Mich stört die mangelhafte Klangqualität heutiger Aufnahmen auch sehr. Letztendlich hat das dazu geführt, dass ich kaum Tonträger besitze und höre, die nach den 90ern produziet worden sind. Heutzutage kaufe ich mir, wenn überhaupt, vielleicht zwei Alben im Jahr, plus hier und da mal eine Single (Schallplatte oder verlustfreier Download). Und auch dann ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass ich diese Alben dann mehr als ein paar Male höre.
Selbst bei meinen Lieblingskünstlern kommt bei aktuellen Veröffentlichungen einfach nichts mehr bei mir an. Rein vom Kopf her gefällt mir die Musik und ich versuche wirklich, die lieben zu lernen, aber ich empfinde einfach nichts beim Hören, fühle mich eher genervt/gestört, klebe ständig am Lautstärkeregler, weil die CD dann gefühlt von Titel zu Titel immer lauter und aufdringlicher wird. Ich schaffe es kaum, aktuelle Alben überhaupt von Anfang bis Ende durchzuhören. Nach zwei bis drei Titeln, spätestens nach der Hälfte des Albums, bin ich bereits "erschöpft". Bei älteren Alben aus den 70ern/80ern/90ern, egal welcher Musikrichtung, könnte ich das Album dreimal hintereinander abspielen und hätte immer noch meine Freude.
Es gibt durchaus auch heute noch Ausnahmen, auch im "mainstream"-Bereich. Jedoch gibt es auch da immer irgendwelche Haken. Ein Beispiel wäre das neue Album von Kate Bush, "50 Words For Snow". Gerade der 24Bit/96KHz-Download hat einen beachtlichen Dynamikspielraum (siehe DR-Wert:
http://www.dr.loudness-war.info/details.php?id=13084) und es klingt alles sehr natürlich und unbeschnitten. Nur ist der Bassbereich derart dominant und "dick", dass ich den Bassregler am Verstärker immer mindestens zur Hälfte runterdrehen muss, da ich sonst nach wenigen Minuten Kopfschmerzen bekomme. Dann sind viele eigentlich gute Aufnahmen so staubtrocken aufgenommen, dass es sich anhört, als befinde man sich in einem Vakuum. Da sehne ich mich dann fast nach den (oft übertriebenen) Halleffekten aus den 80ern. Oder die Abmischung ist so planlos, dass ein einziger Klangmatsch entsteht und man auch mit höchster Konzentration nicht die einzelnen Instrumente oder Effekte raushören kann. Was mich fast am meisten nervt, ist die heutzutage oft sehr laute Abstimmung des Gesangs. Man möchte die Musik gerne mal lauter drehen, um die Instrumentalbegleitung richtig wirken zu lassen, aber das ist unmöglich, weil die Gesangsstimme einem sonst die Ohren bluten lassen würde.
Größte Enttäuschung in den letzten Monaten war "Biophilia" von Björk, wobei bereits das katastrophal klingende Vorgängeralbum "Volta" bereits nichts Gutes vermuten ließ. Ich bin ja eigentlich ein großer Fan, aber die ständige Übersteuerung, der plärrend klingende Gesang und das scheinbar nicht vorhandene Mixing (da wurden wohl einfach alle Soundspuren plump aufeinandergeworfen, ohne einzelne Stereo- und Frequenzbereiche für die einzelnen Elemente freizumachen) sind absolut ungenießbar.
Eine der wenigen aktuellen Ausnahmen im Pop/Rock-Bereich wäre "Let England Shake" von PJ Harvey. Nicht wirklich hochwertig von der Klangqualität her, auch hier höre ich meistens nur die Hälfte des Albums am Stück und insgesamt wirkt der Klang etwas steril und metallisch, aber ansonsten ist es für heutige Verhältnisse sehr mitreißend. Auch "Heligoland" von Massive Attack fand ich gar nicht mal schlecht, wobei auch hier alles sehr aufgedickt klingt und der Bassregler weit in Minusrichtung wandert. Dann die Veröffentlichungen von Distance (Dubstep), die für ihr Genre überdurchschnittlich dynamisch sind.
Wie man zum Beispiel einen aktuellen Rihanna-, Lady Gaga- oder Red Hot Chili Peppers-Track ohne "Party-Atmosphäre" (Alkohol, etc.) aushalten kann, ist mir persönlich unbegreiflich. Ich möchte die Musik gar nicht mal schlecht reden. Ich habe nichts gegen plumpe Gute-Laune-Party-Musik, aber der Klang schmerzt einfach derart in meinen Ohren, sogar auf Flüsterlautstärke, dass ich mich manchmal frage, ob an mir vielleicht irgendwas anders ist.
Auch der Trend, hochpreisiges "High Resolution"-Material und extrem teure Sammler-Editionen zu verkaufen, finde ich hier sehr kritisch. Da werden dann minderwertige Aufnahmen durch die Verpackung, (wellige und verdreckte) 200g Vinyls und hohe Bit- und KHz-Angaben als besonderes qualitativ hochwertig und "audiohpil" vermarktet, was natürlich absolut nichts bringt, wenn die Aufnahme von Haus aus schlecht ist. Quasi so, als würde man einen Handy-Klingelton auf eine vergoldete Schallplatte pressen und in eine mit Diamanten besetzte Schatztruhe packen.
Mal schauen, wie sich das entwickelt. Bleibt zu hoffen, dass die EBU-R128-Empfehlungen bezüglich des Lautstärkeangleichs, wie es ja die öffentlich rechtlichen Fernsehsender bereits aufs Programm gesetzt haben, weitere Kreise ziehen und irgendwann auch bei Radio und Tonträgern ankommen. Man merkt schon, dass auch die "ganz normalen Durchschnittshörer" langsam genervt sind und merken, dass etwas nicht stimmt. Bei brandaktuellen mainstream-Veröffentlichung, etwa von Lana Del Ray, häufen sich geradezu die negativen Amazon-Kundenrezensionen, in denen der schlechte Klang angeprangert wird.