Guidmo hat geschrieben:
Meine Aussage ist subjektiv, individuell und ich finde es spannend & auch immer wieder höchst belustigend, warum das Thema immer wieder so aufgegriffen wird & letztendlich in einem "Glaubenskonflikt" endet.
Das liegt meines Erachtens vor allem daran, dass man sich meist keine Gedanken darüber macht, wie Wahrnehmung wirklich funktioniert. Vermutlich stimmen die meisten Leute Aussagen wie "Klang ist 100% subjektiv" noch zu - machen sich dabei aber nicht wirklich klar, was dies bedeutet.
Dahinter steckt - auf beiden Seiten! - die Vorstellung, dass Wahrnehmung letztlich doch eigentlich objektiv sein sollte und die Subjektivität ein Mangel, eine Schwäche ist. Und das ist m.E. völlig falsch! Wahrnehmung ist zu grundlegend subjektiv und wird das immer sein; und eine Schwäche wird erst daraus, wenn man subjektives als objektives "verkauft".
Ansonsten ist die Funktionsweise der Wahrnehmung, die auch zur Subjektivität führt, gerade ihre Stärke, insbesondere beim Hören über Lautsprecher. Einfachstes Beispiel ist das Hören einer Phantomschallquelle zwischen den Lautsprechern bei Stereo: da ist physikalisch nichts! Da ist objektiv nichts! Die Schallsignale, die an unserem Ohr ankommen, stammen objektiv von zwei Schallquellen links und rechts, sowie von Raumreflexionen - aber unser Gehirn macht etwas völlig anderes daraus. Es wertet gewisse Eigenschaften des Signals aus, ignoriert andere völlig, und baut daraus die subjektive Wahrnehmung. Wer käme jetzt auf die Idee, zu behaupten, dass da wirklich ein Sänger steht? Oder dass der Schall der Stimme wirklich aus der Mitte kommt? Obwohl man es doch so eindeutig, so "definitiv" hört?
Im Konzertsaal gibt es eine völlig andere Situation - den Direktschall mit Intensitäts- und Laufzeitunterschieden, der bei Stereo dazu führt, dass wir wissen, wo der Sänger "steht", gibt es dort nicht. Dafür etwas anderes: die optische Information führt hier dazu, dass für uns der Schall aus einer Richtung kommt, aus der er (so gut wie) nicht kommt. Objektiv sind optische und akustische Informationen völlig widersprüchlich - aber unser Gehirn wertet das entsprechend aus und präsentiert uns eine subjektive Wahrnehmung, die Sinn ergibt.
In gewisser Weise ist es Einbildung - aber dieser Begriff hat eine negative Konnotation, deshalb würde ich ihn normalerweise nicht verwenden; hier in diesem Zusammenhang ist aber nichts negatives, abwertendes dabei. Verstärkerklang und Phantomschallquelle sind beides "Einbildung", beides potenziell (wenn man's eben mag) positive subjektive Möglichkeiten, die uns unser Gehirn bietet; ein Nebeneffekt eines Systems, das die Evolution aus anderen Gründen so hervorgebracht hat. Ich kenne genügend Leute, die mit Stereo, der "Einbildung" von Bühne etc. absolut nichts anfangen können; genauso gibt es viele Leute, die mit der "Einbildung" von Verstärkerklang nichts anfangen können. Möge sich jeder die "Einbildung" auswählen, die ihm etwas gibt - nur wenn man daraus definitive objektive Rückschlüsse zu ziehen versucht, wird es m.E. albern.