Dipol vs. Direktstrahler - einige neue (?) Überlegungen
Verfasst: Mo 6. Jan 2003, 18:14
Liebe HiFi-Freunde,
als Neuling in diesem Forum möchte ich ein paar Gedanken zur Diskussion stellen, die ich mir in der letzten Zeit vor allem zum Thema
Surround-Klang; gemacht habe. Ich hoffe, damit eine Diskussion anzuregen und meine eigenen Meinungen überprüfen zu können. Beginnen möchte ich mit der auch in diesem Kreis schon oft diskutierten Frage, ob als Surround-Boxen herkömmlichen Direktstrahler-Boxen oder Dipol-Boxen der Vorzug zu geben ist. Ich denke, daß sich jenseits der Frage des persönlichen Geschmacks durchaus etwas zum Für und Wider sagen läßt. Allerdings finden sich häufig (auch in diesem Forum) Argumente, die mir nur schwer nachvollziehbar zu sein scheinen. Die Technik-Experten bitte ich vorab um Nachsicht, daß ich ein phänomenologisches Vokabular benutze, also auf die Höreindrücke Bezug
nehme. In bezug auf die physikalische Seite bin ich leider nicht kundig genug (obwohl ich u.a. Physiker bin, aber aus einem ganz anderen
Gebiet ).
Zunächst einmal halte ich es für wichtig, zwischen dem Einsatzzweck der Boxen zu unterschieden.
1. Heimkino
Im Nubert-Forum habe ich mehrfach die Behauptung gelesen, Dipol-Boxen hätten im Zeitalter von Dolby Surround (3-Kanal) noch ihren Sinn gehabt, seien bei Einsatz von Dolby Digital oder DTS (5/6-Kanal) jedoch nicht mehr sinnvoll. Es hat mich einige Überlegung gekostet,
dieses Argument zu verstehen, und nachdem ich glaube, es verstanden zu haben, bin ich sicher, daß es auf einem Fehlschluß beruht. Es läuft wohl auf folgendes hinaus: Beim alten Dolby Surround gibt es nur einen Kanal für die seitlichen/rückwärtigen Klangeffekte. Folglich sollte das seitliche/rückwärtige Klangfeld möglichst homogen oder "breit" sein, was man am besten mit Dipolsprechern erreicht. Die Verwendung von Direktstrahlern, die eine genaue Lokalisierung der wiedergegebenen Klangereignisse erlauben, macht dagegen keinen Sinn. (Bei Direktstrahlern würde sich ein Klangereignis z.B. eben nicht, wie beabsichtigt, von vorne (rechts/mitte/links) nach hinten bewegen, sondern auf zwei bestimmte hintere Orte zu.)
Soweit stimme ich zu. Nun fährt der Anhänger von Direktstrahlern aber folgendermaßen fort: Bei DD/DTS stehen zwei (inzwischen sogar drei) diskrete Surround-Kanäle zur Verfügung, die eine Positionierung der Klänge nach links-rechts (links-hinten-rechts) erlauben. Folglich brauche man Direktstrahler, da nur diese eine solche Positionierung ermöglichten, während Dipole durch ihre spezifischen Eigenschaften dem erwünschten Ziel gerade entgegenarbeiteten. Soweit das Argument. Was ist daran falsch? Nun, natürlich erlauben auch Dipole dem Hörer eine Differenzierung zwischen rechts und links! (Jeder kann sich sofort davon überzeugen, daß man unterscheiden kann, ob die linke oder die rechte Surround-Box "tönt"). Der Unterschied zu Direktstrahlern besteht nur darin, daß innerhalb der Klangfelder hinten-links und hinten-rechts keine genaue Lokalisierung des reproduzierten Klangereignisses möglich ist. Die Frage ist also, ob eine solche Lokalisierung erwünscht ist oder nicht. Und dazu muß man sich fragen, was eine Heimkino-Anlage leisten soll. Doch wohl vor allem, dem Klang eines Filmtons in einem großen Kinosaal möglichst nahe zu kommen. Wenn man sich nun die Beschallung in einem guten Kino anschaut, wird man feststellen, daß sich dort eine ganze Kette von Surround-Boxen über die gesamten Seitenwände (und auch die Rückwände) erstreckt. Zwar sind Surround-Boxen im Kino in der Regel Direktstrahler, aber sie erzeugen durch ihre große Zahl eben gerade wieder "breite", homogene seitliche Klangfelder. (Man kann im Kino eben gerade nicht ein im z.B. linken Surround-Kanal wiedergegebenes Klangereignis einem bestimmten Ort an der linken Wand zuordnen, vielmehr kommt es "breit" von links.) Wenn man diese Klangcharakteristik im heimatlichen Wohnraum mit nur jeweils einer linken und rechten Surround-Box reproduzieren möchte, so geht das nur mit Dipolen. Genau deswegen, vermute ich, sieht die THX-Norm für Heimkino-Anlagen ja auch zwingend Dipole als Surround-Boxen vor. Man könnte nun allenfalls noch einwenden, daß man nicht an der Reproduktion des Klangs im Kino interessiert sei, sondern des "wirklichen" Klangs der im Film dargestellten Ereignisse. Aber wenn der Film-Sound so erstellt ist, daß er möglichst real wirken soll, dann doch wohl mit dem Ziel, eine solche Realitätsnähe im Kino zu erreichen. Für den Einsatz im Heimkino-Bereich scheinen mir alle Argumente (abgesehen von Fragen
des persönlichen Geschmacks) für Dipole im Surround-Bereich zu sprechen.
2. Musik
Hier sieht die Sache für mein Empfinden viel komplizierter aus, weil die Art der wiedergegeben Klangereignisse äußerst vielfältig ist. Ich
beschränke mich mal auf den Bereich, in dem ich "zu Hause" bin: Klassik. Tonträger werden hier i.d.R. mit dem Ziel produziert, einer Live-Aufführung eines Konzertes möglichst nahe zu kommen, ob es nun Live-Auffnahmen oder Studio-Aufnahmen sind. Es müßte also auch das Ziel einer Surround-Anlage sein, eine reale Hörsituation im Konzert zu reproduzieren. Nun liest man häufig, Dipole seien in diesem Fall
unbrauchbar, da es vorkommen könne, daß einzelne Instrumente bestimmten Kanälen zugeordnet werden - bei Dipolen als Rearspeakern
wären dann Instrumente im hinteren Klangfeld im Gegensatz zum vorderen Bereich nicht lokalisierbar, was in der Tat eine Katastrophe wäre.
Nur ist ein solches Szenario natürlich reichlich weltfremd - kein Zuhörer sitzt mitten im Orchester oder zwischen den Musikern eines Streichquartetts, und kein Toningenieur käme (hoffentlich) auf die Idee, eine Konzertaufnahme so abzumischen. Lediglich im Bereich der
neuen Musik, in dem viel mit Klangräumen experimentiert wird, könnten derartige Szenarien auftreten. Für das Abspielen einer 5.1-Aufnahme eines solchen Konzertes wären Dipol-Rearspeaker dann in der Tat ungeeignet. Wenn man solche Fälle außer acht läßt und nur das traditionelle Repertoire berücksichtigt, werden über die Rearspeaker doch wohl nur die Reflexionen der primären Schallquelle wiedergegeben. Hier ist nun die interessante Frage, ob Direktstrahler oder Dipole für diese Einsätze besser geeignet sind (und damit meine ich hier: einer realistischen Wiedergabe zuträglicher). Hierzu würden mich sowohl die physikalische Seite brennend interessieren als auch die Hörerfahrungen von denjenigen glücklichen Nubert-Kunden, die auf Direktstrahler umschaltbare Dipol-Rearspeaker besitzen. (Ich habe die als Dipol überragenden nuLine RS-6, die ich nicht missen möchte, die aber leider keinen Umschalter besitzen. Liebes Nubert-Team: könnt Ihr mir einen solchen Schalter nachträglich einbauen ????)
Fazit: Die gelegentlich geäußerte Meinung, die beste Surroundkonfiguration sei es, fünf mal die gleiche Box aufzustellen, scheint mir allenfalls für die Musikwiedergabe plausibel zu sein. (Aber wer hat schon Platz genug für fünf nuLine 100?) Für eine Heimkinoanlage, in der Front-, Center- und Rear-Boxen vollkommen verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben, halte ich diese Ansicht für abwegig. Zumindest hier sind
Dipole für den Surround-Bereich die richtige Wahl. Also spricht wohl alles für einen Nubert-Dipol, der in einen Direktstrahler umschaltbar ist.
Und nun bin ich gespannt auf Eure/Ihre Meinungen! Und was sagt das Nubert Team dazu? Die "offizielle" Nubert-Meinung ist doch wohl,
Dipolboxen in allen Fällen zu empfehlen - oder habe ich das falsch interpretiert? Und warum sind einige Dipol-Modelle nicht in einen
Direktstrahler, sondern in einen Bipol umschaltbar? Mangels eigener Hörerfahrung ist mir völlig unklar, wie Bipole, in denen vordere und
hintere Lautsprecher einer Box gleichphasig schwingen, eigentlich klingen. Fragen über Fragen...
Viele Grüße,
Carsten
als Neuling in diesem Forum möchte ich ein paar Gedanken zur Diskussion stellen, die ich mir in der letzten Zeit vor allem zum Thema
Surround-Klang; gemacht habe. Ich hoffe, damit eine Diskussion anzuregen und meine eigenen Meinungen überprüfen zu können. Beginnen möchte ich mit der auch in diesem Kreis schon oft diskutierten Frage, ob als Surround-Boxen herkömmlichen Direktstrahler-Boxen oder Dipol-Boxen der Vorzug zu geben ist. Ich denke, daß sich jenseits der Frage des persönlichen Geschmacks durchaus etwas zum Für und Wider sagen läßt. Allerdings finden sich häufig (auch in diesem Forum) Argumente, die mir nur schwer nachvollziehbar zu sein scheinen. Die Technik-Experten bitte ich vorab um Nachsicht, daß ich ein phänomenologisches Vokabular benutze, also auf die Höreindrücke Bezug
nehme. In bezug auf die physikalische Seite bin ich leider nicht kundig genug (obwohl ich u.a. Physiker bin, aber aus einem ganz anderen
Gebiet ).
Zunächst einmal halte ich es für wichtig, zwischen dem Einsatzzweck der Boxen zu unterschieden.
1. Heimkino
Im Nubert-Forum habe ich mehrfach die Behauptung gelesen, Dipol-Boxen hätten im Zeitalter von Dolby Surround (3-Kanal) noch ihren Sinn gehabt, seien bei Einsatz von Dolby Digital oder DTS (5/6-Kanal) jedoch nicht mehr sinnvoll. Es hat mich einige Überlegung gekostet,
dieses Argument zu verstehen, und nachdem ich glaube, es verstanden zu haben, bin ich sicher, daß es auf einem Fehlschluß beruht. Es läuft wohl auf folgendes hinaus: Beim alten Dolby Surround gibt es nur einen Kanal für die seitlichen/rückwärtigen Klangeffekte. Folglich sollte das seitliche/rückwärtige Klangfeld möglichst homogen oder "breit" sein, was man am besten mit Dipolsprechern erreicht. Die Verwendung von Direktstrahlern, die eine genaue Lokalisierung der wiedergegebenen Klangereignisse erlauben, macht dagegen keinen Sinn. (Bei Direktstrahlern würde sich ein Klangereignis z.B. eben nicht, wie beabsichtigt, von vorne (rechts/mitte/links) nach hinten bewegen, sondern auf zwei bestimmte hintere Orte zu.)
Soweit stimme ich zu. Nun fährt der Anhänger von Direktstrahlern aber folgendermaßen fort: Bei DD/DTS stehen zwei (inzwischen sogar drei) diskrete Surround-Kanäle zur Verfügung, die eine Positionierung der Klänge nach links-rechts (links-hinten-rechts) erlauben. Folglich brauche man Direktstrahler, da nur diese eine solche Positionierung ermöglichten, während Dipole durch ihre spezifischen Eigenschaften dem erwünschten Ziel gerade entgegenarbeiteten. Soweit das Argument. Was ist daran falsch? Nun, natürlich erlauben auch Dipole dem Hörer eine Differenzierung zwischen rechts und links! (Jeder kann sich sofort davon überzeugen, daß man unterscheiden kann, ob die linke oder die rechte Surround-Box "tönt"). Der Unterschied zu Direktstrahlern besteht nur darin, daß innerhalb der Klangfelder hinten-links und hinten-rechts keine genaue Lokalisierung des reproduzierten Klangereignisses möglich ist. Die Frage ist also, ob eine solche Lokalisierung erwünscht ist oder nicht. Und dazu muß man sich fragen, was eine Heimkino-Anlage leisten soll. Doch wohl vor allem, dem Klang eines Filmtons in einem großen Kinosaal möglichst nahe zu kommen. Wenn man sich nun die Beschallung in einem guten Kino anschaut, wird man feststellen, daß sich dort eine ganze Kette von Surround-Boxen über die gesamten Seitenwände (und auch die Rückwände) erstreckt. Zwar sind Surround-Boxen im Kino in der Regel Direktstrahler, aber sie erzeugen durch ihre große Zahl eben gerade wieder "breite", homogene seitliche Klangfelder. (Man kann im Kino eben gerade nicht ein im z.B. linken Surround-Kanal wiedergegebenes Klangereignis einem bestimmten Ort an der linken Wand zuordnen, vielmehr kommt es "breit" von links.) Wenn man diese Klangcharakteristik im heimatlichen Wohnraum mit nur jeweils einer linken und rechten Surround-Box reproduzieren möchte, so geht das nur mit Dipolen. Genau deswegen, vermute ich, sieht die THX-Norm für Heimkino-Anlagen ja auch zwingend Dipole als Surround-Boxen vor. Man könnte nun allenfalls noch einwenden, daß man nicht an der Reproduktion des Klangs im Kino interessiert sei, sondern des "wirklichen" Klangs der im Film dargestellten Ereignisse. Aber wenn der Film-Sound so erstellt ist, daß er möglichst real wirken soll, dann doch wohl mit dem Ziel, eine solche Realitätsnähe im Kino zu erreichen. Für den Einsatz im Heimkino-Bereich scheinen mir alle Argumente (abgesehen von Fragen
des persönlichen Geschmacks) für Dipole im Surround-Bereich zu sprechen.
2. Musik
Hier sieht die Sache für mein Empfinden viel komplizierter aus, weil die Art der wiedergegeben Klangereignisse äußerst vielfältig ist. Ich
beschränke mich mal auf den Bereich, in dem ich "zu Hause" bin: Klassik. Tonträger werden hier i.d.R. mit dem Ziel produziert, einer Live-Aufführung eines Konzertes möglichst nahe zu kommen, ob es nun Live-Auffnahmen oder Studio-Aufnahmen sind. Es müßte also auch das Ziel einer Surround-Anlage sein, eine reale Hörsituation im Konzert zu reproduzieren. Nun liest man häufig, Dipole seien in diesem Fall
unbrauchbar, da es vorkommen könne, daß einzelne Instrumente bestimmten Kanälen zugeordnet werden - bei Dipolen als Rearspeakern
wären dann Instrumente im hinteren Klangfeld im Gegensatz zum vorderen Bereich nicht lokalisierbar, was in der Tat eine Katastrophe wäre.
Nur ist ein solches Szenario natürlich reichlich weltfremd - kein Zuhörer sitzt mitten im Orchester oder zwischen den Musikern eines Streichquartetts, und kein Toningenieur käme (hoffentlich) auf die Idee, eine Konzertaufnahme so abzumischen. Lediglich im Bereich der
neuen Musik, in dem viel mit Klangräumen experimentiert wird, könnten derartige Szenarien auftreten. Für das Abspielen einer 5.1-Aufnahme eines solchen Konzertes wären Dipol-Rearspeaker dann in der Tat ungeeignet. Wenn man solche Fälle außer acht läßt und nur das traditionelle Repertoire berücksichtigt, werden über die Rearspeaker doch wohl nur die Reflexionen der primären Schallquelle wiedergegeben. Hier ist nun die interessante Frage, ob Direktstrahler oder Dipole für diese Einsätze besser geeignet sind (und damit meine ich hier: einer realistischen Wiedergabe zuträglicher). Hierzu würden mich sowohl die physikalische Seite brennend interessieren als auch die Hörerfahrungen von denjenigen glücklichen Nubert-Kunden, die auf Direktstrahler umschaltbare Dipol-Rearspeaker besitzen. (Ich habe die als Dipol überragenden nuLine RS-6, die ich nicht missen möchte, die aber leider keinen Umschalter besitzen. Liebes Nubert-Team: könnt Ihr mir einen solchen Schalter nachträglich einbauen ????)
Fazit: Die gelegentlich geäußerte Meinung, die beste Surroundkonfiguration sei es, fünf mal die gleiche Box aufzustellen, scheint mir allenfalls für die Musikwiedergabe plausibel zu sein. (Aber wer hat schon Platz genug für fünf nuLine 100?) Für eine Heimkinoanlage, in der Front-, Center- und Rear-Boxen vollkommen verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben, halte ich diese Ansicht für abwegig. Zumindest hier sind
Dipole für den Surround-Bereich die richtige Wahl. Also spricht wohl alles für einen Nubert-Dipol, der in einen Direktstrahler umschaltbar ist.
Und nun bin ich gespannt auf Eure/Ihre Meinungen! Und was sagt das Nubert Team dazu? Die "offizielle" Nubert-Meinung ist doch wohl,
Dipolboxen in allen Fällen zu empfehlen - oder habe ich das falsch interpretiert? Und warum sind einige Dipol-Modelle nicht in einen
Direktstrahler, sondern in einen Bipol umschaltbar? Mangels eigener Hörerfahrung ist mir völlig unklar, wie Bipole, in denen vordere und
hintere Lautsprecher einer Box gleichphasig schwingen, eigentlich klingen. Fragen über Fragen...
Viele Grüße,
Carsten