Hallo,
ich habe mir nun auch mal ein paar Sachen mit den schönen Tools angeschaut. Sie sind sehr nett, um sich ein paar Dinge zu verdeutlichen, gehörtes zu bestätigen oder auch die Aufmerksamkeit auf den ein oder anderen Aspekt zu lenken und so das Gehör ein wenig zu schulen. Letztlich habe ich aber auch festgestellt, dass das Gehör das zuverlässigste Tool ist und dass man manchmal ein wenig aufpassen muss, sich nicht (allein) von den Bildchen zu nicht ganz zutreffenden Urteilen verleiten zu lassen; auch die geben teilweise ein etwas verzerrtes Bild der Wirklichkeit wieder.
Drei Beispiele für oft gescholtene Rock-Produktionen:
Audioslave (Audioslave) - Gasoline:
Man sieht in der wavstat-Grafik die Folgen der heftigen Komprimierung und das Hardclipping, interessanterweise knapp unterhalb der 0 dB-Grenze. Nicht zuletzt das dürfte vielleicht darauf hinweisen, dass das nichts mit "Dilletantismus", sondern mit "voller Absicht" zu tun hat.
Das Audioslave-Album ist eines der gern genannten Beispiele, wenn es um den übertriebenen Einsatz der Dynamik-Komprimierung geht. So arg schlimm finde ich es in diesem Fall aber gar nicht (wobei man natürlich sagen könnte, dass es schon schlimm gekommen ist, wenn man sich mit "nicht so arg schlimm" zufrieden gibt
); irgendwie passt es ein Stück weit zum Musikstil. Unangenehmer ist da imho
Muse (Absolution) - Hysteria:
Auch hier war es sicher Absicht, einen sehr stark verzerrten "dreckigen" Klang zu erzeugen. Dazu kommt aber noch ein irgendwie unangenehmer etwas "mittiger" Klang. Die Wave-Grafik zeigt ein wirklich übel heckenmäßig zurechtgestutztes Bild. Das Histogramm mit den "breiten Schultern" dürfte typisch für so stark komprimierte Rock-Musik sein.
Powderfinger (Vulture Street) - Sunset:
Die wavstat-Grafik zeigt, dass man sich wohl Mühe gemacht hat, Clipping durch Softlimiter zu verhindern. Trotzdem das Beispiel kaum clippt, empfinde ich das Zuhören als sehr anstrengend, da es sich um eher "puren" Rock und keinen so stark verzerrten Alternative Rock handelt. Hier hat man gute Rockmusik tatsächlich zu Tode komprimiert.
Der Bass ist bei diesem Beispiel auch nicht besonders tief, anders als in den anderen beiden Stücken. Ich habe den Eindruck, dass ein hart geclippter tiefer lauter Bass beim hören nicht so sehr auffällt; es zeigt sich aber natürlich trotzdem in den Statistiken.
Auch hier im Histogramm die typischen "breiten Schultern".
Drei Beispiele eher audiophiler Aufnahmen:
Friedemann (Aquamarin) - Five Sounding Crystals:
Eher ruhiges Stück mit einer tiefen dezenten Basstrommel.
Trilok Gurtu (Rememberance) - Brindavan Dance:
Dynamisches Stück mit äußerst impulsiven Bassschlägen. Das (Soft-)Clipping betrifft natürlich nur die Bässe und fällt beim Hören kaum auf.
Al DiMeola (Kiss My Axe) - The Embrace:
Auch hier einige sehr impulsive und sehr tiefe Bassschläge, deren Spitzen mit einem Limiter gekappt wurden, was aber beim Hören nicht auffällt, sich jedoch in der wavstat-Grafik zeigt. Die Wave-Grafik zeigt dann relativ viel Dynamik.
Vier Beispiele eher gelungener Produktionen aus dem Hip-Hop-Bereich:
The Black Eyed Peas (Monkey Business) - Pump It!:
Die Analysen der Stücke von den
Black Eyed Peas haben mich zunächst ein wenig überrascht, ähneln sie doch ein wenig den als etwas anstrengend empfundenen Rock-Beispielen. Ich empfinde das Album jedoch eher als sehr dynamisch, "offen" und sehr gut durchhörbar. Ich vermute mal, dass für das Bild die im Hip-Hop oft übertrieben starken, tiefen und impulsiven, noch dazu dicht aufeinander folgenden Bassschläge verantwortlich sind. Das starke Clippen ist wohl der Tribut, den man für die heftigen Bassattacken zollen muss. Quetscht man die dicht aufeinander folgenden Bassschläge in ein eher schmales Bild, sieht das dann natürlich auch nach heftig gestutzter Hecke aus, obwohl der Höreindruck ein anderer ist, als bei ähnlich aussehenden Rock-Stücken.
Dass das bei Hip-Hop durchhörbarer klingt, leigt aber vielleicht auch daran, dass man hier meist keine stark verzerrenden Gitarren hat und dass die Arrangements "schlanker" sind.
Die Verzerrungen fallen zwar deutlich auf, sind aber nicht unbedingt unangenehm oder ermüdend.
Auffällig im Histogramm die starken Peaks an den Rändern.
The Black Eyed Peas (Monkey Business) - Don't Phunk With My Heart:
Im darauffolgenden Stück des Albums sieht man schön den Einsatz wahrscheinlich eines Softlimiters. Liegt es daran, dass der Bass irgendwie "runder" klingt?
Ich finde es interessant, dass die Kurven bei diesem Stück an den Enden so anders aussehen als das hart geclippte erste Stück. Vielleicht war im Tonstudio der Titel "Pump It" auch Programm für den Ing.
Missy Elliott (Under Construction) - Work It:
Auffallend die heftigst bei 0 dB geclippten Beats, denen ich das heftige Clippen in diesem Fall nicht anhöre. Möglicherweise reagieren die eher obertonarmen elektronischen Bässe (?) darauf nicht so empfindlich (?). Dass relativ viel Dynamik übrig bleibt, wenn man sich die heftigen Bässe ausblendet, zeigen die Wave-Grafik aber auch der eher "flache Fuß" der wavstat-Grafik oder das eher "schlanke" Histogramm (mit den typischen Clipping-Peaks an den Rändern).
Bubba Sparxxx (Deliverance) - Deliverance:
Dass es auch mit wenig Clipping geht, zeigt Bubba Sparxxx in seinem in jeder Hinsicht gut gemachten (imho) Album. Möglicherweis hatte man es hier aber "leichter", weil die Bässe nicht ganz so tief und zupackend rüberkommen.
Noch mal drei Beispiele:
Christina Aguilera (Stipped) - Walk Away:
Das schon erwähnte Beispiel. Dass man eine Ballade so übersteuert, ist mir nicht ganz verständlich. Einem geschulten Toningenieur muss das doch noch schlimmer in den Ohren klingeln als mir. Warum man sowas wohl macht? Bei den erwarteten Einnahmen so einer eingängigen Pop-Produktion sollte ein wenig mehr Sorgfalt doch eigentlich verhältnismäßig erschwinglich sein (?).
Jack Johnson (On And On) - Wasting Time:
Für meinen Geschmack auch ein wenig zu laut und der Bass zu dröhnend und vordergründig für das eher akustische Stück. Das sparsame Arrangement macht es trotzdem noch erträglich.
James Taylor (Pull Over Live DVD) - Steamroller Blues:
Wahrscheinlich ein Beispiel dafür, wie es eigentlich sein sollte. Nur sehr dezente Komprimierung (?), kein einziges geclipptes Sample. Und vielleicht ein Beispiel dafür, dass man guten (Pop/Rock-)Klang momentan am ehesten auf DVD findet. Allerdings nicht wegen des Formats selbst, sondern wegen des Umgangs damit im Tonstudio.
James Taylor scheint jedoch bekannt dafür zu sein, dass er auf die Tonqualität viel Wert legt (allerdings hat er es bei seiner Zielgruppe wohl auch nicht nötig, sich lauthals bemerkbar zu machen
). Hat jemand ein Studioalbum von James Taylor? Wäre eigentlich interessant, wie das im Vergleich aussieht.
Gruß
Christoph