Ukena hat geschrieben: Warum Röhre? Aus nostalgischen Gründen eher weniger, wenn man die Investitionen dafür bedenkt, oder?
Christian
Sehr gute Frage
Da muss ich etwas weiter ausholen. Ich komme aus der Zeit, als beim Elektrotechnikstudium der Transistor seinen Siegeszug erfolgreich durchgesetzt hatte und die ersten OPV`s den Markt eroberten. Mit Röhren wollte keiner mehr etwas zu tun haben, es waren Relikte aus der Vergangenheit. Mittlerweile sieht man ja vieles abgeklärter und neutraler und erkennt auch die Vorteile dieser alten Ingenieuerskunst. Mittlerweile sind auch Röhren in hochwertigen Studiogeräten wieder zu Hause. Für mich war der Einstieg in Röhrentechnik völlig Neuland und eben auch reizvoll.
Alle aktiven Bauelemente haben eine nichtlineare Kennline und erzeugen Oberwellen (k1, k2 ...kn) Diese sind harmonisch (geradzahlig) oder disharmonisch (ungeradzahlig). Das menschliche Ohr nimmt harmonische Oberwellen als "harmonisch"
wahr, die disharmonischen als Störung.
Röhren erzeugen größtenteils harmonische Oberwellen. Das wird z.B. in der Studiotechnik (Exciter/Enhancer) bewusst ausgenutzt, um ein Klangbild aufzufrischen, um Stimmen mehr Durchsetzungsvermögen zu geben. Man macht das also nicht mit einem Höhenregler, sondern erzeugt harmonische Oberwellen.
Vielleicht werden viele sagen, als Effektgerät ja, aber in einem Vorverstärker? In einem gut aufgebautem Verstärker liegt der Klirrfaktor deutlich unter der Hörschwelle, in einem Halbleitergerät erst recht, also hört man die Oberwellen doch eh nicht... Njain, man hört sicher keine einzelne Verzerrung, aber für den Höreindruck ist das Klirrspektrum entscheidend und das kann man wahrnehmen. Röhrenvorstufen können daher leicht transparenter, durchhörbarer klingen, auch weniger hart. Das gilt für Röhrenvorstufen, nicht für Endstufen. Bei den Endstufen bin ich was Röhren mit Trafo betrifft eher kritisch, denn da haben sie doch etliche Nachteile gegenüber Transistoren (Dämfpungsfaktor, Laststabilität etc,) Der "Röhrenklang" von Endstufen (es sind meist die Trafos, die man hört) sind etwas ganz anderes und eher schwammig....
Was Endstufen betrifft verfolge ich eine völlig entgegengestzte Starategie. Da bevorzuge ich digitale Endstufen oder besser Pulsweitenmodulation. Die Transistoren arbeiten nur noch als Schaltverstärker. Durch die hohen Betriebsspannungen, die man schaltet, bekommt man den Strom sehr schnell in induktive Lasten. Gerade schnelle Impulswiedergabe zeichnen solche Endstufen aus, die dadurch sehr transparent sind.
Weiterhin setze ich auch noch DSP zur Raumanpassung ein, es ist für mich also äußerst reizvoll alte Röhrentechnik, die auch noch optisch was her macht, mit modernster Schaltungstechnologie sinnvoll zu kombinieren.