisch möglich wäre, diese Effekte zu vermeiden, hören wir bei manchen Verstärkern den "kalten Zustand" auch in Blind-Tests heraus.

Gruß, G. Nubert

Verfasst: Mi 21. Jan 2004, 20:10
von pinglord
G. Nubert hat geschrieben:Die ganzen Ruhestrom-Stabilisierungs-Schaltungen reagieren mit einer gewissen "Trägkeit", weil sie oft die Temperatur am Kühlkörper "fühlen" (und nicht die Temperatur des Transistor-Chips).
Ich dachte, Eine Schaltung mit Strom- bzw. Spannungsgegenkopplung "fühlt" gar nix, sondern wird einfach auf einen bestimmten Arbeitspunkt hin dimensioniert, der durch diese Schaltung dann automatisch gehalten wird? Wusste gar nicht, dass es Temperaturfühler in den Verstärkern gibt. Oder rede ich jetzt nur vom Vorverstärker (Emitterschaltung) und bei den Endstufen sieht die Geschichte dann anders aus?

Verfasst: Mi 21. Jan 2004, 20:23
von g.vogt
Hallo Herr Nubert,
vielen Dank für ihre interessante und verständliche Erläuterung des technischen Hintergrundes.
Mit internetten Grüßen
Gerald Vogt

Verfasst: Mi 21. Jan 2004, 20:39
von g.vogt
Hallo pinglord,

aus früheren Bastelzeiten kann ich mich auch noch daran erinnern, dass gerade Gegentakt-Endstufen auch mit einer temperaturfühlenden Arbeitspunktstabilisierung ausgerüstet sind. Ich vermute, dass in einfachen "Class-A-Transistorstufen" eine leichte Arbeitspunktverschiebung keine nennenswerten Probleme verursacht (die stehen ja ohne Signal auf "halber Spannung") und schon von einer leichten Gegenkopplung hinreichend abgefangen wird. In der Gegentaktendstufe ist dagegen ohne Signal nur ein geringer Ruhestrom vorhanden. Ist dieser zu gering, müssen die Signale erst eine "gewisse Hürde" überwinden, es kommt zu deutlichen Verzerrungen. Ist der Ruhestrom zu hoch, heizt sich die Endstufe schon ohne Signal heftig selber.

Aber ich hätte halt erwartet, dass man diese Probleme erkannt und generell abgeschafft hätte. Dass es immer noch hier und da die ungenauen Fühlerchen (ich kenn's mit Thermistoren und mit kleinen Transistoren) an den Kühlkörpern gibt, hätte ich nicht gedacht. Das ist Stand der Technik aus den 70ern.

Mit internetten Grüßen
Gerald Vogt

Verfasst: Mi 21. Jan 2004, 22:37
von Amperlite
Naja, Elektronik und Temperatur sind so eine Sache.
Es handelt sich nun mal um eine "träge" Größe.

Wenn ich weiß, dass ich "ernsthaft" Musik hören will, lass ich den Amp auch erst mal ein bisschen im Hintergrund laufen und tu erstmal was anderes.
Ich bin der Meinung, dass man das durchaus hört.

Verfasst: Do 22. Jan 2004, 08:25
von Corwin
Wusst' ich's doch. Hab' also keinen kleinen Mann im Ohr ;)

Danke an Herrn Nubert für die Auflösung des "Rätsels".
Wenn ich das richtig verstehe, hängt die Warmlaufzeit dann (vereinfacht) mit dem Verhältnis, Kühlkörpergröße zu Wärmeabgabe der Transistoren ab.

Das würde zumindest erklären, warum der Audio Agile Step, schon nach unter 10 Minuten top klingt (kleiner Kühlkörper, große Wärmeabgabe "dank" Class A).

Verfasst: Do 22. Jan 2004, 11:04
von Amperlite
Corwin hat geschrieben:Wenn ich das richtig verstehe, hängt die Warmlaufzeit dann (vereinfacht) mit dem Verhältnis, Kühlkörpergröße zu Wärmeabgabe der Transistoren ab.
Richtig, von ein paar Wärme-Übergangswiderständen und den Belüftungsverhältnissen mal abgesehen.

Bei diesen Class-A Elektro-Heizöfen ist es wohl nur logisch, dass die schneller ihre Betriebstemperatur haben. :wink:

Verfasst: Do 22. Jan 2004, 12:47
von g.vogt
Hallo,

klar, dass sich Class-A-Endstufen schneller aufheizen. Aber nicht klar ist mir, wieso die trotz ihres hohen Ruhestroms auch im kalten Zustand erhöhte Übernahmeverzerrungen verursachen sollten.

Mit internetten Grüßen
Gerald Vogt

Verfasst: Do 22. Jan 2004, 16:02
von Amperlite
g.vogt hat geschrieben:Hallo,
Aber nicht klar ist mir, wieso die trotz ihres hohen Ruhestroms auch im kalten Zustand erhöhte Übernahmeverzerrungen verursachen sollten.
Ich glaub da hast du was falsch verstanden. Oder ich?
Das ist ja gerade der Vorteil von Class A, dass eben im Gegensatz zu Class B weniger Verzerrungen entstehen, wenn ich nicht irre, gibt es dabei gar keine Übernahmeverzerrungen, weil der Arbeitspunkt "in der Mitte" liegt.

Verfasst: Do 22. Jan 2004, 17:24
von g.vogt
Hallo Amperlite,

das wars ja eben, was ich gemeint habe: Als technischer Hintergrund für den schlechteren Klang direkt nach dem Einschalten wurden ja gerade die zu geringen Ruheströme und damit verbundenen steigenden Übernahmeverzerrungen beschrieben. Und dann dürfte es den Effekt bei Class-A-Heizungen nicht geben.

Mit internetten Grüßen
Gerald Vogt