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Verfasst: So 9. Jul 2006, 15:42
von PhyshBourne
Ich bin trotzdem dagegen.
Wenn man der Wirtschaft den kleinen Finger reicht, reißt sie einem im günstigsten Fall nur gleich den ganzen Arm heraus.
Und daß wir im Osten schon immer arbeiten konnten, ist meines Erachtens kein Argument für die verlängerten Arbeitszeiten.
Noch einmal - nicht alles, was möglich ist, ist auch gut und nützlich.
Der Preis, den der Mensch zahlt, ist aus medizinischer und psychologischer Sicht recht hoch...
Und über das Thema Arbeitsethos Ost und West würde ich lieber keine Diskussion aufmachen wollen - dabei kann es nur Verlierer geben.

Verfasst: So 9. Jul 2006, 16:04
von imacer
...Wenn man der Wirtschaft den kleinen Finger reicht...
DIE Wirtschaft gibts es nicht. Es stehen nicht "die Wirschaft" auf der einen und "die Menschen" auf der anderen Seite. Wir alle bilden "die Wirtschaft" ebenso wie "den Staat", der ja auch gerne als klar abgegerenzt dargstellt wird.
Ich bin der Meinung, solche Entscheidungen wie die Ladenöffnungszeiten den "Kräften des Marktes" zu überlassen und die Politik so weit es geht da herauszuhalten.
Angebot und Nachfrage regeln es weit besser, praxisorientierter und schneller als die Gesetzgebung die oft nach politischer Willkür oder falsch verstandenenen sozialen Massstäben handelt.
Wenn Bedarf esteht, soll dieser auch gedeckt werden dürfen.

imacer

Verfasst: So 9. Jul 2006, 16:29
von Biribiri
Jo, das war ein ziemlich flacher Beitrag von PhyshBourne. Muss er nicht auch am Sonntag arbeiten? :wink:

Ich freu mich jedenfalls über die neuen Öffnungszeiten. :D

Zu den möglichen Problemen: tja, wären wir mal auf den Bäumen oder im Meer geblieben, dann hätten wir diese Probleme heute nicht. :wink:

Verfasst: So 9. Jul 2006, 17:26
von PhyshBourne
Okay, flache Beiträge sollte man von 'nem Flachländer auch erwarten :wink: 8)
Wobei es - kleiner historischer Exkurs jetzt - aus jüdisch-christlicher Sicht schon immer Berufe gab, die auch am Shabbat bzw. Sonntag arbeiten durften, und zwar immer unter dem Vorzeichen, was Leben unmittelbar schützt und fördert, egal ob es das leibliche oder geistliche ist.
Darunter fielen freilich immer nur wenige Berufsgruppen - geistliche und medizinische Berufe beispielsweise; vielleicht noch so etwas wie die Feuerwehr, wo es um Lebensrettung geht.
Diesen Berufsgruppen wurde schon immer zugestanden, den Feiertag zu unterbrechen (sic!) - und ggf. diese Zeit nachzuholen.
Der Schutz des menschlichen Lebens steht unglaublich hoch in jüdisch-christlicher Sicht.
Aber dazu kommt auch noch die "weltliche" Betrachtungsweise: medizinisch, psychologisch, sozial.
Alles Leben lebt in Rythmen - wer dagegen lebt, beeinträchtigt die langfristige Lebensqualität.
Und ich bleibe dabei, nur weil es einflußreiche Stimme aus der und einen zunehmenden Trend in der Wirtschaft gibt, Profit als oberste Maxime anzusehen, und dazu notfalls den Bedarf auch zu wecken, wo natürlicherweise gar keiner ist, ist es noch lange nicht recht, richtig und gut.
Die zunehmende Kapitalisierung unserer Gesellschaft geht auf Kredit... irgendwann wird irgendwer (und vielleicht schon unsere Generation) den Preis dafür zahlen.
Und was dabei herauskommt, wenn der Wirtschaft völlig freie Hand überlassen wird, haben wir im England des vorletzten Jahrhunderts gesehehen und sehen wir heute in der sog. Dritten Welt.
Meine Güte, was lernt man denn heute in der Schule?
Werden die Analysen der Geschichte überhaupt nicht mehr wahrgenommen?
Die reinen Kräfte des Marktes sind unbarmherzig.
Deshalb bin ich für das Modell der sozialen Marktwirtschaft: soviel Staat, wie nötig, soviel Wirtschaft, wie möglich.
Der Staat hat die Rahmenbedingungen zu schaffen und darauf zu achten, daß die Wirtschaft einerseits ihren Profit machen darf, andererseits dies aber nicht auf Kosten der Gerechtigkeit, Umwelt, Allgemeinheit und des einzelnen Menschen tun darf.
Das das ein Traum ist, dessen bin ich mir bewußt - denn in Zeiten der Globalisierung, in der globale Konzerne (und damit die Konzernlenker) reicher und mächtiger als Staaten sind (und die Masse nachplappert, was ihr von den Konzernen via Medien vorgekaut wird) und als kaum noch jemand korrigierend auf die Wirtschaft einwirkt, ist es schwierig vernünftige und menschengerechte Lösungen für die entstandenen Probleme zu finden.
Konkret: ich lade jeden ein, mit mir einen Gang durch meine Gemeinde zu machen und sich mit den Opfern der freien Kräfte der Wirtschaft zu reden, vielleicht ein Stück ihres Leben zu teilen - und dann können wir uns weiter unterhalten...
Sorry, wenn ich mich ein wenig ereifere, aber ich kann in diesem Zusammenhang nicht parteilos sein, dazu sehe und höre ich zuviel in meiner Stadt mit knapp 30% offizieller (!) Arbeitslosigkeit und wie die Menschen von den großen Arbeitgebern hemmungslos ausgebeutet werden.
Ich habe dafür wenig Verständnis, das das Ergebnis individueller Bequemlichkeit ist.
Interessant in diesem Zusammenhang vielleicht auch dieser Thread...

Verfasst: So 9. Jul 2006, 18:28
von imacer
Sorry, wenn ich mich ein wenig ereifere, aber ich kann in diesem Zusammenhang nicht parteilos sein, dazu sehe und höre ich zuviel in meiner Stadt mit knapp 30% offizieller (!) Arbeitslosigkeit und wie die Menschen von den großen Arbeitgebern hemmungslos ausgebeutet werden.
Denkst du, der Zustand würde sich bessern, wenn man die Rechte und Freiheiten der Arbeitgeber weiter beschneidet, statt ihnen den Freiraum zu geben, den sie benötigen um im Konkurrenz"kampf" zu bestehen?

Den Ländern, in denen unternehmerisches Denken unterdrückt wird, geht es eher schlechter als besser. Politischer Einfluss und Maßregelung auf zu vielen Gebieten dämpfen/unterdrücken das Wachstum und ohne Wachstum gibts auch keine neuen Jobs.

Sicher hat "die Wirtschaft" großen Einfluss und kann international auch einzelne Länder ausspielen, aber sie sind es nunmal, die Jobs schaffen, nicht die Politik, Linksbündnisse, Gewerkschaften oder andere Institutionen, die einem das blaue vom Himmel herbeireden wollen.

Da wir nunnmal (glücklicherweise!) keine abgeschottene Insel sind, auf der wir alles, was wir für richtig und sozial halten durchsetzen können, ohne auf die Auswirkungen unseres Landes im internationalen Verbund achten zu müssen, bleibt uns nur das (wenn auch noch maßvolle) anpassen, oder der schnellere Untergang.

Nicht nur Produkte und Dienstleistungen sind global austauschbar geworden, das Geld sowieso, sondern auch zunehmend die Arbeitskräfte und darauf muss man reagieren und darf sich nicht der Wahrheit verschließen und hier eigene Gesetze schaffen wollen, die nicht zum Rest des (globalen) System passen.
Werden die Analysen der Geschichte überhaupt nicht mehr wahrgenommen?
Die Lösungen der Vergangenheit sind keine Antwort auf die Probleme der Gegenwart oder gar der Zukunft.

Ich kenne dich und dein Handeln nicht, möchte auch keinem etwas unterstellen, gehe aber davon aus, dass du nicht weniger "kapitalistisch" bist und handelst wie diejenigen, denen du es vorwirfst.
Natürlich mit beschränkteren Mitteln, als ein großer Konzern, aber nach denselben Prinzipien.

imacer

Verfasst: So 9. Jul 2006, 18:54
von Zweck0r
PhyshBourne hat geschrieben:Alles Leben lebt in Rythmen - wer dagegen lebt, beeinträchtigt die langfristige Lebensqualität.
Nun gibt es allerdings Menschen, sowohl arbeitende als auch konsumierende, für die 22 Uhr eher zum Tag gehört als 8 Uhr (bah). Dass die Frühaufsteher, ob so geboren oder Mitläufer, zufällig in der Überzahl sind, heißt nicht, dass ihre Interessen die einzig legitimen sind.

In Fabriken ist Schichtbetrieb längst eingeführt, der Maschinenlaufzeiten wegen. Warum sollten Angestellte im Handel besser gestellt werden ? Zumal Nachtarbeit gewöhnlich mit Zuschlägen belohnt wird, die einige gut gebrauchen können.

Grüße,

Zweck

Verfasst: So 9. Jul 2006, 19:02
von imacer
Alles Leben lebt in Rythmen - wer dagegen lebt, beeinträchtigt die langfristige Lebensqualität.
Der Rhythmus heisst "24 Stunden - 7 Tage die Woche", oder lebst du ausserhalb der Arbeit bzw der Freizeit nicht?
Wer soll bestimmen, worin die Lebensqualität besteht? Für einige besteht sie darin, einkaufen zu gehen, wann sie wollen und sich nicht an willkürlich eingerichteten Zeiten orientieren zu müssen.
Egal in welchem Zeitfenster man seine 40h/Woche (oder mehr oder weniger) arbeitet, es bleibt doch genügend Zeit, sich daneben noch in der Freizeit zu verwirklichen und sich um die Liebsten zu kümmern.
Woanders würde man darüber nie Diskussionen führen, in Deutschland scheint das alles unmöglich und unvereinbar mit dem christlichen Glauben zu sein.
Einfach machen, man wird sehen, was es bringt oder nicht bringt.
Die ganze Aufregung ist es nicht wert, denn wie weiter oben schon geschrieben wird, für die Mehrheit an Geschäften wird sich nichts ändern, weil es keinen Sinn macht, in der Abgeschiedenheit einen Blumenladen bis 4 Uhr nachts zu öffnen...

imacer

Verfasst: Mi 12. Jul 2006, 02:22
von imacer
Das Ladenschlussgesetz hat für mich eine überaus wichtige soziale Bedeutung und der Vergleich z.B. mit Asien (wisst ihr wieviel Feiertage es in Kambodscha gibt?) ist völlig fehl am Platz.
Sind alle anderen Länder unsozial, weil sie auf ein Ladenschlussgesetz verzichten (?)...und wenn du es als unsozial ansiehst, wieso sollte es dann nur auf diesen Bereich beschränkt sein?
Ist doch völlige Willkür, Beispiele von Dienstleistungen, die auch nach 20 uhr zur Verfügung stehen, gab es ja bereits genug und die möchten die wenigsten missen.
Wer sprach Kambodscha an? Die haben mehr Feiertage, aber wie schaut es dort mit dem Uraub aus und der Wochenarbeitszeit?
Eine Ertragssteigerung durch längere Öffnungszeiten (bzgl. Behörden: Kurz nach 21:00 rief mich gestern z.B. das Kultusministerium an und Feierabend hatten die noch lange nicht) ist doch eher utopisch.
Ich sehe es eher als Servie am Kunden an, und wer keine Umsatzsteigerung davontragen wird, wird seinen Laden nicht länger öffnen! Dazu Bedarf es keiner Gesetze.
Das Freigeben der Öffnungszeiten heisst nicht, dass ein Geschäft öffnen muss, sondern dass es ihm freigestellt wird, wann er seine Waren und Dienstleistungen anbietet und der Eigentümer sich nach wirtschaftlichen Kriterien richten kann, statt nach politischer Ideologien.
Zur WM (und auch sonst immer mal wieder) gabs die verkaufsoffenen Sonntage, bei denen sie mitziehen musste.
Musste? Unter Androhung einer Geldstrafe?
Wer kann es sich bei uns als "Normalverdiener" noch leisten z.B. regelmässig das Restaurant aufzusuchen, den Gärtner kommen zu lassen, ein Kindermädchen ... anzustellen (die nicht finanziellen Begleitumstände lasse ich noch draussen vor)?
Hier verlassen wir ein wenig das Thema. Dass sich solche Leistungen die wenigsten leisten können, liegt eher an der hohen Steuerquote.
Das beste Beispiel hierfür wäre Wolfsburg. Nach Einführung der 4 Tage Woche, gab es eine Menge Geschäftsaufgaben im handwerklichen Bereich, weil zu viele Leute zu viel Zeit hatten und alles selbst erledigen konnten.
Von diesem Aspekt her, wäre es in der Tat sinnvoller länger zu arbeiten und sich dadurch (in Kombination mit niedrigern Steuersätzen) mehr Dienstleistungen leisten zu können, die ihre Arbeit wiederum auch günstiger anbieten könnten.
Aber Freizeit ist vielen scheinbar wichtiger...alles kann man aber nicht haben.

imacer

Verfasst: Mi 12. Jul 2006, 07:28
von mcBrandy
Hi

Nur von mir kurz. Die Leute haben mit den längeren Öffnungszeiten auch nicht mehr Geld. War 100 Euro ausgibt, der gibt sie auch bis 20 Uhr aus und nicht bis 24 Uhr.

Gruss
Christian

Verfasst: Mi 12. Jul 2006, 08:00
von Zweck0r
burki hat geschrieben:Zudem kann mir niemand erzählen, dass die so flexiblen Arbeitnehmer, die rund um die Uhr arbeiten, nicht tagsübers ihre Auszeit für den Einkauf nehmen können (auch wenn es nur übers Internet läuft).
Lebensmitteleinkauf im Internet ? Wüsste nicht, dass es einen Vollsortimenter gibt, der frische Waren liefert. Erst recht nicht abends oder früh morgens zu einer wählbaren Zeit.

Es gibt so einige Arbeitsplätze, um die herum weit und breit kein Supermarkt zu finden ist. Wenn in der Firma kein Tiefkühlschrank zur Verfügung steht, fällt Pizzakauf in der "Auszeit" auch flach.
Eine gute Freundin von mir ist Inhaberin eines kleinen Schuhgeschäftes in Pasing. Zur WM (und auch sonst immer mal wieder) gabs die verkaufsoffenen Sonntage, bei denen sie mitziehen musste. Ohne weitere Angestellte sind für sie diese Aktionen aber schlicht und ergreifend nicht mehr machbar, wobei sie ebenso keine Kohle hat, diese Angestellten zu bezahlen.
Wie gesagt, niemand zwingt sie, länger zu öffnen. Eher im Gegenteil: die momentane 20-Uhr-Grenze ist für kleine Geschäfte auch oft nicht wirtschaftlich. Bei einer auf 20 Uhr "abgeglichenen" Umgebung erzeugen "Abweichler" aber IMHO mehr Kundenzorn als bei freigegebenen Zeiten. Man geht ins Kaufhaus und dann zum Computerladen und ist sauer, dass er nicht die eine Stunde noch dranhängt, um sich dem "Standard" anzupassen.

Wenn dieser nutzlose Standard gekippt wird, öffnet das große Kaufhaus bis 22 Uhr und der kleine Computerladen weiterhin bis 19 Uhr, worüber sich dann aber niemand mehr aufregen wird, weil niemand von einem kleinen Laden erwartet, bis 22 Uhr zu öffnen.

Grüße,

Zweck